Hamburg. Im Norden von Russland tauchten wie aus dem Nichts 70 Meter breite Krater auf. Jetzt fanden Forscher eine Erklärung für die Löcher.

Immer wieder tauchen auf der Welt plötzlich riesige Erdkrater auf, oft scheinbar aus dem Nichts und mit beängstigender Wucht. Ob in der Wüste, in der Tundra oder in bewohnten Gebieten: die Löcher geben Wissenschaftlern und Anwohnern gleichermaßen Rätsel auf. Manchmal entstehen sie durch den Einsturz von Kalksteinhöhlen, an anderen Orten durch den Ausstoß von Gasen tief aus dem Erdinneren. Das Rätsel um riesige Krater auf der sibirischen Jamal-Halbinsel konnte eine neue Studie jetzt lösen.

Schon seit der Entdeckung des ersten Kraters im Jahr 2014 gab es zahlreiche Theorien. Viele Forscher vermuteten, dass der fortschreitende Schwund des Permafrosts Methangas freisetzte, das durch die Nähe zu Erdgasreserven weiter angereichert wurde. Doch die neue Untersuchung offenbart ein komplexeres Zusammenspiel von physikalischen Kräften und geologischen Besonderheiten.

Demnach führt die Erwärmung des Permafrostes nicht direkt zur Explosion, sondern verursacht indirekt einen dramatischen Druckanstieg tief im Erdreich – eine Veränderung, die das eingefrorene Methangas freisetzt und schließlich eine Detonation auslöst.

Explosionen in Sibirien werden durch komplexes physikalisches Zusammenspiel ausgelöst

Die Co-Autorin der Studie, die Chemieingenieurin Ana Morgado von der Universität Cambridge, spricht in einem Statement von einem „Detektivspiel“, das die Forscher führen mussten. Den Schlüssel zur Lösung fanden sie dabei in dem physikalischen Prozess Osmose. Dabei bewegt sich Wasser in Richtung einer höheren Salzkonzentration, was zu einem Druckanstieg führen kann, wenn es dabei auf eine Barriere stößt. Auf der Jamal-Halbinsel spielt das Permafrostgestein, das sich über Hunderte von Metern erstreckt, die Rolle einer solchen Barriere. Der Permafrost bildet eine Art „Wassersperre“, die durch die Erwärmung jedoch zunehmend instabil wird.

Die globale Erwärmung führt zu einem schmelzenden Permafrostboden, dessen Wasser immer mehr Druck auf Methangase ausübt.
Die globale Erwärmung führt zu einem schmelzenden Permafrostboden, dessen Wasser immer mehr Druck auf Methangase ausübt. © AGU/Madeline Reinsel

Unter dem Permafrost befindet sich darüber hinaus eine besondere geologische Schicht, die als Cryopeg bekannt ist – eine Mischung aus hochsalzigem, flüssigem Wasser, das auch bei extremen Minusgraden nicht gefriert. Darunter liegt eine weitere Schicht aus sogenannten Methanhydraten, eine Mischung aus Wasser und Methan, die bei hohem Druck und niedrigen Temperaturen stabil bleibt. Doch durch die Erwärmung des Permafrosts und den dadurch ausgelösten Druckaufbau in der Cryopeg-Schicht wird diese Stabilität zunehmend gefährdet.

Klimawandel: Es dauert Jahrzehnte, bis es zur Explosion kommt

Wenn das Oberflächenwasser infolge des Klimawandels in die Cryopeg-Schicht gedrückt wird, entsteht ein enormer Druck, erklärt der Geophysiker Julyan Cartwright. Irgendwann gebe der Boden dem Druck nach und es entstehen Risse, die sich in Richtung Oberfläche fortsetzen. Sobald diese Risse entstehen, fällt der Druck im Erdinneren plötzlich ab, was dazu führt, dass sich die Methanhydrate zersetzen und Methan explosionsartig freigesetzt wird.

Die Forscher haben herausgefunden, dass dieser Prozess Jahrzehnte dauern kann, was sich mit dem Zeitpunkt der beschleunigten globalen Erwärmung in den 1980er Jahren überschneidet. Diese Explosionen könnten jedoch nicht nur die Landschaft Sibirens verändern, sondern auch zur weiteren Erderwärmung beitragen, da Methan ein starkes Treibhausgas ist.

Die Studie in der Fachzeitschrift „Geophysical Research Letters“ veröffentlichte Studie zeigt eindrucksvoll, wie der Klimawandel unerwartete und teils zerstörerische Effekte haben kann. Auch wenn dieses Phänomen vermutlich selten sei, könnte die Menge an freigesetztem Methan erhebliche Auswirkungen auf die globale Erwärmung haben, so Morgado.