Hamburg. Der Ausbruch des Vesuvs erstickte in Pompeji Gebäude und Menschen unter sich. In einem Haus wurden die Forscher nun überrascht.

Die Wandgemälde von Pompeji bieten einen einzigartigen Einblick in das Alltagsleben und die künstlerischen Vorlieben der Menschen im antiken Rom. Durch den Vulkanausbruch des Vesuvs im Jahr 79 n. Chr. wurden die farbenfrohen Fresken in den Villen und öffentlichen Gebäuden der Stadt konserviert und über Jahrhunderte hinweg bewahrt. Außerdem rekonstruieren Archäologen beschädigte Kunstwerke und verleihen ihnen neuen Glanz.

Im Archäologischen Park von Pompeji machten Forscher nun eine erstaunliche Entdeckung in einem eigentlich bescheidenen Zuhause. Die in einem Statement sogar als „Tiny House“ bezeichnete Wohneinheit gruben die Archäologen im zentralen Viertel von Pompeji aus. Völlig ungewöhnlich: Dem Haus fehlte das in der römischen Architektur typische Atrium, ein zentraler Innenraum, der nach oben hin geöffnet war.

Trotz der geringen Größe der Residenz wäre es nicht unmöglich gewesen wäre, ein kleines Atrium mit dem klassischen Becken (Impluvium) zum Sammeln von Regenwasser einzubauen, heißt es im Statement. Wieso entschied sich der Besitzer des Hauses also für diesen ungewöhnlichen Stil?

Unglaublicher Fund: Wandgemälde bilden Szenen aus der griechischen Mythologie ab

Vor allem die Dekoration der im Vergleich zu den benachbarten Villen kleinen Unterkunft überrascht die Archäologen. Die hohen Wandgemälde würden dem weitaus größeren und reicheren Haus gleich nebenan in nichts nachstehen. Weil die Forscher auch ein besonders gut erhaltenes Fresko freilegten, das den Mythos von Hippolytus und Phaedra darstellt, wurde das Haus vorläufig „Haus der Phaedra“ getauft.

Der Mythos von Hippolytus und Phaedra erzählt die tragische Geschichte einer unglücklichen Liebe und Eifersucht. Phaedra, die Stiefmutter des Hippolytus, wird von Aphrodite verzaubert und verliebt sich leidenschaftlich in ihn. Als Hippolytus, Sohn des Theseus, ihre Gefühle ablehnt, beschuldigt Phaedra ihn aus Scham fälschlich, sie verführt zu haben. Theseus, voller Zorn und getäuscht von Phaedras Anschuldigung, verflucht seinen Sohn mit Hilfe des Meeresgottes Poseidon. Dieser Fluch führt letztlich zum Tod von Hippolytus und zum Selbstmord Phaedras.

Dieses Wandgemälde zeigt wahrscheinlich eine Szene aus dem Mythos von Hippolytus und Phaedra.
Dieses Wandgemälde zeigt wahrscheinlich eine Szene aus dem Mythos von Hippolytus und Phaedra. © Archäologischer Park Pompeji

Die beiden bereits erforschten Räume befinden sich im hinteren Teil des Hauses. Im ersten Raum sind neben der mythologischen Darstellung von Hippolytus und Phaedra weitere Szenen aus dem Repertoire der klassischen Mythen zu sehen. Darunter ist ein Fresko, das den Geschlechtsverkehr zwischen dem Waldgott Satyr und einer Nymphe zeigt, sowie ein Bild mit einem Götterpaar, das vielleicht Venus und Adonis darstellen könnte. Bei einer leicht beschädigten Szene könnte es sich wiederum um das Urteil des Paris handeln.

Italien: Vesuv-Ausbruch konservierte Opfergabe

In Innenhof der Residenz gruben die Forscher außerdem einen großen Pool mit rot gestrichenen Wänden aus. Ein weiteres Indiz dafür, dass es sich bei dem Hausherren oder der Hausherrin um keine völlig durchschnittlichen Bewohner handeln konnte. In einer Gebetsnische wurden rituelle Gegenstände gefunden, die bei der letzten Opfergabe vor dem Ausbruch von 79 n. Chr. zurückgeblieben waren: ein Weihrauchgefäß aus ungefärbter Keramik mit antiken Lücken und eine Lampe, beide mit deutlichen Brandspuren. 

Dass das Haus kein Atrium besaß, hing wohl mit Veränderungen zusammen, die die römische Gesellschaft im 1. Jahrhundert n. Chr. durchlief. Zur Zeit der Pompeji-Katastrophe war das Atrium sechs Jahrhunderte lang als Empfangsbereich sowie als Ausstellungsraum für Trophäen und Familienporträts in der römischen Kultur genutzt worden. Der Wandel hin zu Häusern ohne Atrium sei Zeugnis dafür, dass diese Art der Repräsentation weniger wichtig wurde, heißt es in einer im Wissenschaftsmagazin des Archäologischen Parks von Pompeji veröffentlichten Studie.