Hamburg. Dieser archäologische Krimi ist offenbar wahr: Eine DNA-Analyse beweist den Wahrheitsgehalt einer Sage rund um den „Brunnenmann“.
In den norwegischen Sagen liegen Wahrheit und Dichtung offenbar äußerst eng beieinander. Wissenschaftler und Historiker bezweifelten die Inhalte aufgrund fehlender Belege und historischer Niederschriften bisher. Die legendäre „Sverris-Saga“ könnte nun erstmals durch einen seltenen Fund in Norwegen bestätigt worden sein. Die Auswertung einer DNA-Analyse von Zähnen und Knochen eines Mannes, dessen Überreste in jenem in der Saga erwähnten Brunnen gefunden wurden, liefert die entsprechenden Beweise.
Gruselfund bestätigt entsetzliche Legende über den norwegischen König Sverre Sigurðarson
Die Sverris-Saga entstammt der Feder des isländischen Abtes des Klosters Thingeyrar Karl Jónsson, der sich eine Zeit lang in Norwegen bei Sverre aufhielt und dessen Aufstieg beziehungsweise Herrschaft miterlebte. Die Vollendung der Saga muss unmittelbar nach Sverres Tod 1202 geschehen sein, da sich weitere nah folgende historische Quellen bereits auf diese berufen.
Die Sverris-Saga ist ein detaillierter Bericht über das Leben und die Herrschaft von König Sverre, der den norwegischen Thron im späten 12. Jahrhundert bestieg. Diese Zeit war von heftigen Kämpfen um die Macht geprägt, insbesondere zwischen Sverres loyaler „Birkebeiner“-Armee und einer rivalisierenden Fraktion, die als Baglers bekannt war und von der römisch-katholischen Kirche unterstützt wurde.
Der Sage nach warfen die Angreifer bei einem Überfall auf Sverresborg im Jahr 1197 eine Leiche in den Brunnen der Burg, um mit dem vergifteten Wasser die Versorgung der Burg zu unterbrechen. Mit diesem Vorgehen waren die Angreifer der Legende zufolge erfolgreich: Sie besiegten König Sverre demnach.
800 Jahre alte Sage ist wahr: Archäologen entdecken menschliche Knochen im Brunnen
Bereits 1938 fanden Archäologen menschliche Knochen in dem Brunnen. Die begrenzten wissenschaftlichen Methoden ließen allerdings lange keinen endgültigen Rückschluss zu. Ein Team unter der Leitung von Michael D. Martin, Professor an der Norwegischen Universität für Wissenschaft und Technologie, hat die Überreste einer DNA-Untersuchung unterzogen und konnte den Tod des Mannes auf das Jahr 1197 festlegen.
„Dies ist das erste Mal, dass eine in diesen historischen Texten beschriebene Person tatsächlich gefunden wurde“, sagt Martin und fügt hinzu, dass neue genomische Methoden es ermöglichen, alte Überreste in ganz Europa neu zu bewerten.
Die DNA aus einem Zahn liefert für die Wissenschaftler weitere interessante Erkenntnisse. Der gefundene Mann war demnach 30 bis 40 Jahre alt und hatte wahrscheinlich blaue Augen sowie blondes oder hellbraunes Haar. Seine Abstammung wird mit der Region Vest-Agder in Südnorwegen in Verbindung gebracht, womit die Leiche vermutlich einer der Angreifer war.
„Wir können zwar nicht beweisen, dass die aus dem Brunnen in den Ruinen von Schloss Sverresborg geborgenen Überreste von der in der Sverris-Saga erwähnten Person stammen, aber die Indizien sprechen für diese Schlussfolgerung“, so die Forscher in ihrer Veröffentlichung, die in „iScience“ publiziert wurde.
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Martin und sein Team hoffen, diese Methoden auch auf andere historische Persönlichkeiten anwenden zu können. Besonders interessiert sind sie an St. Olaf, dem Schutzpatron Norwegens, von dem man annimmt, dass er in der Nähe des Trondheimer Doms begraben liegt. „Wenn seine sterblichen Überreste gefunden werden, könnte man versuchen, ihn physisch zu beschreiben und seine Abstammung mithilfe der genetischen Sequenzierung nachzuvollziehen“, so Martin.