Hamburg. Ist es ein Walross oder ein Säbelzahntiger? Ein Höhlengemälde in Afrika gab Forschern lange Rätsel auf. Jetzt könnte es gelöst sein.
In einer Höhle in Südafrika malte das Volk der San vor Hunderten Jahren ein Tier an die Steine. Es besitzt einen „bananenförmigen“ Körper und hat große Stoßzähne. Eine Beschreibung, die eigentlich auf kein Tier der Gegend zutrifft. Vermutungen reichten bisher vom Walross bis hin zum Säbelzahntiger. Oder ist das Tier gar komplett erfunden?
Der Paläontologe Dr. Julien Benoit von der Universität Witwatersrand hat in einer neuen Studie nach dem Ursprung des Motivs geforscht. Er könnte eine Antwort auf das Rätsel der Darstellung gefunden haben, die mehr als 200 Millionen Jahre in die Zeit zurückreicht. Denn bei den San könnte es sich um die ersten „indigenen“ Paläontologen handeln.
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Paläontologen finden zahlreiche Fossilien in Umgebung des Höhlengemäldes
Die Höhle mit dem Bild liegt in der südafrikanischen Karoo-Halbwüste, die von dem indigenen Volk der San bewohnt wurde. Benoit berichtet in „The Conversation“ , wie er und andere Forscher in der Gegend zahlreiche Fossilien von Dinosauriern und ihren Vorgängern fanden.
So seien auch die Schädel, Knochen und Zähne, die die San umgaben, in deren Kunst eingeflossen. „Die San verfügten über ein profundes Wissen über ihre Umwelt, das sie meisterhaft in ihren Felsmalereien darstellten“, schreibt Benoit. Unter anderem malten sie Dinosaurierabdrücke an Höhlenwände, berichtet Benoit. Auch bei dem mysteriösen Wandgemälde könnte es sich um eines der lange ausgestorbenen Reptilien handeln: die Dicynodonten.
Die Arten der Dicynodontia-Gattung sind Pflanzenfresser, deren Fossilien in der wissenschaftlichen Literatur zum ersten Mal 1845 beschrieben wurden. Die San lebten seit Jahrtausenden in der Fossiliengegend, bis sie Karoo im Jahr 1835 verließen. Das Höhlengemälde ist demnach mindestens so alt, womit die San mindestens zehn Jahre vor den westlichen Wissenschaftlern die Art der Dicynodonten abbildeten.
Forscher verblüfft: Indigene waren westlichen Wissenschaftlern voraus
Benoit schlussfolgert, dass es eine Art völlig vergessene, indigene „Paläontologie“ in der Karoo-Region gegeben haben müsse. Damit hänge „auch ein gewisses Maß an vorwissenschaftlicher Forschung über Fossilien“ zusammen. Auch hätten die San versucht, ausgestorbene Tiere zu rekonstruieren, schon bevor westliche Wissenschaftler dies taten.
Die Dycnodonton, Vorfahren der heutigen Säugetiere, lebten vor 265 Millionen bis 200 Millionen Jahren sogar schon vor den Dinosauriern. Die unterschiedlichen Arten der Dycnodonton unterschieden sich stark in ihrer Größe. So wurden Arten entdeckt, die so groß wie eine Maus oder ein Nilpferd waren. In der Karoo-Gegend, wo sie die dominanten Lebewesen waren, liegen Millionen ihrer Fossilien verstreut.
Besonders die oftmals sehr großen Schädel mit ihren charakteristischen Stoßzähnen würden auffallen, erklärt Benoit. Demnach gibt es einen Mythos der San, der von „gewaltigen Bestien“ erzählt, die einst den Süden Afrikas durchstreiften. Die Geschichte könnte durchaus durch die Fossilien der Dycnodonton entstanden sein, mutmaßt Benoit.
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San sprachen Fossilien vielleicht magische Fähigkeiten zu
Für seine auf der Wissenschaftsplattform „PLOS One“ veröffentliche Untersuchung verglich Benoit die Höhlenmalerei mit anderen Tieren der Gegend, die auch auffällige Zähne besitzen. Weil die Stoßzähne nach unten zeigen, schließe das Elefanten, Schweine oder Warzenschweine als Vorlage aus. Deren Hauer sind nach oben gerichtet. In der unmittelbaren Nähe des Wandgemäldes fand Benoit jedoch Schädel und Knochen der Dycnodonton, deren Stoßzähne nach unten zeigen.
Der bananenförmige Körper des Wesens erinnere ebenfalls an die typische „Todespose“ vieler Fossilien. Auch weise der mit Punkten bemalte Körper Überschneidungen mit Dycnodonton-Fossilien aus dem Meer auf, die ein ähnliches Muster besitzen.
Für die San waren Tiere mit Stoßzähnen wohl „Regentiere“. Diese spielten in Regen-Ritualen eine wichtige Rolle. Laut Benoit könnten den Fossilien außerdem magische Fähigkeiten zugesprochen worden sein.