Santorini. Bewohner einer beliebten griechischen Insel leiden unter dem Ansturm von Kreuzfahrttouristen. Was die Regierung jetzt dagegen tun will.
Es rumort auf Santorini. Aber das liegt nicht an dem Vulkan, dessen Ausbruch vor 3600 Jahren der Insel ihre heutige Form gab. Stattdessen grummeln die Bewohner. Denn: Immer mehr Touristen überschwemmen die griechische Kykladeninsel. Den Einheimischen ist es zu viel.
Vergangenes Jahr besuchten 3,4 Millionen Urlauber Santorini. 1,3 Millionen von ihnen kamen mit Kreuzfahrtschiffen. Jetzt, in der Hochsaison, gehen an manchen Tagen gleich mehrere dieser Schiffe in der Bucht von Santorini vor Anker. Dann bringen hunderte Reisebusse die Besucher über enge Serpentinen hinauf in die malerischen Orte Thira, Imerovigli, Oia und Akrotiri. Dort drängen sich die Menschen durch die engen Gassen. Rund 800 Mal steuerten Kreuzfahrtschiffe im vergangenen Sommer Santorini an. In diesem Jahr sollen es sogar 815 sein.
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Santorini überlastet: Ortsvorsteher macht Stimmung
Es war ein ungewöhnlicher Appell, den Panos Kavallaris, Ortsvorsteher der Gemeinde Thira, kürzlich über die sozialen Netzwerke verbreitete: „Achtung, Ausnahmezustand! Ein weiterer schwieriger Tag für unseren Ort und unsere Insel: 17.000 Besucher von Kreuzfahrtschiffen werden heute erwartet!“ Der Lokalpolitiker mahnte seine Mitbürger, „vorsichtig“ zu sein und ihre Wohnungen möglichst nicht verlassen.
Lockdown für die Einheimischen, damit die Touristen mehr Platz haben? Der Vorgang zeigt: Die Stimmung ist gereizt auf Santorini. Mit Mykonos, Kreta und Rhodos gehört die Insel zu den Flaggschiffen der griechischen Fremdenverkehrswirtschaft. Aber der Tourismusboom bringt die Infrastruktur der 76 Quadratkilometer großen Insel an ihre Grenzen. Reisebusse, Lieferwagen und Mietautos verstopfen die engen Straßen.
„Unser Wasserverbrauch ist seit 2012 um 140 Prozent gestiegen, der Stromverbrauch hat sich gegenüber 2019 fast verdoppelt“, berichtet Inselbürgermeister Zorzos. Um die Hotelpools zu füllen und den ausländischen Gästen Duschen ohne Ende zu bieten, werden die spärlichen Wasserressourcen geplündert.
Hotelier auf Santorini: Mittelmeer-Insel droht zum „Monstrum zu werden“
Bei vielen der 20.000 ständigen Einwohner der Insel liegen die Nerven blank. Sogar manchen Hoteliers wird es unheimlich. „Unser Lebensstandard hat sich in den letzten Jahren verschlechtert“, sagte Georgios Damigos der Nachrichtenagentur Reuters. Damigos führt ein 14-Zimmer-Hotel, das seine Eltern in den 1980ern eröffneten. „Santorini ist ein Wunder der Natur“, sagt Damigos. Jetzt laufe die Insel Gefahr, sich zu einem „Monstrum“ zu entwickeln.
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Die Geduld der Menschen wird auf eine harte Probe gestellt. Auf der Suche nach Instagram-Motiven und Selfie-Locations dringen viele Touristen sogar in private Gärten ein und trampeln auf die Dachterrassen der Häuser. Bisher setzen die meisten Bewohner auf höfliche Appelle. An vielen Häusern hängen Schilder mit der Aufschrift: „Respekt! Es ist Euer Urlaub, aber unser Zuhause.“
Santorini: Griechische Insel lebt vom Tourismus – und leidet darunter
Es ist das alte Dilemma. Einerseits lebt die Insel vom Tourismus. Andererseits leidet sie darunter. Nach einer Studie des Verbandes der griechischen Tourismusunternehmen (Sete) steuert der Fremdenverkehr direkt und indirekt ein Drittel zum griechischen Bruttoinlandsprodukt bei. Auf vielen Inseln ist der Anteil des Tourismus an der lokalen Wertschöpfung noch viel höher. Aber zugleich zerstört das ungebremste Wachstum die Existenzgrundlage der Einheimischen. Santorini ist inzwischen zu fast 20 Prozent bebaut, dichter als die griechische Hauptstadtprovinz Attika. Bürgermeister Zorzos fordert deshalb von der Zentralregierung in Athen einen sofortigen Baustopp: Die Insel könne „kein einziges zusätzliches Hotelbett, kein weiteres Airbnb-Fremdenzimmer mehr verkraften“, sagt Zorzos.
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Das größte Problem für Santorini bleiben allerdings die Kreuzfahrtschiffe. An manchen Tagen gehen fast 20.000 Kreuzfahrtgäste an Land. Nach einer Studie von Wissenschaftlern der Universität der Ägäis kann die Infrastruktur der Insel pro Tag höchstens 8000 Besucher verkraften.
In Verhandlungen mit den Kreuzfahrtreedereien hofft Bürgermeister Zorzos, die täglichen Besucherzahlen ab 2025 auf dieses Niveau zu begrenzen. Das Thema beschäftigte vergangene Woche auch ein Brainstorming der Regierung in Athen. Dabei wurde unter anderem diskutiert, die Zahl der Kreuzfahrtbesucher mittels höherer Gebühren zu regulieren. Bisher ist der Landgang in Santorini spottbillig: Die Kreuzfahrtreedereien führen pro Passagier gerade mal 35 Cent an die Hafengesellschaft der Insel ab.