Berlin. Vor 5000 Jahren verstarben plötzlich zahlreiche Menschen im Nordwesten Europas. Die Ursache: unklar. Eine Studie geht dem auf den Grund.

Vor rund 5000 Jahren starb die Bevölkerung im Nordwesten Europas nahezu aus. Seit Jahren rätseln Forscherinnen und Forscher, wie es dazu kam. Die Gruppe Menschen siedelte ursprünglich vor etwa 6000 bis 7000 Jahren aus dem östlichen Mittelmeerraum nach Nordeuropa über. Dort begannen sie als Bauern sesshaft zu werden – ein Prozess, den Archäologen als Neolithische Revolution oder Neolithisierung beschreiben. Zahlreiche archäologische Funde zeugen von dieser jungsteinzeitlichen Lebensweise, darunter viele Gräber und – wohl für viele der bekannteste Fund aus der Zeit überhaupt – Stonehenge.

Zwischen 5300 und 4900 Jahren verliert sich die Spur der Bevölkerung in der Region jedoch. Innerhalb weniger Jahrhunderte scheint sie verschwunden zu sein. Eine mögliche Erklärung waren bislang Ernteausfälle aufgrund klimatischer Veränderungen. Andere Forscher vermuteten den Ausbruch einer Krankheit oder Epidemie.

Archäologie: Raffte die Pest die Menschen in der Jungsteinzeit dahin?

Tatsächlich fanden sich in der DNA zweier menschlicher Überreste, jeweils ein Fund aus Lettland und Schweden, Spuren von Yersinia pestis. Ein Bakterium, das eine frühe Form der Lungen- und Beulenpest auslösen kann. Lange war jedoch nicht klar, ob die beiden Funde aus 2019 und 2021 in Zusammenhang stehen. Eine neue Studie, die im Fachjournal „Nature“ veröffentlicht wurde, untersuchte nun erstmals, ob die frühe Form der Pest tatsächlich weitverbreitet war.

Dafür nahmen die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen DNA-Proben der Überreste von 108 prähistorischen Individuen aus neun Gräbern in Schweden und Dänemark. In jeder sechsten Probe fand sich das Pestbakterium. „Diese Pestfälle werden genau auf den Zeitraum datiert, in dem unseres Wissens der Niedergang der Jungsteinzeit stattfand. Das ist ein sehr starker Indizienbeweis dafür, dass die Pest möglicherweise an diesem Bevölkerungszusammenbruch beteiligt war“, sagte Frederik Seersholm, Hauptautor der Studie von der Universität Kopenhagen, gegenüber dem US-Sender CNN.

Pest: Krankheit breitete sich offenbar zunächst langsam aus

Allerdings stellten die Wissenschaftler fest, dass die Krankheit sich nicht rasant ausbreitete. Für diese Annahme spricht, dass sich das Bakterium in den Überresten vier menschlicher Generationen fand. Wäre die Krankheit extrem tödlich gewesen und hätte sich rasant ausgebreitet, hätten sich die Bakterien lediglich in der letzten Generation finden lassen müssen. Seersholm und sein Team vermuten drei Wellen der Krankheit und schlussfolgern aus der Anzahl und Verbreitung der Toten, dass die ersten beiden Pestausbrüche eher klein und lokal begrenzt waren. Der dritte Ausbruch stellte womöglich eine größere Epidemie dar.

Archäologie: Pest nicht einziger Grund für Bevölkerungsschwund

Zudem fanden sich unterschiedliche Varianten des Bakteriums in den Proben. Ein Erklärungsansatz: Weil die Toten offenbar gut vergraben wurden, könnte es sein, dass die DNA-Funde aus einer frühen Phase der Ausbreitung stammen. Naheliegend ist aber auch, dass die frühe Form der Pest weitaus weniger tödlich verlief als eine spätere Variante, die im Mittelalter ausbrach und auch als Schwarzer Tod bekannt ist. Damals wurde in lediglich sieben Jahren die Hälfte der europäischen Bevölkerung dahingerafft.

War die frühe Form der Pest also wirklich alleinig verantwortlich für den rasanten Bevölkerungsschwund? Wohl eher nicht. Aber sie hat höchstwahrscheinlich dazu beigetragen, ebenso wie der allgemein schlechte Gesundheitszustand der Menschen und ihre mangelhaften landwirtschaftlichen Kenntnisse.

fmg