Landkreis Harburg. Landkreis Harburg denkt über Anpassung der Paddelverordnung nach. In Nachbarkreisen gibt es bereits Verbote

Bei Kanu-Verleihern häufen sich Anfragen, ob trotz des aktuellen niedrigen Wasserstands auf den Flüssen der Region weiterhin gepaddelt werden kann. Eine Abendblatt-Nachfrage ergab: Das Paddeln auf den generell fürs Befahren zugelassenen Gewässern ist zumindest im Landkreis Harburg weiterhin möglich. Doch die Behörden behalten die Situation im Auge. Andernorts gibt es bereits strenge Regulierungen

.„Manchmal war es kritisch, aber es ging insgesamt noch ganz gut“, lautet das Fazit von Familie Frühling aus Hollenstedt. Sie ist gerade im Leihkanu die Este hinuntergepaddelt – von ihrem Heimatort aus bis nach Moisburg. Auch den vier Freizeitpaddlern ist aufgefallen, dass sich zurzeit sehr wenig Wasser im Fluss befindet, an manchen Stellen scheinen es nur noch einige Zentimeter zu sein. Wasserpflanzen und Sandbänke schauen heraus. Die Hitzewelle mit nur wenigen Niederschlägen hat nicht nur an der Este für geringe Pegelstände gesorgt. Auch Seeve, Luhe und Ilmenau sowie Flüsse in den Nachbar-Landkreisen sind davon betroffen.

Bei niedrigen Wasserständen können Paddel oder Boote selbst den Grund berühren

„Einige Kunden sind auch aufgrund der Medienberichte über fast ausgetrocknete Flüsse verunsichert und fragen sich, ob das Paddeln noch erlaubt ist“, sagt Matthias Schrenk vom Verleiher Heide-Kanu in Oldendorf an der Luhe. „Da können wir aber beruhigen: Es ist möglich.“ Touren zum Beispiel auf der Seeve seien zwar aus Gründen des Naturschutzes in den vergangenen Jahren für Kanufahrer ohnehin mehr und mehr eingeschränkt worden. Doch viele Strecken seien weiterhin frei, und Kajaks könnten die Seeve auch noch auf weiteren Abschnitten befahren, so Schrenk.

Karl-Michael Staubel und  Reinhard Temp sind gern im wendigen Wildwasserkajak auf der Este unterwegs. Sabine Lepél/HA
Karl-Michael Staubel und Reinhard Temp sind gern im wendigen Wildwasserkajak auf der Este unterwegs. Sabine Lepél/HA © HA | Sabine Lepél

Ein Grund: Kajakfahrer stechen mit dem Paddel nicht so tief ein wie Paddler, die im Kanu unterwegs sind. Das schont besonders bei geringer Wassertiefe das Flussbett und somit Flora und Fauna. Denn bei zu niedrigen Wasserstände können die Paddel oder die Boote selbst den Grund berühren und beispielsweise Wasserpflanzen sowie Laichgebiete und Kinderstuben von Fischen stark beeinträchtigen.

Im Landkreis Harburg gibt es keine wasserstandsabhängigen Regulierungen für Paddler. Was es aber gibt, ist eine Paddelverordnung, in der grundsätzliche Regeln zum Schutz der Natur festgelegt sind. „In anderen Landkreisen darf man nur ab bestimmten Mindestpegelständen fahren“, sagt Karl-Michael Staubel. Gemeinsam mit seinem Freund Reinhard Temp aus Blankenese ist der Altländer gern im wendigen Wildwasserkajak auf den Gewässern im Hamburger Süden unterwegs – diesmal auf der Este. Auch sie registrieren bei ihren Touren die teilweise rekordverdächtig geringen Pegelstände. „Das ist in diesem Jahr schon ein Problem für Paddler“, sagt Temp. „Besonders für die tiefer stechenden Kanufahrer.“

Am Bendestorfer Wehr mit seinen Stromschnellen ist immer Vorsicht geboten

Am Bendestorfer Wehr mit seinen Stromschnellen ist eigentlich immer Vorsicht geboten, doch im Moment ist das Befahren des Wehrs für Freizeitpaddler besonders gefährlich: Dort gucken aufgrund des Niedrigwassers Steine heraus, die sonst viel weiter unter der Wasseroberfläche liegen. „Wir bitten unsere Kunden deshalb, das Kanu um das Wehr herumzutragen“, sagt Bootsverleiher Matthias Schrenk. Auch Sven Hansen von der Bootsvermietung Kanu-Fertig-Los in Handeloh handhabt es so: „Die Gefahr zu kentern ist an dieser Stelle allgemein hoch, aber wegen des geringen Wasserstands noch akuter als normalerweise“, sagt er. Ein Umfahren des Wehres sei dort aktuell nicht möglich. „Und den Booten tut es auch nicht gut, wenn sie über die Steine geruckelt werden“, so Hansen.

Claudia Aldag und Kai Rauten halten sich an die Bitte der Kanu-Verleiher und tragen ihr Kanu um das Bendestorfer Wehr herum. „Das machen wir sonst aber auch“, sagt Kai Rauten. „Die Strömung hier hat es bei jedem Wasserstand in sich.“ Das Einsetzen in die Seeve fällt dem Paar nicht ganz leicht. Sie müssen das Kanu weit in den Fluss hineintragen, um wieder ausreichend Wasser unterm Kiel zu haben und ihre Tour bis zur Holmer Mühle fortsetzen zu können.„Alle Flüsse leiden zurzeit unter Trockenheit. Aber der Grad ist doch immer noch sehr unterschiedlich“, sagt Bootsverleiher Hansen. Er bietet Touren vor allem auf Seeve, Este, Luhe und auf der Wümme im Landkreis Rotenburg an.

Auf der Wümme darf nicht mehr gepaddelt werden

„Dort darf aber wegen des niedrigen Wasserstands im Moment nicht gepaddelt werden“, sagt Hansen. Für sinnvoll hält er diese Regelung des Landkreises Rotenburg/Wümme nicht: „Es kommt ganz darauf an, wo der Pegelstand gemessen wird. Von Scheeßel nach Lauenburg darf zum Beispiel nicht gepaddelt werden, obwohl der Oberlauf genügend Wasser hat.“ Dort werde der Pegelstand allerdings gar nicht gemessen.

Kajakfahrer stechen die Paddel nicht so tief ins Wasser wie Wassersportler im Kanu. Sabine Lepél/HA
Kajakfahrer stechen die Paddel nicht so tief ins Wasser wie Wassersportler im Kanu. Sabine Lepél/HA © HA | Sabine Lepél

Im Landkreis Rotenburg sei aufgrund der aktuellen Trockenheit das Befahren der Wümme auf gesamter Länge verboten, bestätigt Stephan Behrens von der Stabsstelle Kreisentwicklung dem Abendblatt auf Nachfrage. Die Oste kann noch ab der Ein- und Ausstiegsstelle Ober Ochtenhausen befahren werden. „Die Kontrolle erfolgt durch Bedienstete der Kreisverwaltung stichprobenartig an den zugelassenen Ein- und Ausstiegsstellen. Verstöße werden im Rahmen von Ordnungswidrigkeiten mittels Verwarn- oder Bußgeldern geahndet“, so Behrens.

Im Landkreis Rotenburg regelt ebenso wie im Landkreis Harburg eine entsprechende Verordnung das Befahren der Fließgewässer mit Vorgaben zu Bootsgrößen, den zulässigen Ein- und Ausstiegsstellen sowie generellen Verhaltensregeln. „Oste und Wümme sind für Freizeitpaddler normalerweise freigegeben“, so Stephan Behrens – wenn die Wasserstände stimmen. Die notwendigen Wasserstände seien an den amtlichen Pegeln Rockstedt und Hellwege abzulesen und etwa über die App „Pegel Online“ einsehbar, erläutert Behrens: „Nebengewässer und andere Fließgewässer im Landkreis Rotenburg dürfen nur von Kanuten befahren werden, die in Vereinen registriert sind oder über Schulungen zum ökologischen Wasserwandern verfügen.“

Im Landkreis Stade gibt es örtliche und jahreszeitlich bedingte Einschränkungen

Im Landkreis Stade gibt es ebenfalls örtliche und jahreszeitlich bedingte Einschränkungen für Paddler, wie Landkreissprecher Daniel Beneke dem Abendblatt bestätigt: „Akute Einschränkungen wegen der Wasserstände gibt es aber nicht“, so Beneke.

Auch die Verwaltung des Landkreis Harburg beschäftigt sich derzeit mit den niedrigen Pegelständen der Flüsse, die durch den Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) überwacht werden. So wurde bereits die Wasserentnahme aus Flüssen und Bächen mit Pumpen wegen des niedrigen Wasserstands aus ökologischen Gründen grundsätzlich verboten. Das Paddeln ist in der Paddelverordnung des Landkreises aus dem Jahr 2002 geregelt – allerdings ohne Minimalpegel, wie etwa im Kreis Rotenburg.

Niedrigwasser: Der kleine Jack Russell-Terrier bekommt in der Este immerhin noch nasse Pfoten.
Niedrigwasser: Der kleine Jack Russell-Terrier bekommt in der Este immerhin noch nasse Pfoten. © HA | Sabine Lepél

„Wir haben diese Regelung nicht“, bestätigt Landkreis-Sprecher Bernhard Frosdorfer. „Unter anderem deshalb, weil es durchaus komplex ist, je nach Beschaffenheit des jeweiligen Flussabschnitts auf Basis vorhandener Abflussmengen geeignete Minimalwasserstände zum Schutz der Wasserlebensräume zu definieren.“ Dabei spielten zum Beispiel Breite und Tiefe des Flusses eine Rolle sowie die Frage, ob es sich um ein Sand- oder Kiesbett handelt oder die örtlichen Tiervorkommen.

Angesichts der zunehmenden Niedrigstände gibt es beim Landkreis allerdings Überlegungen, ob die Paddelverordnung von 2002 überarbeitet werden müsste: „Natürlich gab es auch vor 20 Jahren schon Extremsommer, aber die Häufigkeit und die Intensität nehmen ganz offensichtlich zu und damit auch die Niedrigwasserlagen auf unseren Flüssen“, so Frosdorfer. „Vor diesem Hintergrund prüfen wir aktuell, an welchen Stellen wir unsere Verordnung sinnvoll anpassen könnten.“

Runder Tisch zum „Naturverträglichen Kanuwandern“

Dabei seien dem Landkreis die Bedürfnisse des Kanusports und der gewerblichen Kanuverleiher sehr wohl bewusst: „Wir wollen diese bestmöglich berücksichtigen. Aber wo die Natur durch Niedrigwasserstände nachhaltig beeinträchtigt wird, müssen wir reagieren und den veränderten Umständen angepasste Lösungen finden“, so der Landkreissprecher. Aktuell schütze die Paddelverordnung die in Fließgewässern lebenden Tiere und Pflanzen durch das Verbot, die Oberläufe und Nebenflüsse von Este, Seeve, Ilmenau und Luhe zu befahren.

„Das deckt auch mögliche Beeinträchtigungen bei normalen Niedrigwasserständen ab. Für besonders niedrige Wasserstände denken wir aber derzeit darüber nach, die Regelungen der Paddelverordnung anzupassen.“ Bei diesen Überlegungen würden auch die örtlichen Kanu-Verleiher mit ins Boot geholt, so Frosdorfer: „Beispielsweise im Rahmen des Runden Tisches ,Naturverträgliches Kanuwandern’ an der Luhe.“