Moisburg. Tanztempel der 70er- bis 90er-Jahre wird bald abgerissen – „Good-Bye-Party“ auf dem Festplatz vor der Diskothek – Neues Wohngebiet entsteht.

Es ist stockfinster und es riecht muffig. Thomas Soll geht mit einer Taschenlampe voran. Der Geschäftsführer der HS Immobilien GmbH & Co. KG kennt sich im ehemaligen MicMac aus: Auch zu seiner Jugend gehörte der regelmäßige Besuch in der Diskothek, in der Generationen von jungen Menschen Party gemacht haben. Demnächst wird das heruntergekommene Gebäude abgerissen. Denn der Geschäftsführer der Immobiliengesellschaft aus Buxtehude hat es nicht aus Sentimentalität gekauft. HS Immobilien wird an dem Standort das neue Wohngebiet Alter Festplatz realisieren.

Einst eine der größten Land-Diskotheken Deutschlands

Der Abriss markiert das endgültige Ende der Ära des Feiertempels, der von den 1970er- bis zu den 1990er Jahren als eine der größten Land-Diskotheken Deutschlands Anziehungspunkt für Nachtschwärmer und Musikliebhaber war. Diese Zeit hat Dieter Schulz hautnah miterlebt. Der heute 66-Jährige war von 1984 bis 1989 und von 1994 bis 2000 Geschäftsführer im MicMac und ist bei der exklusiven Besichtigungstour für das Hamburger Abendblatt ebenso dabei wie Moisburgs Bürgermeister Ronald Doll.

„Das war eine tolle Zeit“, sagt Schulz, während sich die Truppe im Dunkeln vorsichtig auf den Weg zur ehemaligen Tanzfläche macht – vorbei an Garderobe und Cocktailbar. Soll öffnet einen Hintereingang, endlich strömt etwas Sonnenlicht in den ehemaligen Partyschuppen, dem nicht mehr anzusehen ist, dass er glanzvolle Zeiten erlebt hat. Heute sind die Räumlichkeiten vollgestellt mit Kisten, Schutt, Müll und Krempel. Zuletzt diente das Gebäude nur noch als Lagerstätte.

Stars wie Udo Lindenberg, Peter Maffay, Bonnie Tyler oder Jennifer Rush traten auf

Schulz erkennt trotzdem alles wieder, weiß genau, was schon immer da war und was nach seiner Zeit hinzugefügt oder umgestaltet wurde. Die Bühne, auf der bekannte Stars wie Udo Lindenberg, Peter Maffay, Bonnie Tyler, Cindy und Bert, Marianne Rosenberg oder Jennifer Rush standen, wurde mehrfach verlegt. „Hier stand ein meterlanger Tresen“, sagt Schulz. „Und hier ging es hoch zur Sektbar.“

750 Männer und Frauen der Ü40-Generation jubelten Marianne Rosenberg bei ihrem Auftritt 2008 begeistert zu.
750 Männer und Frauen der Ü40-Generation jubelten Marianne Rosenberg bei ihrem Auftritt 2008 begeistert zu. © Unbekannt | Thomas Sulzy / Archiv

Der ehemalige Geschäftsführer war verantwortlich für viele Motto-Partys, mit denen das MicMac überregional bekannt wurde. Besonders beliebt waren die Beachpartys, für die Strandkörbe und sogar ein kleiner Pool in die Diskothek verfrachtet wurden – und rund 35 Tonnen feiner Sand. „Alles mit der Hand“, sagt Schulz. Bei Veranstaltungen leitete er rund 60 Mitarbeiter an, zeitweise betreute er zudem noch zwei weitere Diskotheken des damaligen Inhabers in Schleswig-Holstein.

2006 musste der Tanztempel zum ersten Mal schließen

Generationen von Partygängern hatten ihren Spaß beim Schwof im MicMac. Doch mit den Jahren verblich der Glanz des Tanztempels, der nach verschiedenen Betreiberwechseln 2006 zum ersten Mal schließen musste. Das Gebäude fiel in einen Dornröschenschlaf. Erst Ende 2010 übernahm ein Geschäftsmann aus Moisburg die Immobilie als Pächter vom Schützenverein Moisburg. Der Verein hatte das MicMac einst gebaut, dort seinen Schießstand betrieben und auf dem Festplatz sein Schützenfest veranstaltet.

Der neue Betreiber wollte der Diskothek neues Leben einhauchen, doch bald wurde es wieder stiller im MicMac, das nur noch sehr sporadisch geöffnet wurde. Großraumdiskotheken waren einfach nicht mehr angesagt. Zudem gab es immer wieder Ärger mit Anwohnern, die sich über nächtliche Lärmbelästigungen beklagten und vor Gericht zogen.

2015 schloss das MicMac für immer seine Pforten

2015 hatte es sich dann endgültig ausgetanzt, das MicMac schloss für immer seine Pforten. Das Gebäude und ein Teil des Geländes gingen an einen inzwischen verstorbenen Kaufmann aus der Samtgemeinde Hollenstedt, der dort eigentlich einen Verbrauchermarkt bauen lassen wollte, nachdem der Schützenverein 2016 in ein neues Vereinsheim an der Immenbecker Straße umgezogen war. Doch auch diese Pläne ließen sich nicht realisieren.

Der Eingangsbereich mit dem Zugang zu den Toiletten dürfte noch vielen ehemaligen Disco-Gängern bekannt vorkommen.
Der Eingangsbereich mit dem Zugang zu den Toiletten dürfte noch vielen ehemaligen Disco-Gängern bekannt vorkommen. © HA | Sabine Lepél

Längst bietet das Gelände keinen schönen Anblick mehr. Die alten Gebäude der ehemaligen Diskothek und des Schützenvereins rotten auf dem dunklen Schotterplatz vor sich hin. „Ich bin deshalb froh, dass sich hier etwas tut“, sagt Moisburgs Bürgermeister Ronald Doll. Die Gemeinde hat den Weg frei gemacht für ein knapp 28.000 Quadratmeter großes Neubaugebiet. Doch davor steht der Abriss – und der Bürgermeister und auch Investor Soll wissen, dass dieser für viele ein emotionales Thema ist. Deshalb gibt es eine Abschiedsparty auf dem ehemaligen Festplatz, bei der das Innere des ehemaligen MicMacs aus Sicherheitsgründen aber nicht besichtigt werden kann. „Wir organisieren die Good-Bye-Party, weil wir ein großes Interesse spüren, die alten Zeiten noch einmal aufleben zu lassen“, sagt Soll. „Schließlich geht eine Ära zu Ende.“

Tickets für Abschiedssause am Freitag, 16. September, im Internet

Für die Abschiedssause am Freitag, 16. September, gibt es ab sofort Eintrittskarten im Internet. Insgesamt stehen 800 Tickets zur Verfügung, die schnell ausverkauft sein dürften. Karten für die Veranstaltung sind über www.grandticket.de zu beziehen und kosten 6,50 Euro. Einlass ist von 18.30 Uhr an, um 19 Uhr wird die „Good-Bye-Party“ durch Bürgermeister Doll und Investor Soll eröffnet, anschließend entfernt ein Bagger das vergilbte große MicMac-Schild vom Dach der ehemaligen Disco.

Symbolischer Start für den Abriss: Das vergilbte Schild auf dem Dach des ehemaligen MicMac wird bei der „Good-Bye-Party“ entfernt.
Symbolischer Start für den Abriss: Das vergilbte Schild auf dem Dach des ehemaligen MicMac wird bei der „Good-Bye-Party“ entfernt. © HA | Sabine Lepél

Der frühere MicMac-DJ Oliver Conte sorgt für Musik im großen Festzelt. Es gibt Getränke- und Imbissstände. Mit dabei sind ehemalige Sicherheitskräfte in den legendären MicMac-Shirts und auch der langjährige Geschäftsführer Dieter Schulz. HS Immobilien spendiert 500 Liter Freibier und informiert über das neue Wohngebiet.

„Wir werden einen Teil des Areals selbst bebauen und einen Teil in die Vermarktung geben“, sagt Soll. „Interessenten können sich für die Grundstücke bewerben.“ Wie viele Grundstücke für Häuslebauer zur Verfügung stehen werden, steht laut Soll allerdings noch nicht fest, der Quadratmeterpreis ebenfalls nicht. Zunächst muss das rund 2000 Quadratmeter große Gebäude abgerissen werden, die Entsorgung dürfte Zeit und viel Geld kosten. „Der Baustart ist für Anfang 2023 geplant“, ist Soll dennoch zuversichtlich. Im vorderen Teil des Geländes sind vier Mehrfamilienhäuser mit jeweils sechs Wohnungen geplant. „Die benötigen wir dringend“, sagt Doll.

Baustart unter anderem für altersgerechtes Wohnungen Anfang 2023

Ältere Einwohner, die ihre großen Häuser im Ort aufgeben möchten, müssten aus Mangel an geeignetem Wohnraum wegziehen, so der Bürgermeister. Deshalb soll es auch altersgerechtes Wohnungen geben. Parken sollen die Mehrfamilienhaus-Bewohner in einer Tiefgarage. „Unser Ziel ist eine nachhaltige Energieversorgung und möglichst wenig Autos auf dem Gelände“, so Projektentwickler Soll. Neben den Mehrfamilienhäusern, die zur Hollenstedter Straße hin durch eine bestehende Baumreihe von der Landesstraße abgeschirmt werden, ist nahe der Einfahrt noch ein Gebäude für eine Mischnutzung aus Wohnen und Gewerbe vorgesehen.

Die großen Lampen aus der MicMac-Zeit, die die Einfahrt immer noch markieren, sollen erhalten bleiben, sagt Soll: „Wir werden sie restaurieren.“ Die Zufahrt zum neuen Wohngebiet soll über die alte Einfahrt von der Landesstraße aus erfolgen. Richtung Süden nimmt die bauliche Dichte laut Planung ab, dort sollen Einfamilienhäuser entstehen. Das angrenzende kleine Wäldchen hinterm MicMac soll erhalten werden.

Neues Baugebiet soll möglichst umweltfreundlich und ökologisch sein

In der Mitte des alten Festplatzes und am östlichen Rand sind Doppelhäuser vorgesehen, am südwestlichen Rand in Richtung Hollenstedt drei Reihen kleinerer Häuser mit rund 75 Quadratmetern. Die Energieversorgung soll ohne fossile Brennstoffe auskommen. „Insgesamt soll das neue Baugebiet möglichst umweltfreundlich und ökologisch werden“, sagt Thomas Soll. Teiche und Mulden werden dafür sorgen, dass das Regenwasser überwiegend auf dem Gelände versickert.

„Das Interesse und die Nachfrage sind schon jetzt riesig“, sagt Moisburgs Bürgermeister Ronald Doll. Das Dorf an der Este ist trotz eher mangelhafter Infrastruktur ein beliebter Wohnort.