Jesteburg. Die Landschlachterei Cordes geht mit der Zeit und bietet neue Wege des Vertriebs an. Ein Modell, das als Vorbild taugen könnte.
Es sind herausfordernde Zeiten für den kleinen Metzger und die Bäckerei um die Ecke. Seit einigen Jahren machen Discounter-Angebote den Kleinunternehmen zu schaffen, und nun schlagen Faktoren wie Fachkräftemangel, gestiegene Einkaufspreise und Energiekosten voll auf die meistens inhabergeführten Geschäfte durch. Zuletzt musste auch das Hamburger Abendblatt zunehmend häufig über Schließungen von Traditionsbetrieben in Harburg Stadt und Land berichten. Die Landschlachterei Cordes aus Jesteburg versucht dem Trend entgegenzusteuern und setzt seit einiger Zeit auf eine Vorbestell-App.
Seit 1933 stellt Familie Cordes Wurst und Fleischwaren im Landkreis Harburg her
Seit 1933 stellt die Familie Cordes Wurst und Fleischwaren im Landkreis Harburg her. Sie verkauft die Wurstwaren in einer eigenen Filiale mit Produktion sowie auf Wochenmärkten in der Region. Zunächst in Oelstorf bei Salzhausen gegründet, zog der Familienbetrieb 2001 nach Jesteburg in größere Räumlichkeiten. Seit rund einem Jahr gibt es auf dem Parkplatz der Landschlachterei eine Abholstation mit 24 gekühlten Schließfächern.
„Das Einkaufsverhalten unserer Kunden hat sich in den vergangenen Jahren geändert“, erklärt Raphael Cordes, der gemeinsam mit seinem Bruder Olaf Cordes den Betrieb in der dritten Generation führt. „Es gibt zwar immer noch Kunden, die gern zu uns in den Laden kommen, aber die Zahl der Kunden die keine Zeit zum Schlangestehen haben oder die nicht zu unseren Öffnungszeiten kommen können, nimmt stetig zu“, berichtet Raphael Cordes weiter.
Das Ziel: Attraktives Angebot für Kundengruppen mit weniger Zeit
Daher habe man sich entschlossen, auch diesen Kundengruppen ein attraktives Angebot zu unterbreiten. „Wir begreifen die Abholstation als zusätzliche Fast Lane und bieten gleichzeitig die Möglichkeit, auch außerhalb der Ladenöffnungszeiten unsere beliebten Produkte zu erwerben“, erklärt Raphael Cordes. Der Schlüssel zum Fleisch ist dabei die App der Landschlachterei.
Mit einer Stunde Vorlaufzeit können die Kundinnen und Kunden aus dem reichhaltigen und regionalen Sortiment der Landschlachterei Cordes Aufschnitte, Grillfleisch und fertige Gerichte wunschgenau ordern.
Abholstation für Fleisch und Wurst vergleichbar mit einer DHL-Packstation
Die Mitarbeiter packen alles zusammen. Danach kann man sein Fleisch entweder im Laden, auf dem Wochenmarkt oder in einer 24 Stunden und sieben Tage pro Woche geöffneten Station abholen. Wählt der Kunde die letztgenannte Option, wird die Ware in eine Abholstation ähnlich einer DHL-Packstation gelegt. Der Fleischliebhaber erhält eine sechsstellige Pin zur Abholung, danach muss er nur noch vorfahren, mit Karte bezahlen und das Fleischpaket aus dem geöffneten Fach entnehmen. „Ich habe ähnliche Lösungen vor Jahren bereits in Frankreich gesehen, aber da waren die technischen Möglichkeiten noch nicht so ausgereift“, erklärt Raphael Cordes im Gespräch, „mit der App und einem automatisch generierten Lieferschein, erleichtert das auch uns die Arbeit und spart Ressourcen.“
Daher habe man sich vor rund einem Jahr für die Abholstation entschieden. Nach dem Ausmerzen einiger Kinderkrankheiten würde man sie nun aktiv als Kundenvorteil vermarkten. Das Investment hingegen scheint sich im Rahmen zu halten, auf der Herstellerwebsite wird eine Whitelabel-Lösung für einen Mietpreis von rund 100 Euro monatlich angepriesen.
180 registrierte App-Nutzer registriert, etwa 50 sind Online-Stammkunden
In Jesteburg macht sich die Abholstation bereits bezahlt. „Wir konnten neue Kunden generieren und alte Kunden noch zufriedener machen“, so Cordes. Im ersten Jahr hätten sich bereits 180 App-Nutzer registriert, etwa 50 von ihnen seien bereits echte Online-Stammkunden. Die App ist sowohl auf Android als auch auf Apple-Smartphones downloadbar. Google- und Apple-Pay wird von dem Automaten als zusätzliche Zahlungsmöglichkeit akzeptiert, neben vielen Geldkarten.
Dass die Fleischer-Brüder ein Händchen fürs Geschäft haben, zeigten sie bereits mehrfach. Der mobile Verkauf gehört seit Jahren als fester Bestandteil zur Unternehmensphilosophie. Seit vielen Jahren gehören sie zu festen Größen auf den Wochenmärkten in Lüneburg, Maschen, Salzhausen und Pattensen. Außerdem sei man seit vielen Jahren im Catering unterwegs und biete sogar Grillseminare in Jesteburg an.
Kooperation mit Bauernverband erlaubt auch Spezialitäten von alten Rassen
Und auch beim Fleisch setzt man bei Cordes auf hohe Qualität, gute Haltungsbedingungen und eine antibiotikafreie Fütterung der Tiere. „Wir haben dafür extra eine Kooperation mit einem Bauernverband abgeschlossen. Diese erlaubt uns auch Spezialitäten von alten Rassen beispielsweise dem bunten Bentheimer anzubieten“, präsentiert Raphael Cordes stolz eine schmackhafte Mettwurst aus eigener Herstellung.
Man lebe eben von Familienrezepten, die teilweise schon fast 100 Jahre alt sind. Dennoch wolle man sich nicht ausruhen, könne man auch gar nicht. „Wir spielen schon mit dem Gedanken, weitere Abholstationen im Landkreis aufzustellen“, so Cordes. „Aktuell seien es Gedankenspiele, aber wir glauben daran, dass wir unser Unternehmen für die Zukunft rüsten müssen.“
Abholstationen als Alternative für Orte, die keine Metzger mehr haben
Lediglich einen überdachten Platz, Strom und Internet bräuchte eine weitere Stationsstellfläche. Es sei daher vorstellbar, feste Stationen überall dort aufzubauen, wo die Landschlachterei Cordes bereits bekannt sei oder es schlicht keinen Schlachter mehr gibt, wie etwa in Hittfeld. „Durch den verhältnismäßig geringen Personalaufwand und die gekühlten Schließfächer könnten diese App-gesteuerten Anlagen die Metzgerei der Zukunft sein“, erklärt Cordes, der bundesweit mit weiteren Nutzern im Austausch steht.