Stade. Erster offizieller Rammschlag steht an – Arbeiten am Leuchtturmprojekt zur deutschen Energieversorgung kommen voran.
Am 20. Januar blickt ganz Deutschland auf Stade, denn dann wird Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies und andere hochkarätige Vertreter aus Wirtschaft und Politik beim ersten offiziellen Rammschlag für das Gas-Terminal in Stade anwesend sein. Der Anleger, über den verflüssigtes Erdgas importiert werden soll, entsteht im Seehafen Stade. Bundeskanzler Olaf Scholz bezeichnete das Stader LNG-Terminal in seiner Neujahrsansprache als „Meilenstein für die bundesdeutsche Energieversorgung“.
„Damit machen wir unser Land und Europa dauerhaft unabhängig von russischem Gas“, hatte der Kanzler in seiner Neujahrsansprache mit Bezug auf die LNG-Terminal-Standorte in Wilhelmshaven, Lubmin, Brunsbüttel und Stade gesagt. Während das schwimmende LNG-Terminal in Wilhemshaven bereits Ende des vergangenen Jahres an den Start gegangen ist, sollen auch die anderen drei Standorte in den kommenden Wochen und Monaten in Betrieb gehen, kündigte Scholz an. In Stade erfolgt am 20. Januar nun der erste offizielle Rammschlag für das schwimmende Flüssiggasterminal, das zum Ende des Jahres einsatzbereit sein soll.
LNG-Terminal: Entlang des Elbstrandes laufen die Vorbereitungen
Wie berichtet, hatten Anfang Oktober des vergangenen Jahres die vorbereitenden Arbeiten für das LNG-Terminal im Stader Seehafen nach einem ungewöhnlich kurzfristigen Genehmigungsverfahren begonnen – inzwischen sind sie in vollem Gange. An der Stader Elbstraße in Stadersand werden mit Baggern und Räumfahrzeugen die Zufahrten hergestellt und dabei große Mengen an Erde bewegt. Aber auch entlang des Strandabschnittes an der Elbe in Höhe des Dow-Werkes laufen die Vorbereitungen in beeindruckendem Tempo. Mit mehreren Kränen und Baggern sind die Arbeiter dort am Werk, die Lage von Straßen und Hafenanlagen lässt sich bereits erahnen. Zeitweise musste der Deich durchbrochen werden, um mit schwerem Gerät an die Uferkante zu gelangen. Inzwischen ist die Deichlücke aber wieder geschlossen.
In der Elbe sind Spezialschiffe im Einsatz. Dort, wo demnächst die Kaimauer für das neue Hafenbecken verlaufen wird, in dem das schwimmende Flüssiggas-Terminal festmacht, ist ein Baggerschiff unterwegs. Außerdem kommt seit Tagen ein Mehrzweckschlepper zum Einsatz. Und auch die 40 Meter lange und zehn Meter breite schwimmende Arbeitsplattform „Asgard“ ist wieder vor Ort, die bereits im Herbst bei vorbereitenden Arbeiten in Stadersand eingesetzt worden war. Von der Plattform aus wurden Bohrungen getätigt, um den Untergrund im künftigen Hafenbecken zu untersuchen. Jetzt sind zeitweise sogar Taucher im Einsatz.
Im Moment wird Schlick abgetragen und auf eine Lagerfläche verbracht
„Im Moment wird Schlick abgetragen und auf eine Lagerfläche verbracht“, erklärt Dörte Schmitz, Leiterin Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit bei der landeseigenen Hafengesellschaft Niedersachsen Port (NPorts), den Fortgang der Bauarbeiten in Stade. „Außerdem erfolgen Nassbaggerarbeiten, damit Rohre und Spundwände in den Boden gerammt werden können.“ Auch werde derzeit die nötige Tiefe für das Hafenbecken ausgebaggert.
Zum ersten Rammschlag am 20. Januar werden unter anderem der Niedersächsische Wirtschaftsminister Olaf Lies und Niedersachsens Umweltminister Christian Meyer erwartet. Einen Medienrummel wie in Wilhelmshaven, wo Bundeskanzler Scholz das fertige Terminal im Dezember höchstpersönlich besichtigt hatte und auch das erste gelieferte LNG von einem Terminalschiff bundesweite Aufmerksamkeit fand, erwartet Schmitz für Stade nicht. „Wilhelmshaven hatte als erster LNG-Hafen eine besondere Prominenz“, sagt Schmitz. Und auch in Brunsbüttel und Lubmin gingen die Projekte voran. „Aber wenn man als Zweiter ins Ziel geht, hat das nicht mehr so viel Glanz“, so Schmitz. „Obwohl das Projekt in Stade deutlich größer und umfangreicher ist.“ Auch der Hafen in Wilhelmshaven gehört zur Niedersachsen Port.
Zentrale Rolle für die Energieversorgung in Deutschland
Stades Landrat Kai Seefried freut sich über die schnellen Fortschritte beim Leuchtturmprojekt im Landkreis: „Ich blicke mit großer Begeisterung auf die Entwicklung in Stadersand“, so der Landrat zum Abendblatt. „Mit dem LNG-Terminal nimmt Stade eine zentrale Rolle für die Energieversorgung in Deutschland ein“, sagt Seefried. Er hatte sich in den vergangenen Jahren, auch bereits in seiner Funktion als CDU-Landtagsabgeordneter, vehement für ein solches Terminal und die Aufwertung des Stader Seehafens starkgemacht. Wenn am 20. Januar der erste offizielle Rammschlag vollzogen und damit der symbolische Startschuss für den Bau des Terminals abgegeben wird, „schaut die Republik auf Stade“, sagt Seefried.
Beeindruckend sei, mit welcher Geschwindigkeit das Projekt jetzt umgesetzt wird, hebt der Chef der Kreisverwaltung anerkennend hervor. Das mache Mut, weil es zeige, wie effizient und zielorientiert an der Sicherstellung der Energieversorgung gearbeitet werde. „Dieses Tempo sollte beispielhaft auch für die Realisierung von anderen wichtigen Infrastrukturprojekten sein“, sagt Seefried.
Voraussichtlich Ende 2023 soll das erste LNG in Stade ankommen
Ebenso wichtig sei, dass nun auch mit dem gleichen hohen Tempo an der Errichtung und Anbindung des Terminals an Land gearbeitet werde. Dafür biete der Stader Seehafen beste Voraussetzungen, sagt Seefried. Die FSRU, also das schwimmende Terminal, dürfe nur eine Übergangslösung sein.
Voraussichtlich Ende 2023 soll das erste LNG in Stade angelandet und über ein Spezialschiff als schwimmende Einheit eingespeist werden. Der Bund stationiert dort eines von fünf gecharterten sogenannten FSRUs (Floating Storage and Regasification Units). Das Terminal in Stade soll von der Hanseatic Energy Hub GmbH betrieben werden.
Bereits seit 2018 laufen konkrete Planungen für ein Gas-Terminal in Stade. Eigentlich erst für 2026 vorgesehen, schafft der vorgezogene Bau des sogenannten Hanseatic Energy Hub – einem Energiehafen zwischen Stadersand und dem Industriehafen – nun die Voraussetzung dafür, dass bereits ab Ende 2023 in Stade über das vom Bund gecharterten schwimmenden Terminal Gas ins deutsche Netz eingespeist werden kann. „Die Idee, hier so etwas zu realisieren, ist bald zehn Jahre alt. Das hatte den Vorteil, dass es in Stade bereits sehr ausgereifte Konzepte gab, auf die zurückgegriffen werden konnte“, so Seefried.
LNG (liquified natural gas) kommt flüssig und tiefgekühlt in Stade an
Das Projekt umfasst den Bau eines neuen Hafens zur Anlandung des LNG, die Erweiterung des bestehenden Hafenbeckens zum Betanken von Schiffen mit LNG sowie den Bau zweier 60 Meter hoher und 90 Meter breiter Speichertanks und einer Verdampfungsanlage. Kostenpunkt: rund eine Milliarde Euro.
Das LNG (liquified natural gas) kommt flüssig und tiefgekühlt in Stade an und wird dort erwärmt und somit regasifiziert. Es ist geplant, für die Regasifizierung die industrielle Abwärme des benachbarten amerikanischen Chemiekonzerns Dow zu nutzen. Dazu soll das erhitzte Kühlwasser aus dem Chemiepark in das Terminal umgeleitet werden. Ab 2026 soll der Hafen dann als Anlandepunkt für den Hanseatic Energy Hub dienen. Vom Energiehafen in Stade-Bützfleth aus sollen jährlich 13,3 Millionen Kubikmeter Gas zur Energieversorgung in Deutschland bereitgestellt werden – also etwa 14 Prozent des jährlichen Bedarfs.