Neu Wulmstorf. Ehemalige Gebäude der Pleite-Fleischfabrik in Neu Wulmstorf werden für eine über 20.000 Quadratmeter große Halle abgerissen
Vertreter des Industrieimmobilienkonzerns Segro, der das ehemalige Betriebsgrundstück des bankrottgegangenen Fleischfabrikanten Schwarz Cranz im Neu Wulmstorfer Gewerbegebiet gekauft hat, haben im Bauausschuss der Gemeinde ihre Pläne für die knapp vier Hektar große Fläche an der Justus-von-Liebig-Straße vorgestellt. Bei den Ausschuss-Mitgliedern warf ihre Präsentation einige Fragen auf.
So ist zum Beispiel nicht klar, wer nach der Fertigstellung in die geplante 21.700 Quadratmeter große Halle ziehen wird. Es könnte ein Hauptmieter sein oder auch mehrere Mieter, teilte Segro-Manager Julian Kux mit. Segro baut spekulativ, das heißt, zunächst wird die Immobilie gebaut und dann nach je nach Nachfrage am Markt vermietet. Das Risiko für den Immobilienkonzern ist dabei überschaubar, da die Flächennachfrage das Angebot insbesondere im Hamburger Raum regelmäßig übersteigt. „Die Aufteilung der Halle ist flexibel und kann verschiedenen Nutzungen angepasst werden“, erläuterte Kux. Angesichts der Marktlage sei es aber wahrscheinlich, dass lediglich ein Mieter in den gesamten Komplex einziehen werde, so Kux – wahrscheinlich ein Logistiker. Sicher wisse man dies aber zum jetzigen Zeitpunkt nicht.
Segro verfügt in Deutschland über Immobilienvermögen in Höhe von 3,4 Milliarden Euro
Segro entwickelt seine Logistik- und Gewerbeflächen für den eigenen Bestand, die Immobilien werden nicht verkauft, sondern vermietet. Das börsennotierte britische Unternehmen soll in insgesamt zehn europäischen Ländern über sechs Millionen Quadratmeter Mietfläche mit einem Wert von 8,9 Milliarden Euro besitzen und verwalten und ist Dienstleister für Kunden aus den verschiedensten Branchen. In Deutschland ist Segro seit 1974 aktiv und verfügt hier nach eigenen Angaben über ein
Immobilienvermögen in Höhe von 3,4 Milliarden Euro. Die im Besitz von Segro befindlichen Immobilien liegen überwiegend in unmittelbarer Nähe zu Ballungsräumen und an Verkehrsknotenpunkten. Und bald auch in Neu Wulmstorf, das Kux aufgrund seiner Nähe zu Hamburg und der künftigen Anbindung über die A26 im Ausschuss einen „Logistik-Hotspot“ nannte.
Segro bereitet derzeit den Bauantrag vor, eine Änderung des Bebauungsplans ist für das Vorhaben nicht nötig. „Segro plant innerhalb des bestehenden Bauplans“, sagte Fachbereichsleiter Thomas Saunus. Wie berichtet, hatte der Konzern das 3,7 Hektar große Areal Mitte Oktober erworben, nachdem die Gemeinde Neu Wulmstorf seit der Insolvenz des Neu Wulmstorfer Fleisch- und Wurstwarenherstellers Schwarz Cranz vor zwei Jahren lange einen langfristigen Leerstand auf dem ehemaligen Firmengelände hatte befürchten müssen. Die Bestandsgebäude sollen abgerissen werden, auch der noch relativ neue Bürotrakt. Man habe zwar überlegt, wie dieser in die Segro-Pläne zu integrieren sei, aber ein dezentrales Gebäude passe nicht in die Gesamtkonzeption mit seinen Abläufen.
Hauptgebäudebestand viel zu kleinteilig
Insgesamt sei der Hauptgebäudebestand viel zu kleinteilig, sagte Kux. Das zum Teil sehr gut erhaltene Inventar sei inzwischen an Neu Wulmstorfer Vereine und die Feuerwehr gespendet worden. Der Abbruch des alten Gebäudebestands soll bis Sommer 2023 erfolgen, mit einer Fertigstellung der 21.700 Quadratmeter großen Halle mit 21 Lkw-Rampen, Bürotrakt und den Parkflächen für Lkw und Pkw rechnet Segro für das erste Quartal 2024. Dann ist die A 26 bis Hamburg aber noch nicht fertig, über die erst ab 2025/26 perspektivisch die Anbindung erfolgen kann.„Der Verkehr wird erheblich ansteigen“, sagte Uwe Stockleben (SPD). Eine Logistik-Ansiedlung sei nicht mit einem Gewerbebetrieb zu vergleichen. „Es kommen Nutzer, die wir heute nicht kennen. Die Ecke wird nicht so idyllisch bleiben wie sie ist“, so Stockleben. Fachbereichsleiter Thomas Saunus erinnerte daran, dass auch Schwarz Cranz für „erhebliche Verkehre“ gesorgt habe. „Ich weiß gar nicht, ob das bei Segro mehr wird“, so Saunus. Selbstverständlich spiele die Verkehrsfrage im Genehmigungsverfahren aber eine gewichtige Rolle.
Segro sei in dem Punkt vor dem Erwerb aus eigenem Interesse mit einem positiv ausgefallenen Verkehrsgutachten bereits aktiv geworden, ergänzte Kux.
Verlust von Schwarz Cranz war ein Schlag ins Kontor für die Gemeinde
Der Verlust von Schwarz Cranz sei ein Schlag ins Kontor für die Gemeinde gewesen, sagte der Ausschussvorsitzende Thomas Grambow (SPD). Der Gemeinde fehlten die Arbeitsplätze und die Gewerbesteuereinnahmen. „Deshalb freut es mich grundsätzlich, dass Segro das Areal erworben hat. Ich sehe aber nicht, dass wir die Steuereinnahmen wiederbekommen, und wenn wir davon ausgehen, dass in dem Logistikpark künftig 50 bis 60 Arbeitsplätze entstehen, ist die Diskrepanz doch sehr groß“, so Grambow. Mit 550 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen war Schwarz Cranz seinerzeit der größte Arbeitgeber in Neu Wulmstorf.
Die Lage des ehemaligen Betriebsgrundstücks sei „ein Zuckerstück, so Grambow: „Man kann nicht besser liegen, um ein Verteilerzentrum aufzubauen.“ Saunus bestätigte die hohe Siedlungsnachfrage bei der Gemeinde Neu Wulmstorf im Gewerbebereich: „Wir könnten hier noch drei Gewerbegebiete bauen, die würden alle voll werden.“
Der Logistiksektor bleibt ein zentraler Wirtschaftsfaktor Niedersachsens. Das geht aus dem jüngst veröffentlichten „Marktspiegel Logistik“ hervor: Mit über 260.000 Beschäftigten in der Logistikbranche, Investitionen in Logistikimmobilien in Höhe von 900 Millionen Euro in 2021 sowie 3.300 neu geschaffenen Arbeitsplätzen setzt sich der Wachstumstrend der vergangenen Jahre trotz Krise fort.