Handeloh. Genossenschaft wollte die ehemalige Jugendherberge in der Lüneburger Heide mit Leben füllen. Jetzt ist der Deal geplatzt

Es hätte ein „Sehnsuchtsort“ werden können. Ein Platz, an dem jedes Individuum mit seinen Hobbies und Bedürfnissen seine Nische findet, mit Raum für Gemeinschaft und für das Alleinsein, für Kreativität und Muße, mit Schlafmöglichkeiten für Singles und Pärchen, Familien und Gruppen. Einen Kräutergarten hatten die Mitglieder der Genossenschaft „Wander- und Begegnungsherberge Inzmühlen e.G.“ auf dem Gelände der ehemaligen Jugendherberge in Handeloh-Inzmühlen geplant, eine offene Denk-Werkstatt, ein Zukunftslabor und eine mobile Outdoorküche. Es gab Ideen für ein Färberpflanzenfeld, einen Barfuß-Trail, für Achtsamkeitsworkshops, Nachbarschaftsstammtische und eine Jugendwerkstatt.

Im vergangenen Frühjahr bekamen die 70 Mitstreiter der Genossenschaft von der Gemeinde Handeloh den Zuschlag für ihr Konzept. Jetzt stehen sie plötzlich mit leeren Händen da. Die Verkaufsverhandlungen zwischen Gemeinde und Genossenschaft sind gescheitert. „Weder das wirtschaftliche noch das fachliche Konzept der Genossenschaft haben die Mehrheit des Gemeinderates überzeugt“, sagt Handelohs Bürgermeister Uwe Blanck. „Zudem wurden massive Bedenken bezüglich der Vereinbarkeit der geplanten Nutzung mit dem Naturschutz geäußert.“

„Die Fragezeichen sind einfach zu groß gewesen.“

Bedenken, die auch Peter Dörsam, Bürgermeister der Samtgemeinde Tostedt, teilt. „Es bestand die Sorge, dass das Projekt wirtschaftlich nicht tragfähig sein würde“, sagte Dörsam, der gleichzeitig Gemeindedirektor von Handeloh ist, dem Abendblatt. Seit er im November das Amt des Samtgemeindebürgermeisters von Tostedt übernommen hat, habe er festgestellt, dass sich die Dinge sehr lange hingezogen hätten. „Ich habe gewisse Irritationen gesehen“, so Dörsam. „Die Fragezeichen sind einfach zu groß gewesen.“ Deshalb die Ablehnung.

Könnte mit wenig Aufwand wieder in Betrieb genommen werden: die ehemalige Jugendherberge Handeloh in Inzmühlen.
Könnte mit wenig Aufwand wieder in Betrieb genommen werden: die ehemalige Jugendherberge Handeloh in Inzmühlen. © HA | Hanna Kastendieck

Fragezeichen, die Christopher Müller und seine Mitstreiter von der Genossenschaft gerne ausgeräumt hätten. „Wir haben unzählige Mails an Herrn Dörsam verschickt, aber nie eine Antwort bekommen. Hier hat jegliche Sorgfalt gefehlt“, so Müller, der vom Ablauf der Verhandlungen schwer enttäuscht, allerdings nicht besonders überrascht ist. „Seitdem sich die politischen Mehrheiten mit der vergangenen Kommunalwahl im September in der Samtgemeinde verschoben haben, spüren wir Gegenwind“, sagt Initiator Müller. „Der alte Rat war unseren Ideen wohlgesonnen, hat uns toll unterstützt. Dem neuen sind wir ein Dorn im Auge.“

Die Pläne der Genossenschaft für die „Herberge Inzmühlen“ sahen vor, das seit 2018 leerstehende Gebäude am Rande der Lüneburger Heide mit neuem Leben zu füllen und den Herbergsbetrieb wieder aufzunehmen. Schlafmöglichkeiten sollten sowohl im Haus als auch unter freiem Himmel geschaffen werden. Das 1800 Quadratmeter große Wohngebäude sollte, ebenso wie die sechs Hektar Land, außerdem für Gemeinschaftsaktivitäten genutzt werden. All das ist jetzt vom Tisch. Nicht nur, dass der Rat den Verkauf der Jugendherberge an die Genossenschaft gekippt hat. Er hat außerdem einstimmig entschieden, dass nur noch ein Teil der Fläche, die sich auf drei Flurstücke verteilt, verkauft werden soll. „Zwei Flurstücke mit insgesamt drei Hektar sollen im Besitz der Gemeinde bleiben“, sagt Peter Dörsam. Ziel sei, die landschaftlich wertvollen Flächen zu erhalten. Trennen möchte sich die Gemeinde allerdings mittelfristig vom Herbergsgebäude und den dazugehörigen 30.000 Quadratmetern Fläche. „Theoretisch wäre hier durchaus ein Herbergsbetrieb denkbar“, so der Gemeindedirektor. „Aber nur mit einem darstellbaren Konzept.“ Darüber hinaus würden alternative Ideen geprüft. So sei die Einrichtung einer Waldkita im Gespräch, ebenso könne das Gebäude für dauerhaftes Wohnen genutzt werden. Kurzfristig aber hat die Gemeinde andere Pläne für die Immobilie, die bis zu ihrem Leerstand 2018 zeitweise vom Landkreis als Flüchtlingsunterkunft angemietet worden war. „Wir planen, im Gebäude Geflüchtete aus der Ukraine unterzubringen“, sagt Dörsam. „Dafür wird die Gemeinde Handeloh die Herberge vorübergehend an die Samtgemeinde vermieten.“

Christopher Müller und die Mitglieder der Genossenschaft müssen die Absage erstmal verdauen. Nachvollziehen können sie diese nicht. „Seit zwei Jahren arbeiten wir an der Wiedereröffnung der Herberge, haben unzählige Unterstützer aus der Region und auch aus Hamburg gewinnen können“, so Müller. „Wir sind finanziell gut aufgestellt, genießen großen Rückhalt in der Nachbarschaft. Zudem ist unser Konzept tragfähig und das Engagement der Mitglieder riesig.“

Bevor sich die Genossenschaft nach einer Alternative umschauen wird, wollen sich die Mitglieder erstmal beraten, prüfen, inwiefern die bereits entstandenen Kosten erstattet werden können. „Wir haben seit Ratsbeschluss in 2021 bereits einen mittleren fünfstelligen Betrag in das Projekt gesteckt, über den nun verhandelt werden muss“, sagt Christopher Müller. Zu prüfen sei zudem, ob rechtliche Schritte eingeleitet werden könnten. Grundsätzlich entmutigen lassen will sich die Genossenschaft allerdings nicht. „Wir werden ein anderes Objekt finden“, da ist sich Christopher Müller sicher. „Aber zunächst muss das Projekt Inzmühlen fair abgewickelt werden.“

Die Herberge Inzmühlen liegt direkt am Naturpark Lüneburger Heide, am Wehlener Weg. Fußläufig sind Seeve und Heidschnuckenweg erreichbar. Das 60.000 qm große Grundstück besteht größtenteils aus Wald und Wiese.

Die Herberge wurde in zwei Abschnitten in den 1960er Jahren erbaut, war bis 2014 als Jugendherberge mit 35 Gästezimmern und 77 Betten.

2015 erwarb die Gemeinde Hanstedt die Immobilie samt Liegenschaft vom DJH-Landesverband Nordmark um sicherzustellen, dass diese auch künftig als Unterkunft für Jugendliche erhalten bleibt.

Im Zuge der Flüchtlingskrise vermietete die Gemeinde die Herberge von 2015 bis 2017 an den Landkreis Harburg. Dieser brachte dort alleinreisende minderjährige Geflüchtete unter.

Nach deren Auszug verhandelte die Gemeinde Handeloh mit potenziellen Interessenten, darunter die Genossenschaft. Im Mai 2021 bekam diese den Zuschlag und stieg in die Planungen ein.

Weitere Infos zum Projekt „Herberge Inzmühlen“ gibt es unter www.herberge-inzmuehlen.de