Hannover. Die Tourismusverbände im Norden rechnen mit Radfahrboom. Besonders beliebt: regionale Entdeckungstouren. Was gibt's Neues für Radler?
An Storchennestern vorbei, entlang von Elbe und Weser oder durch ein Blütenmeer von Rhododendren: Eine Radtour ist für viele Menschen derzeit eine kleine Flucht aus dem Corona-Alltag. Etliche Regionen in Niedersachsen bieten dafür neue, ausgefeilte Angebote – und im Zuge der Corona-Pandemie entdecken immer mehr Menschen ihre Umgebung vor der Haustür neu.
Nach Angaben des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs ADFC stieg die Zahl der Tagesausflügler 2020 um 40 Prozent. Die Tourismusverbände im Norden rechnen einhellig damit, dass der Boom dieses Jahr anhält und sich viele Bürger wieder verstärkt auf Entdeckungstour vor Ort machen werden. Was gibt es in dieser Saison Neues für Radler im Norden?
Tourismusverbände setzen auf Qualität anstatt Quantität
Die Tourismusverbände setzen bei ihren Angeboten auf Qualität anstatt Quantität. „Wir haben ordentlich entrümpelt“, sagt beispielsweise Frank Bullerdiek von der Ammerland Touristik. Die Region geht mit 15 frischen Themen-Touren in die Saison. Die Strecken sind zwischen 30 und knapp 60 Kilometer lang: Es gibt Kirchwege durch verwunschene Wälder, eine Mühlenentdeckungsreise oder die Rhododendren-Ausfahrt.
Neben den klassischen grün-weißen Radwegweisern und den Logos der einzelnen Themenrouten setzt das Ammerland wie auch andere Regionen inzwischen auf das Knotenpunktsystem. Das Prinzip: Fahren nach Zahlen. Touren können individuell verkürzt, variiert oder verlängert werden. 300 Knotenpunkte mit 300 Übersichtskarten haben die Ammerländer installiert.
Auf den Karten sind Sehenswürdigkeiten und Schutzhütten verzeichnet. Radler können sich nach Angaben der Macher zuhause „in drei Minuten“ ihre Knotenpunkttour zusammenstellen und ausdrucken und dann loslegen – oder einfach ohne jegliche Vorbereitung losradeln und sich vor Ort inspirieren lassen. Das Knotensystem stammt ursprünglich aus Belgien und den Niederlanden.
Die Wesermarsch heimste in diesem Jahr zum zweiten Mal nach 2018 die Zertifizierung als „Radreiseregion“ ein. Vergeben wird der Titel nach Prüfung durch den Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC). „Unsere Routen sind alle thematisch sehr unterschiedlich“, sagt Tina Tönjes von der Touristikgemeinschaft Wesermarsch.
Zwischen Nordsee, Jade und Weser locken Abendrottour, pittoreske Dörfer, Küstenlinien und Häfen. Der Moorweg wird gerade neu zugeschnitten. Beliebte Anlaufpunkte sind in der Wesermarsch die Melkhüser. In diesen kleinen Holzhütten bieten Landfrauen Leckereien rund um Milch an, wenn es die Corona-Lage wieder erlaubt – vom Buttermilchshake bis zur selbst gemachten „Eiskrem“. Das Melkhus Berne Orth etwa fahren Radler aus Bremen gerne auf ihrer Feierabendtour an, das Melkhus Fuchsberg liegt bei Pedalrittern aus Oldenburg hoch im Kurs.
Bremen gehört laut ADFC zu den Hochburgen der Alltagsradler
Die Hansestadt Bremen gehört laut ADFC zu den Hochburgen der Alltagsradler. Auch in der Freizeit steigen die Menschen dort gerne aufs Rad, Touristen ebenso. „Wir haben alle Kartenflyer zum Start der neuen Saison überarbeitet und neu aufgelegt“, sagt Jens Joost-Krüger von der Wirtschaftsförderung Bremen. Das Angebot der Quartierstouren wurde überarbeitet – etwa die Wegeführung in der Überseestadt. „Komplett neu aufgelegt wird die Runde Bremen – Vegesack – Bremen“, berichtet Joost-Krüger von den Neuerungen.
Besonders nachgefragt war in der vergangenen Saison die neue Bremen-Worpswede-Tour, die Route durchs Blockland und die Innenstadt-Runde „Mittenmang“. Geplant sind in dieser Saison acht „Film Night Rides“ – dabei geht es zu ungewöhnlichen Orten in der Stadt, an denen mit einem mobilen Lastenradkino Filme gezeigt werden. „Komplett neu ist eine Fahrradbühne samt Veranstaltungstechnik, mit der wir dezentrale Spielorte per Lastenrad erschließen“, so Joost-Krüger.
Frischer Wind bläst auch im Osnabrücker Land. Im Vorfeld des 375. Geburtstages des Westfälischen Friedens (2023) bekam die Friedensroute eine Generalüberholung: Unter anderem gibt es am Weg nun zwölf Hörstationen rund um den 30 Jahre währenden Konflikt von Protestanten und Katholiken.
Touristiker in der Lüneburger Heide tüfteln an einem Novum
In der südlichen Lüneburger Heide ist die Tour durch das Naturschutzgebiet am Heidebach Lutter der Renner. Dort haben seltene Tierarten wie die Flussperlmuschel eine Zukunft. Früher gab es diese Muscheln massenhaft in den Heidebächen, heute sind sie vom Aussterben bedroht.
Auch die Heidekartoffeltour kommt bei Radlern in der Region gut an. Zudem tüfteln die Touristiker in der Lüneburger Heide an einem Novum: „Wir haben einen neuen, großen Radweg in Planung“, sagt der Verantwortliche Ulrich von dem Bruch. Geplant ist ein Rundkurs durch alle fünf Landkreise in der Heide. „Wir hoffen, dass wir den noch im Herbst eröffnen können. Es wird ein Mehrtagesweg.“
Zu den populären Strecken im Aller-Leine-Tal gehören die Storchen- und die Wolfsroute. Storchenfans radeln an etlichen Horsten und Futterplätzen vorbei, in Schwarmstedt können sie zudem einen Blick ins „Storchenkino“ werfen, wo normalerweise Bilder aus einem Storchennest live übertragen werden. Die Energie-Route hingegen ist in die Jahre gekommen und bekommt derzeit eine Verjüngungskur. Nach Angaben des Leiters der Tourismusregion Aller-Leine, Florian Möhlmann, soll die Trasse eine neue Streckenführung bekommen. Die Neueröffnung ist für Mai oder Juni dieses Jahres geplant.
Der Harz ist nicht nur für Mountainbiker und Rennradler attraktiv. Auch nicht ganz so sportliche Radler etwa auf dem Pedelec stehen neuerdings im Fokus. Unter anderem wurden Touren von Braunlage, Harzgerode oder Osterode ausgearbeitet.