Hittfeld. Politikneuling Philipp Herrmann engagiert sich in der Seevetaler SPD. Warum er sich am 12. September zur Wahl stellt
Eine Mischung aus Überzeugung, Veränderungswille und dem richtigen Zeitpunkt hat Philipp Herrmann – Familienvater, Bankangestellter, Zugezogener – vor einigen Monaten in die Politik gebracht. Bei der Kommunalwahl im September tritt der 36-Jährige für die Seevetaler SPD an, um künftig im Ortsrat oder auch im Gemeinderat mitzuentscheiden.
Die sozialen Werte seiner Partei sind ihm wichtig. Das führt der gebürtige Kühlungsborner auf seine Herkunft zurück. Aufgewachsen in den neuen Bundesländern sei es für ihn eine Selbstverständlichkeit, dass Kitaplätze kostenfrei angeboten werden. „Bildung für alle fängt früh an“, sagt der Hittfelder. Auch Betriebskindergärten hält er für wichtig und sinnvoll im Betreuungssystem.
Seit drei Jahren wohnt er mit Familie im Einfamilienhaus in Hittfeld
Bestimmt seit 15 oder 20 Jahren trage er sich mit dem Gedanken, auch offiziell ein Sozialdemokrat zu werden, sagt er. „Aber ich wollte mich nicht zu früh festlegen.“ Auch der Gedanke an den zeitlichen Aufwand schreckte ihn lange ab. Doch mit den Jahren sei er immer mehr gefestigt gewesen – in seinen Überzeugungen und auch im Leben. „Ich bin jetzt angekommen“, sagt der gelernte Kaufmann, der viele Jahre im Harburger Fahrradcenter gearbeitet hat und mittlerweile als Quereinsteiger bei einer Bank arbeitet. Seit drei Jahren wohnt er mit seiner Frau und dem jetzt dreijährigen Sohn in einem Einfamilienhaus in Hittfeld-Waldesruh. In Kürze werden sie zu fünft sein – Zwillinge sind unterwegs, noch zwei Jungs.
Die Entscheidung, in die Politik zu gehen, fällte Philipp Herrmann allein, Kontakte zur Kommunalpolitik hatte er zuvor nicht. Ausschlaggebend waren schließlich seine Neugier und sein Wunsch, einige Dinge vor Ort zu verändern. „Ich wollte mich in Seevetal einbringen und auch hinter die Fassade gucken, wie Politik funktioniert. Als Zuschauer bei Anne Will oder Markus Lanz ist man ja schnell dabei, die Dinge zu bewerten. Aber man hat gar nicht das Verständnis für die Hintergründe.“
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Im vergangenen November trat er in die SPD ein und schon am nächsten Tag meldete sich der Ortsvorstand beim Politikneuling. „Ich wurde sehr freundlich willkommen geheißen“, sagt er über seinen Start. Beim ersten Treffen sei er allerdings etwas erschrocken gewesen. „Ich war mit meinen 36 Jahren der Jüngste in der Runde, danach kam lange nichts mehr.“ Mittlerweile gibt es weitere Neue in seinem Alter.
Besondere Erwartungen, wie es so in der Politik läuft, hätte er nicht gehabt. Eines habe ihn allerdings doch überrascht: „Innerhalb der Partei gibt es gar nicht so große Diskussionen. Es geht eher darum, wie wir unsere Themen gut durchkriegen. Und dabei gibt es einige Hürden und lange Schleifen zu drehen.“ So sei es schwer verständlich, warum es von der Beantragung einer öffentlichen Elektro-Ladesäule bis zu deren Aufstellung drei Jahre vergehen sollen. Der oft holprige Weg schreckt ihn allerdings nicht, es nicht trotzdem zu versuchen.
Seminar für Einsteiger beim Bürgermeisterkandidat für Seevetal absolviert
„Ich fühle mich gut unterstützt“, sagt der Politikneuling, der sich gründlich eingearbeitet hat. Wichtige Einblicke in die kommunalpolitischen Abläufe hat er bei Manfred Eertmoed erhalten. Der Bürgermeisterkandidat der Seevetaler SPD gibt Seminare für Einsteiger in diesem Bereich. Auch deshalb hat Philipp Herrmann zugestimmt, als Kandidaten für die anstehende Kommunalwahl gesucht wurden – obwohl der Einzug in ein Gremium noch gar nicht sein Ziel war. Dass er in den Gemeinderat oder den Kreistag gewählt werde, hält Philipp Herrmann aufgrund seines Listenplatzes aber für unwahrscheinlich. Im Ortsrat für Hittfeld, Emmelndorf, Helmstorf und Lindhorst würde er sich gern engagieren. Auch schätzt er den zeitlichen Aufwand für ein Amt auf dieser Ebene so ein, dass er die Aufgabe neben Job und Familie stemmen könnte.
Unabhängig von einem möglichen Amt will der Sozialdemokrat sich dafür einsetzen, dass die Gemeinde mehr für Familien und Fahrradfahrer tut. Die Digitalisierung in Schulen ist ihm wichtig und auch, dass es Treffpunkte für junge Menschen in den Ortschaften gibt. „Und mir fehlen hier mehr Spielplätze, die für alle öffentlich zugänglich und gut zu erreichen sind.“ Auch der Ausbau der Elektromobilität und bessere Bedingungen für Radfahrer sind dem früheren Hobby-Rennradfahrer ein Anliegen. So hat er die langfristig vermieteten Stellplätze an den Bahnhöfen im Blick. Viele davon seien oft tageweise ungenutzt, aber für andere Radfahrer nicht verfügbar. Dort könne man ein sinnvolleres Konzept umsetzen, zum Beispiel mit einer genauen Zeitabrechnung per App. „Wir sollten das Radfahren so attraktiv wie möglich machen und das Radwegenetz in Seevetal deutlich verbessern.“
Politikneuling freut sich auf den Wahlkampf und Sonnabende am Infostand
Auf den Wahlkampf freut sich Philipp Herrmann schon, er will einige Sonnabendvormittage investieren, um SPD-Stände vor Supermärkten zu betreuen und für die Politik seiner Partei zu werben. „Dieser Kontakt zu den Menschen, das macht mir Spaß“, sagt der Bankangestellte, der in einer Blankeneser Filiale tätig ist. Im politischen Geschäft will er mit einer offenen Kommunikationsweise überzeugen. „Wir sollten grundsätzlich ehrlich sein, auch wenn die Wahrheit nicht immer schön ist.“
Mehr Bürgernähe und Transparenz ist es, was Philipp Herrmann sich von der Kommunalpolitik erhofft. „In den Gremien sitzt oft nicht der einfache Bürger, sondern zum Beispiel der Hotelier oder der Immobilienmakler aus dem Ort“, sagt er. „Ich habe als Familienvater natürlich auch ein persönliches Interesse an Spielplätzen. Aber ich denke, diese sind auch für das Gemeinwohl wichtig. Wir sollten in der Politik immer im Allgemeininteresse denken und öfter mal die Bürgerbrille aufsetzen.“
Die Serie zur Kommunalwahl 2021:
- Die Regionalausgabe Harburg des Hamburger Abendblatts präsentiert in den kommenden Wochen in Form einer Wahlserie Menschen, die sich in Zukunft in der Kommunalpolitik engagieren wollen und sich deshalb zur Wahl stellen. Sie kommen aus unterschiedlichen Kommunen und unterschiedlichen Parteien, sie gehören verschiedenen Altersgruppen an. Doch eines haben sie alle gemeinsam: Sie treten zum ersten Mal an und sind voller Engagement.
- Am Sonntag, 12. September, werden während der Kommunalwahl in Niedersachsen die Vertreter gewählt, die anschließend fünf Jahre lang darüber beraten und entscheiden, wie sich das unmittelbare Lebensumfeld im Landkreis, in der eigenen Stadt oder Gemeinde entwickeln wird. Zur Wahl sind rund 210.000 Stimmberechtigte allein im Landkreis Harburg aufgerufen. Vor fünf Jahren haben allerdings gerade einmal 57 Prozent von ihnen ihre Stimme ab.