Landkreis Harburg. Gruppe gründet Plastikfrei-Stammtisch in Hanstedt und in Winsen. Wie die Mitglieder ihren Teil zum Klimaschutz beitragen möchten
Mama muss mal eben die Welt retten.“ Das sagt Dagmar Penzlin ihren drei Kindern, wenn sie abends aufbricht, um zum Vereins-Treffen von „klimafair leben“ zu gehen. Sie macht Spaß und meint es zugleich ernst. Selbstverständlich ist ihr klar, dass kein Einzelner Umweltprobleme lösen kann. Gleichzeitig ist sie überzeugt, dass sich etwas ändern muss. Und zwar jetzt.
Möglichst viele müssen ihre Lebensgewohnheiten hinterfragen und ihren Alltag ändern. Nicht radikal, aber stetig. Weil Veränderung gemeinsam leichter ist und mehr Spaß macht, gründete sie 2019 in Hanstedt den Stammtisch „Gut leben ohne Plastik“. Schon zum ersten Treffen kamen 30 Leute. Ein halbes Jahr später zog Winsen mit einem Plastikfrei-Stammtisch nach.
Mitglieder tauschen Erfahrungen in Sachen "Plastikdiät" aus
Die Mitglieder sammelten gemeinsam Müll, stellten selbst Wasch- und Putzmittel her. Sie berichteten von ihren Erfahrungen mit der persönlichen „Plastikdiät“. Gaben einander Tipps zu Unverpackt-Läden und Naturkosmetik und erzählten, ob und wie sich Wäsche mit Haarseife auf die Frisur auswirkt. Die Philosophie: Es geht nicht um die reine Lehre, sondern darum, ins Handeln zu kommen und Freude zu vermitteln. „Plastikfreier, nachhaltiger und somit auch klimafairer zu leben bedeutet nicht, sich selbst zu geißeln, sondern sich auf einen Lebensstil zu besinnen, der Zukunft hat“, sagt Dagmar Penzlin.
Die Gruppe lud Experten zu Vorträgen zur Plastikproblematik ein und erfuhr, dass Plastik nicht nur in Form von Müll gefährliche Auswirkungen hat. Fünf bis zehn Prozent des globalen Kohlendioxid-Ausstoßes gehen auf die Produktion von Plastik zurück. Plastik treibt also die Erderwärmung voran. Sie hörten, dass auch die menschliche Gesundheit bedroht ist. Jeder Einzelne von uns nimmt über Nahrung, Luft und Getränke aus PET-Flaschen wöchentlich fünf Gramm Mikroplastik auf. Das entspricht dem Gewicht einer Kreditkarte.
Während Corona tagte die Gruppe per Videochat
Die Mitglieder der Plastikfrei-Gruppen fühlten sich durch die Erkenntnisse angespornt. Sie machten sich auf eigene Faust schlau, tauschten die Informationen am Stammtisch aus und warben an Infoständen öffentlich für ihr Anliegen. Ein Jahr lang blühte das Vereinsleben. Dann kam Corona und damit das Aus für derlei Aktivitäten. Man tagte fortan per Videochat, nun sogar mit Teilnehmern aus der ganzen Republik, denn es gibt bundesweit viele Klubs von Plastikgegnern. Ein gleichwertiger Ersatz für den realen Stammtisch war es trotzdem nicht.
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Jetzt sitzt Dagmar Penzlin wieder mit ihren Mitstreitern beisammen. Diesmal ist nur eine Handvoll Gleichgesinnter in die „Kulturbäckerei Hanstedt“ gekommen. Das entmutigt sie keineswegs. „Ich scharre schon mit den Hufen, wieder loszulegen.“ Die langjährige Radiojournalistin hat auch außerhalb des Funkhauses Sendungsbewusstsein. An diesem Abend wird auf Anregung von Hermann Krekeler, der dem Vorstand der Bürgerstiftung Hanstedt angehört und sich auch bei den Plastik-Gegnern engagiert, ein Plan für die nächsten Aktivitäten entwickelt.
„klimafair leben“ auf Hanstedter Adventsmarkt präsent
Jeden Freitag im Advent wird „klimafair leben“ in einer der Buden präsent sein, die in der Vorweihnachtszeit die Hanstedter Marktstände ergänzen. Das Team wird jeweils von 14 bis 18 Uhr im Geidenhof spielerisch und unterhaltsam auf das Thema Umwelt- und Ressourcenschutz aufmerksam machen. Das Motto lautet „zero waste christmas“ – Weihnachten ohne Müll und Verschwendung. Erste Ideen zur Umsetzung gibt es schon. „Man könnte Alternativen zu Hochglanz-Geschenkpapier und selbst gestaltete Grußkarten vorstellen“, überlegen Volker und Conny Wangelin, die von Anfang an zum Ohne-Plastik- Stammtisch gehören. „Ich finde selbst hergestellte Geschenke gut“, sagt Tanja Dannen, die über ein anderes Projekt des Vereins zur Gruppe gestoßen ist.
Die Hobby-Näherin fertigte Stoffbeutel für die Teller des kostenlosen Geschirrverleihs „Porzellan statt Plastik“. Nun lebt sie selbst so plastikarm wie möglich. Ihre Tochter eifert ihr nach. Die 16-Jährige stellt selbst Handseifen und Rasiergel her. „Ihre Rezepte könnte ich besorgen und vielleicht kommt sie sogar zu unserem Stand dazu“, sagt die Buchholzerin. Auch für das kommende Jahr werden Pläne geschmiedet. Die Gruppe will den Stammtisch in „klimafair leben“ umbenennen. Denn längst steht nicht mehr nur die Vermeidung von Plastik im Fokus, zumal inzwischen alle den Inhalt ihrer gelben Müllsäcke deutlich dezimiert haben.
Ernährung rückt nun in den Fokus der Klimaschützer
Verstärkt will man sich nun dem Thema Ernährung widmen. Was für einen „ökologischen Fußabdruck“ haben die einzelnen Lebensmittel? Wie hoch sind die Umweltfolgekosten für Produktion, Transport, Lagerung? „Milch ist diesbezüglich natürlich ganz schlecht, ich darf gar nicht an den Methanausstoß der Kühe denken. Und an die Kälber auch nicht“, seufzt Gesa Gatzki aus Maschen. Prompt hat Dagmar Penzlin ein Rezept für einen milchfreien Erfrischungstrunk parat. „Einfach einen Teelöffel Nuss-Mousse mit 200 Millilitern Wasser mit dem Mixer verquirlen. Vielleicht ein bisschen Datteln für die Süße dazu. Ich mag es am liebsten mit Cashewnüssen.“
Beim Thema Getränke fällt Angelika Beth-Leschke zunächst einmal Wasser ein. „Es sollten mehr öffentliche Brunnen geschaffen werden“, sagt die Winsenerin, die auch regelmäßig am Ohne-Plastik-Stammtisch an der Luhe teilnimmt. Ihre Hoffnung: Wenn die eigene Trinkflasche vielerorts mit Wasser aufgefüllt werden könnte, gingen in Supermärkten und an Tankstellen weniger Plastikflaschen über den Tresen.
Alle nicken. Man ist sich wieder einmal einig. Das tut den Seelen gut. „Wir sind auf einer Wellenlänge. Und durch die Öffentlichkeitsarbeit unseres Vereins fühle ich mich der Region und ihren Menschen viel stärker verbunden als zuvor“, sagt Dagmar Penzlin. Für ihre Kinder ist klimafaires Leben längst genauso selbstverständlich wie eine Mutter zu haben, die immer wieder aufsteht, um die Welt zu retten. Für ihren eigenen Nachwuchs und für kommende Generationen.
Der Stammtisch des Vereins klimafair leben trifft sich an jedem dritten Dienstag im Monat um 19.30 Uhr, und zwar im Wechsel in der Hanstedter Kulturbäckerei, Am Ehrenmal 3, und im Gemeindezentrum St. Marien in Winsen, Kirchstraße 2. Der nächste Termin ist allerdings erst am 18. Januar in Hanstedt geplant. Weitere Infos: www.klimafair-leben.de