Landkreis Harburg. Situation in Seniorenheimen spitzt sich zu. Häuser schließen, Betten können wegen Personalmangel nicht belegt werden.

Die Zahlen sind alarmierend. Von den 141 freien Plätzen in den 29 Senioren- und Pflegeheimen im Landkreis Harburg können aktuell 74 Plätze aufgrund von fehlendem Pflegepersonal nicht belegt werden. Weitere 18 Betten in einem Buchholzer Seniorenheim wurden aufgrund eines Wasserschadens gesperrt. Damit stehen derzeit nur 49 Plätze und damit ein Drittel der von den Heimen als frei gemeldeten Plätze tatsächlich zur Belegung zur Verfügung.

So kann das Cura Seniorencentrum Maschen derzeit von seinen 73 Plätzen nur 56 belegen. 17 Betten bleiben frei. Die Auslastung liegt damit bei nur 77 Prozent. Im Helferichheim Tostedt liegt die Auslastungsquote bei knapp über 80 Prozent. Von den 119 Plätzen bleiben 23 aufgrund von Personalmangel unbelegt. Und auch im DRK Alten- und Pflegeheim „Haus am Steinberg Hanstedt“, im Senioren-Zentrum „Haus Eichenhof“ in Egestsorf und im Cura Seniorencentrum Winsen stehen insgesamt 33 Betten leer. Auch die ambulant betreuten Wohngemeinschaften im Landkreis Harburg haben keine Kapazitäten mehr. Alle 22 Plätze sind belegt. Das hat die Antwort der Landkreisverwaltung auf eine Anfrage der SPD-Kreistagsfraktion ergeben.

Keine Kapazitäten mehr in ambulant betreuten Wohngemeinschaften

Deren Fraktionsvorsitzender Tobias Handtke hatte die Anfrage Anfang Juli eingereicht. Auslöser für den Vorstoß des Neu Wulmstorfer Bürgermeisterkandidaten waren die Schließungen von drei kleineren Senioreneinrichtungen des Betreibers Stubbenhof in Jesteburg, Rosengarten und Buchholz zum 31. August. 103 Bewohner und 80 Angestellte waren betroffen. Bereits im Mai hatte mit dem Heim am Marktsplatz in Neu Wulmstorf eine weitere Einrichtung in im Landkreis geschlossen. Hier gingen 120 Pflegeplätze verloren.

Lesen Sie auch:

„Die Bürgerinnen und Bürger im Landkreis blicken mit Sorge auf diese Entwicklung“, sagt Tobias Handtke. „Sie wünschen sich im Falle einer nicht mehr selbst zu versorgenden Lebenssituation die Möglichkeit, sich an eine Senioren- und Pflegeeinrichtung zu wenden und wohnortnah den Lebensabend zu verbringen.“ Doch genau das könnte schwierig werden, sollte diese Entwicklung anhalten. „Wir können nicht einfach nur zuschauen, wie Heime schließen und Menschen unter Tränen ihr Zuhause verlieren“, sagt er. „Wir müssen das Thema aufgreifen und gemeinsam schauen, was wir tun können.“

Die Seniorenresidenz Flee­stedt eröffnet im November mit 116 Pflegeplätzen und Tagespflege.
Die Seniorenresidenz Flee­stedt eröffnet im November mit 116 Pflegeplätzen und Tagespflege. © Lindhorst-Gruppe | Seniorenpark Fleestedt GmbH

Laut Kreisverwaltung seien für die Bewohnern der zum 31. August geschlossenen Heime inzwischen neue Pflegeplätze gefunden worden. Zudem bestünden in den Einrichtungen des Landkreises grundsätzlich immer freie Kapazitäten. Die Kreisverwaltung spricht von 141 freien Plätzen. Fakt ist, dass ein Großteil davon in den Einrichtungen nicht genutzt werden kann. Unter dem Dach der 29 Senioren- und Pflegeheime im Landkreis können 2290 Menschen betreut werden. Die Auslastungsquote liegt bei 93,8 Prozent.

Zehn Einrichtungen sind in der Planung oder im Bau

Auch wenn ein Drittel der freien Plätze nicht belegt werden kann, sieht die Verwaltung nicht die Notwendigkeit, dass der Landkreis Harburg selbst einen Beitrag leistet, die Kapazitäten der bestehenden kommunalen Einrichtungen zu erweitern. Zum einen gebe es regelmäßig freie Kapazitäten. Zum anderen seien zehn Einrichtungen zur stationären und Tagespflege in Planung oder Bau, heißt es aus der Verwaltung. Absehbar ist davon nur die Eröffnung der Seniorenresidenz Seevetal GmbH in Fleestedt mit 116 Pflegeplätzen. Die ersten Bewohner sollen im November einziehen.

Der Seniorenbeirat des Landkreises sieht die Entwicklung kritisch. „Viele Einrichtungen sind noch in der Planung, ihre Eröffnung nicht absehbar“, sagt deren Vorsitzende Elisabeth Schmidt. Die demografische Entwicklung aber lasse erwarten, dass der Bedarf an Heimpflege in den nächsten Jahren weiter steigen werde. „Mit der Zunahme der älteren Bevölkerung und gleichzeitig steigender Lebenserwartung wird auch der Pflegebedarf zunehmen“, befürchtet Schmidt.

Mangel an Mitarbeitern in der Altenpflege ist eigentlich Problem

Das eigentliche Problem aber ist laut Tobias Handtke der Mangel an Mitarbeitern in der Altenpflege. „Was nützen uns neue Häuser mit Pflegeplätzen, wenn diese nicht belegt werden können, weil kein Personal vorhanden ist?“, sagt er. Das Problem sei nur zu lösen, wenn der Bund die Voraussetzungen dafür schaffe, dass Menschen sich mit ihrer Berufswahl entscheiden, sich dieser wichtigen Aufgabe zu widmen. „Es muss zukünftig noch mehr getan werden, dass dieser Beruf auch durch eine bessere Entlohnung und Arbeitsbedingungen attraktiver wird“, so Handtke, der das Thema nicht nur auf Kreisebene sieht und im September im Sozialausschuss behandeln will, sondern auch die Kommunen selbst auffordert, zu handeln.

„Wir müssen uns einbringen, wenn eine Schieflage in der Betreuung entsteht“, sagt er. So habe man in Neu Wulmstorf mittels einer Veränderungssperre zwar nicht die Schließung verhindern können, aber dafür gesorgt, dass die Räume auch künftig ausschließlich für eine Seniorenbetreuung genutzt werden dürfen. „Zudem muss in der kommunalen Planung künftig berücksichtigt werden, dass jeder Mensch solange wie möglich in den eigenen vier Wänden wohnen und betreut werden kann“, so Handtke. „Ziel muss es sein, dass sich die Bürger keine Gedanken machen müssen, im Pflegefall auch in ihrer Heimatgemeinde wohnen bleiben zu können.“

Das ist geplant:

  • Im Landkreis Harburg sind aktuell zehn Einrichtungen der Seniorenpflege neu geplant.
  • Die Seniorenresidenz Seevetal in Fleestedt eröffnet im November mit 116 Plätzen und Tagespflege.
  • In Buchholz sind im Rahmen der Entwicklung des Canteleu Quartiers eine stationäre Einrichtung mit 112 Plätzen sowie Tagespflege und 32 Servicewohnungen geplant. Eröffnung soll Ende 2022 sein. Außerdem laufen die Vorplanungen für das Alten- und Pflegeheim Lockgarten.
  • In Neu Wulmstorf ist der Convivo Park mit Tagespflege, zwei betreuten WGs mit je 12 Plätzen und 62 Servicewohnungen geplant
  • In Tostedt ist ein Heim mit 69 Plätzen in Planung
  • In Ashausen ist die betreute WG Heins Hoff mit acht Plätzen sowie eine Tagespflege im Bau.
  • In Pattensen ist eine Tagespflege in Planung.
  • In Salzhausen sind mit dem Wohnpark Witthöftsfeld Tagespflege und betreutes Wohnen im Bau.