Harburg. Südliches Umland von Hamburg wächst – aber nicht überall. Große Unterschiede gibt's im Landkreis Stade. Eine Ortsbesichtigung.

Die Bevölkerungszahlen im südlichen Hamburger Umland dürften auch in den nächsten zehn Jahren weiter wachsen – allerdings nicht überall gleich. Es gibt sozusagen Gewinner und Verlierer bei den Gemeinden: Das zeigt jetzt eine neue Prognose aus diesem Frühjahr, die der Landkreis Stade in Auftrag gegeben hatte.

 Zu einem ähnlichen Ergebnis war kürzlich aber auch eine Studie für den Landkreis Harburg gekommen. Bis zum Jahr 2030 wird es demnach aller Voraussicht nach im Landkreis Stade ein Wachstum um etwa zusätzliche 9000 auf dann 217.000 Bewohner geben. Das entspricht einem Zuwachs von rund vier Prozent.

Bevölkerung Landkreis Harburg wächst um 5,5 Prozent

Für den Landkreis Harburg wird indes der dortigen Studie zufolge ein Bevölkerungswachstum von bis zu 5,5 Prozent auf dann rund 264.000 Menschen erwartet, wobei sich der Prognosezeitraum bis 2035 erstreckt.

Beiden Studien gemeinsam ist dabei der Trend zu einer immer älteren Bevölkerung. Ohne die Zuwanderung aus dem In- und Ausland würden beide Kreise sogar schrumpfen. Und manchen Gemeinden in den Landkreisen müssen den Prognosen zufolge mit diesem Schicksal schon jetzt umgehen. Im Landkreis Harburg beispielsweise vor allem diejenigen Dörfer, die kaum noch Bauland zur Verfügung haben. Etwa, weil sie dicht an Landschaftsschutzgebieten liegen. Sahrendorf ist dafür ein Beispiel, wo die Prognostiker einen Rückgang der Bevölkerungszahl von 7,3 Prozent erwarten.

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Viel eklatanter sind aber die Unterschiede im benachbarten Landkreis Stade, wie die jüngst vom Kreis veröffentlichte Untersuchung zeigt: Mit einem erwarteten Zuwachs von 22 Prozent wird demnach der Ort Dollern in der Nähe von Buxtehude das größte Wachstum erfahren. Ganz anders wird es laut Studie in dem beschaulichen Städtchen Freiburg an der Elbe aussehen, das nur 40 Kilometer weiter im Norden des selben Landkreises liegt. Dort könnte es einen Einwohnerverlust um zwölf Prozent in den nächsten zehn Jahren geben, vermuten die Gutachter.

Doch warum ist das so? Nur an fehlendem Bauland kann ein so großer Unterschied wohl nicht liegen? Eine Antwort findet, wer sich vor Ort umschaut: Bei der Fahrt durch Dollern fällt dabei zunächst eine reizvolle, hügelige Topgraphie auf, die dann zum Alten Land hin flach wird. Im Ort selbst gibt es viele Einkaufsmöglichkeiten, mit „Mohr“ sogar ein großes Kaufhaus. Am Übergang von der hügeligen Geest zur flachen Marsch liegt dann der Bahnhof von Dollern - und damit wohl ein Grund für die Attraktivität des Ortes, in dem jetzt etwa 2200 Einwohner gezählt werden.

In 53 Minuten mit der S-Bahn bis zum Hamburger Hauptbahnhof

In 53 Minuten ist man von hier mit der S-Bahn am Hauptbahnhof in Hamburg. In Sichtweite liegt zudem die Auffahrt zur Autobahn A 26, die bald dann endlich auch von Stade bis Hamburg reicht. Ideal für Pendler, die entlang der S 3 aktuell bald kaum noch Neubaugebiete finden. In Neu Wulmstorf etwa werden die letzten Wohnbauflächen in Bahnhofsnähe gerade bebaut, in Buxtehude ist an der Gieselbertstraße auch ein neues Gebiet am Start.

Eine der nächsten Stationen ist dann schon Dollern, wo die Samtgemeinde Horneburg bereits gerade einen neuen Bebauungsplan für ein Areal direkt am Bahnhof verabschiedet hat. Investor ist dort der Seevetaler Immobilien-Unternehmer Joachim Doerks. Noch in diesem Jahr will er hier 34 Mietwohnungen bauen, geplant von einem Bauträger seien dort auf dem Gelände einer ehemaligen Nussfabrik zudem 40 Reihen-Stadthäuser. Über die Vermarktungslage mache er sich keine Sorgen: „Dollern ist ein Top-Standort“, sagt er. Verkehrslage, Infrastruktur, Ärzte, Kitas, Einkaufsmöglichkeiten – das alles sei hier so ausreichend vorhanden wie in einem eigentlich viel größeren Ort.

Freiburg: ein Kleinod mit Bullerbü-Charme

Doch wie sieht der Vergleich zu Freiburg aus? Von Dollern geht es auf dem Weg dorthin vorbei an endlos flachen Wiesen auf einer Landstraße durch viele kleine Ort, gefühlte Stunden tuckert man gelegentlich hinter einem Trecker her. Keine Autobahn und keine S-Bahn reichen bis in den Norden des Landkreises – und damit fehlt eben auch die direkte Verbindung zu den Jobs in der Metropole.

Das kleine Städtchen überrascht dann aber den Besucher: ein Kleinod mit Bullerbü-Charme. Dicht gedrängt – wie man es eher vom Dänemark-Urlaub kennt – gruppieren sich die Häuser im Zentrum: Es gibt sogar einen Hafen und mit dem alten Kornspeicher auch ein kleines Kulturzentrum. Ein Ort, der eigentlich geschaffen sein müsste für Familien mit Kindern. Doch Freiburg zeigt schon jetzt, wie es im südlichen Hamburger Umland ohne Zuwanderung aussehen würde. Einige der alten Häuser sind unbewohnt, selbst wenn sie am zentralen Platz stehen. 1970 zählte der Ort noch 9300 Einwohner, aktuell sind es rund 7300. „Überalterung“ sei ein Problem, sagt Erika Hatecke, die Bürgermeisterin in der zuständige Samtgemeinde Nordkehdingen ist.

Und nun kommen noch die düsteren Prognosen für einen weiteren Rückgang hinzu. Seit jüngster Zeit aber ist Bürgermeisterin Hatecke doch wieder zuversichtlich. Und das könnte mit Corona und einer Art Stadtflucht zu tun haben. „Entgegen dem aufgezeigten Trend“ erlebe man wieder ein verstärktes Interesse an der Region, gerade aus dem städtischen Bereich. „In den vergangenen Wochen wurden hier mehr Baugrundstücke verkauft als in den vergangenen letzten fünf Jahren zusammen“, sagt die Bürgermeisterin. Möglich also, dass doch alles anders kommt als die Prognosen vorhersagen.