Landreis Harburg. Nach Wochen des Verbots dürfen die Salons wieder öffnen. Die Landesinnung geht davon aus, dass sich die Pandemie so weiter eindämmen lässt.

Katharina Kalinowsky, Obermeisterin der Friseurinnung im Landkreis Harburg, hat an diesem Vormittag Besuch in ihrem Salon. Noch keine Kunden, sondern Handwerker. In ihrer „Haarschneiderei“ in Tostedt dirigiert sie die Arbeiter, die den Frisierplätzen nun ein brandneues Styling verschaffen sollen. „Wir haben alle Renovierungsarbeiten nachgeholt und uns auf die neuen Vorschriften mit Corona eingestellt“, sagt die Meisterin.

Um die Plätze auf den richtigen Abstand auseinander zu ziehen, müssen neue Kabel verlegt und Föhnbuchsen versetzt werden. Schilder sind neu angebracht und die Kunden sollen künftig per LED ins rechte Licht gerückt werden. 40.000 Euro hat sie für die Zukunft investiert. Die beginnt am 1. März. Die Friseure sind die ersten, die nach einer Entscheidung der Bundeskanzlerin und der Ministerpräsidenten nach dem zweiten Lockdown wieder öffnen dürfen.

Gut 120 Kilometer entfernt entfährt Marc Ringel, dem Geschäftsführer des Landesinnungsverbandes der Friseure in Hannover, ein Stoßseufzer: „Gott sei Dank geht es am 1. März weiter. Es gibt für die Branche wieder eine Perspektive.“ Ringel hatte schon zuvor eine Öffnung zum 15. Februar als alternativlos angemahnt. Ende Januar ließen fast alle Betriebe in Niedersachsen dafür die Lichter in den Salons für 24 Stunden brennen, um auf ihre schwierige finanzielle Situation aufmerksam zu machen. „Die Betriebe stehen oftmals mit dem Rücken zur Wand. Sie hatten zwei Monate keine Einnahmen und die Rücklagen in der Branche sind eher gering,“ weiß der Experte.

Friseurin Katharina Kalinowsky nimmt in ihrem Salon „Haarschneiderei“ in Tostedt erste Anmeldungen für den 1. März entgegen. 
Friseurin Katharina Kalinowsky nimmt in ihrem Salon „Haarschneiderei“ in Tostedt erste Anmeldungen für den 1. März entgegen.  © Unbekannt | Joto

Knapp wurde es auch für die Mitarbeiter, die häufig in die Kurzarbeit wechseln mussten. Ihnen fehlen die Trinkgelder. In den am häufigsten vertretenen Entgeltgruppen 2 und 3 mit Bruttogehältern zwischen 1800 und rund 2000 Euro ist das ein herber Verlust. So gerechnet dürften die gut 200 Beschäftigten gerade noch 50 Prozent ihrer zuvor erzielten Entgelte erhalten haben. „Jetzt jedoch atmen alle auf. Wir hoffen, dass die meisten unserer 1400 Innungsbetriebe die Krise doch noch meistern können“, hofft Ringel.

Hilfe kommt jetzt zudem vom Bund. Seit Mittwoch können auch die 56 Betriebe der Innung im Landkreis die Überbrückungshilfe III beantragen. Mit ihr können die Betriebe zumindest 90 Prozent ihrer Fixkosten, also etwa Miete, Strom und Wasser sowie einen Teil der Leasing-Zahlungen abrechnen. „Insofern war der 10. Februar für uns gleich aus zwei Gründen eine großer Tag“, sagt Kalinowsky. Für ihren Salon erwartet sie für Januar und Februar jeweils 5000 bis 7000 Euro.

Die Folgen von Corona sind mit der Öffnung jedoch noch längst nicht überwunden. Obwohl es zwischen den beiden Lockdowns bei bundesweit rund 700.000 Kunden pro Tag nur 14 nachgewiesene Infektionen in Frisiersalons gab, wird das scharfe Hygienekonzept aufrecht erhalten. Dazu gehören Masken, die Desinfektion der Hände und das Haarwaschen, zumeist mit antiviralen Shampoo, um so zu verhindern, dass die Coiffeure Haarschnipsel mit Viren in ihre Lungen einatmen.

Schwarzarbeit hat sich ungesund entwickelt

„Wir erreichen fast einen OP-Standard“, sagt Kalinowsky und verweist auf eine weitere Vorschrift der Berufsgenossenschaft. Danach sind künftig je Person zehn Quadratmeter Ladenfläche notwendig. Beispiel Haarschneiderei: Drei Friseure, eine Chefin, zwei Auszubildende macht sechs Anwesende. Bei 140 Quadratmetern Fläche sind so noch acht Kunden möglich. Weitere müssten draußen warten. In kleineren Geschäften dürfte es rasch eng werden. Alles für die Gesundheit.

Ungesund entwickelt hat sich während des Lockdowns dagegen die Schwarzarbeit. „Das war extrem“, sagt Landesinnungsgeschäftsführer Ringel ohne Zahlen zu nennen. Ihm fielen etwa beim Einkaufen in Hannovers Innenstadt immer wieder gutfrisierte Passanten auf, obwohl die Salons dicht waren. Obermeisterin Kalinowsky machte einen Test an den Kassen eines Warenhauses und zählte unter 60 Kunden 48 ohne strubbelige Haare. „Mein Bruder hat mir aus dem Darknet, in dem auch Drogen angeboten werden, eine Anzeige zugeschickt. Darin hieß es: Kennt jemand einen Friseur, der helfen kann? In welche Gefilde sind wir geraten?“

Für Ringel zeigt die Entwicklung dabei auch, wie dringend erforderlich die Leistungen der Friseure für die Menschen sind. „Wenn wir jetzt wieder öffnen, entstehen keine neuen Risiken, vielmehr wird die Lage sicherer. Denn das ungeschützte Schneiden ohne Hygienekonzept wird zurückgehen, wenn die Kunden wieder kommen können.“

Eine Kopfmassage als Belohnung für Treue

Die Stammkunden unter ihnen haben jetzt die besten Karten. So hat Katharina Kalinowsky erst einmal die Online-Buchungen ausgesetzt, damit jetzt nicht die Schnellsten und Gewandtesten an der Tastatur zum Zuge kommen. Vielmehr werden nun die Kunden angerufen, die ab der Schließung zum 16. Dezember bereits einen Termin hatten. Für dieses Vorgehen haben sich viele Innungsbetriebe entschieden. „Wer von unseren Kunden nicht selbst geschnitten oder gefärbt hat, erhält eine Belohnung“, verspricht die Chefin der Haarschneiderei. Für die Damen ist ein Reiseset mit Shampoo und Conditioner vorgesehen, Herren können sich bei ihrem zweiten Termin auf eine Kopfmassage freuen.

Einige Kilometer weiter, bei KN Friseure in Winsen, sitzen Kerstin Kröger und Nadine Peters jetzt ebenfalls am Telefon und melden sich bei ihren 600 Stammkunden. „Mit ihnen sind wir komplett ausgelastet“, sagt Kröger. Sie ist zwar nach der politischen Entscheidung noch skeptisch: „Man weiß ja nie, wie lange die Salons offen bleiben können.“ Doch die Kunden seien glücklich und nähmen „jeden Termin“ an. Klar ist für Kröger und Peters: Auch zum 1. März wird es wieder einen passenden Spruch auf einer Tafel vor ihrem Geschäft am Rande der Winsener Innenstadt geben. Dafür sind die beiden Partnerinnen in der Kreisstadt längst bekannt.

Landesinnungsverband

Der Landesinnungsverband des niedersächsischen Friseurhandwerks vertritt insgesamt 14.000 Beschäftigte. Die Mitarbeiter der einzelnen Salons gehören zu 1400 Betrieben in 42 Innungen. Der Verband hat 2017 sein 75-jähriges Bestehen gefeiert. Zur Innung im Landkreis Harburg zählen 56 Betriebe mit gut 200 Friseuren. Obermeisterin ist Katharina Kalinowsky.

An der Spitze in Niedersachsen steht als Landesinnungsmeisterin Manuela Härtelt-Dören aus Göttingen. Geschäftsführer in Hannover ist Marc Ringel. Zu den Aufgaben des Verbandes zählt es, die Berufsbildung sowie die friseurspezifischen, wirtschaftlichen und sozialen Interessen der den niedersächsischen Friseurinnungen angehörenden Mitglieder und der Einzelmitglieder zu fördern.

Der Verband vertritt die Interessen gegenüber Behörden und Politik, setzt die Tarifverträgen für Auszubildende und Arbeitnehmer fest und übernimmt die Öffentlichkeitsarbeit.