Buchholz. Bundesliga-Aufsteiger Buchholz-Rosengarten verliert nach starker Aufholjagd mit 26:27 gegen den siebenfachen Deutschen Meister.

Es war ein Spiel, bei dem man sich eine prall gefüllte Nordheidehalle gewünscht hätte. In der letzten Viertelstunde hätte es kaum einen der bis zu 500 Zuschauer auf dem Sitz gehalten, sie wären aufgesprungen, hätten rhythmisch geklatscht und hätten versucht, ihrer Mannschaft bei der Aufholjagd und auf dem Weg zu einer möglichen Überraschung größtmöglichen Rückenwind zu geben. Nun sind Zuschauer in Zeiten der Corona-Pandemie nicht erlaubt. Und so lag die Aufgabe der Anfeuerung vor Ort auf den schmalen Schultern der wenigen Geschäftsstellenmitarbeiter, die, ausgerüstet mit Trommeln, auf der ansonsten gähnend leeren Tribüne alles gaben.

Alles gaben auch die Spielerinnen der Handball-Luchse Buchholz 08-Rosengarten im verlegten Heimspiel gegen den Thüringer HC. Alles war an diesem Abend in Buchholz aber nicht genug, zumindest sprang kein Punktgewinn für den Aufsteiger heraus. Denkbar knapp mit 26:27 (12:13) mussten sich die Luchse gegen den siebenfachen Deutschen Meister und dreifachen Pokalsieger geschlagen geben. Dabei schien die Messe nach 40 Minuten bereits gelesen. Nach der ersten Halbzeit mit mehr Höhen als Tiefen gingen die Luchse mit einem 12:13-Rückstand in die Kabine. Raus kamen sie alles andere als inspiriert.

Nach 40 Minuten hatten die Gäste sechs Tore Vorsprung

Starkes Mitteilungsbedürfnis. Thüringens Trainer Herbert Müller in einer typischen Szene.
Starkes Mitteilungsbedürfnis. Thüringens Trainer Herbert Müller in einer typischen Szene. © HA | Markus Steinbrück

Die Gäste um Trainerlegende Herbert Müller nutzten die Fehler der Gastgeberinnen, denen im Angriff wenig einfiel, gnadenlos aus und zogen über erweiterte Gegenstöße auf 21:15 davon. Eine erste Auszeit von Coach Dubravko Prelcec verpuffte, Thüringen lag bei 23:17 weiter komfortabel vorn. Dann aber fand die für Mareike Vogel ins Tor gekommenen Zoe Ludwig immer besser ins Spiel und die Umstellung auf 5:1-Deckung mit Evelyn Schulz auf der Spitze zeigte Wirkung. Herbert Müller roch den Braten, wollte seine Mannschaft in einer Auszeit neu einstellen. Doch es war zu spät, jetzt war Luchse-Time, die Aufholjagd lief. „Die Luchse haben zu keiner Zeit aufgesteckt, vor so einer Leistung muss man den Hut ziehen“, sagte Müller später.

Hinzu kam, dass Prelcec nach 45 Minuten erstmals Kim Berndt aufs Feld beorderte. Die 30-Jährige hatte in den vergangenen zehn Tagen aufgrund von Rückenbeschwerden nicht vernünftig trainieren können und sollte eigentlich geschont werden. Allein mit ihrer Anwesenheit verlieh sie dem Rückraum Sicherheit. Die Gastgeberinnen knabberten immer mehr am Vorsprung des Thüringer HC. Louise Cronstedt traf zum 22:24, Zoe Ludwig parierte einen Siebenmeter. Die erste Chance zum Ausgleich vergab Fatos Kücükyildiz beim Stande von 24:25 (56.), ihr Wurf ging weit übers Gehäuse. Thüringen erhöhte wieder auf zwei Tore. Doch nun waren es Kim Berndt zwei Minuten vor dem Ende und Kücükyildiz nach feinem Wackler bei 59:05 Minuten, die auf 26:26 stellten.

55 Sekunden vor Schluss wirft Fatos Kücükyildiz den Ausgleich

Leider kam es, wie es kommen musste. Und wie es wohl nur routinierte Mannschaften praktizieren können. Thüringen spielte etwas Zeit von der Uhr, Herbert Müller legte die grüne Karte auf den Zeitnehmertisch und sagte einen Spielzug über Rechtsaußen an, der letztlich zum Erfolg führte. Melissa Luschnat sah für das Foul an Emma Ekenmann Fernis die rote Karte. Den fälligen Siebenmeter verwandelte zwölf Sekunden vor der Schlusssirene Marketa Jerabkova mit ihrem neunten Tor zum 27:26-Endstand. Aus der schnellen Mitte der Gastgeberinnen entsprang keine wirkliche Torchance mehr. Aus, Schluss, vorbei. Überraschung verpasst.

„Für uns war es heute ein leichtes Spiel, weil wir keinen Druck hatten und gut reingekommen sind“, sagte Rosengartens Trainer Dubravko Prelcec. „Gegen Top-Mannschaften zeigen wir oft gute Spiele. Probleme haben wir dann, wenn wir Punkte holen sollten. Ich denke, wir hätten aufgrund der spielerischen und kämpferischen Leistung einen Punkt verdient gehabt. Wenn nicht heute, wann dann?“ Gästetrainer Herbert Müller, der sich auch als Meister des Reklamierens gegen Entscheidungen der Schiedsrichterinnen aus Hamburg inszenierte, war froh, zwei Punkte mit nach Thüringen nehmen zu können. „Insgesamt haben wir zu oft das Gesicht gewechselt und waren in der Endphase nicht clever genug“, so Müller, dessen Team im Umbruch steckt und erneut einen Europapokalplatz anstrebt.

Wichtiges Nachholspiel am Sonnabend in Bad Wildungen

Melissa Luschnat schließt einen Tempogegenstoß zur 2:0-Führung für die Luchse  ab. Kurz vor Schluss sah die Linksaußen die rote Karte.
Melissa Luschnat schließt einen Tempogegenstoß zur 2:0-Führung für die Luchse  ab. Kurz vor Schluss sah die Linksaußen die rote Karte. © HA | Markus Steinbrück

Für die Handball-Luchse geht es schon an diesem Sonnabend, 19 Uhr, mit dem wichtigen Auswärtsspiel bei der HSG Bad Wildungen weiter. Nach einem Corona-Verdachtsfall bei Buchholz-Rosengarten, der sich nicht bestätigte, war die Partie um eine Woche verschoben worden. „Ich hoffe, dass wir nicht zu viel Energie verbraucht haben und den Rückenwind mitnehmen können. Morgen werden wir die Verletzten zählen und gucken, welche Spielerin Probleme hat“, sagte Prelcec vor dem Duell des Tabellenelften gegen den 13. Das Hinspiel hatten die Luchse mit 24:20 gewonnen.

Um den personell arg gebeutelten Bundesligakader zu vergrößern, sind die Handball-Luchse kurz vor dem Ende der Transferperiode noch mal aktiv geworden und haben drei Talente vom SV Grün-Weiß Schwerin mit einem Zweitspielrecht ausgestattet. Daria Rassau (18, Rückraum Mitte und Kreis), Katharina Böhmker (17, Rechtsaußen) und Hannah Jantzen (21, Rückraum) sollen ihr Können zunächst im Training unter Beweis stellen, um den Luchsen dann nach Möglichkeit im Kampf um den Klassenerhalt zu helfen.

Drei Talente aus Schwerin bekommen Zweitspielrecht

„Wir müssen abwarten und schauen, ob es am Ende reicht. Für uns war es wichtig, den Kader aufgrund einiger Verletzungssorgen groß zu halten. Die Rückrunde wird noch schwer genug“, sagte Luchse-Geschäftsführer Sven Dubau.

„Wir waren mit Buchholz-Rosengarten immer mal wieder im Austausch und hatten schon länger die Idee, als Sammelpunkt für Talente aus Mecklenburg-Vorpommern zu gelten, um sie auf einen Erst- oder Zweitligisten vorzubereiten“, erklärte Schwerins Trainer Steffen Franke. „Sollte es eine von den Dreien auf die Platte in der Bundesliga schaffen, wäre das für uns als Verein die höchste Auszeichnung. Dafür bilden wir doch unsere Spielerinnen aus.“

Grün-Weiß Schwerin spielt wie das Juniorenteam des Buxtehuder SV in der Nord-Ost-Staffel der Dritten Liga. Die Saison wurde nach den ersten zwei Spieltagen unterbrochen und bleibt es mindestens bis zum 28. Februar.

Tore gegen Thüringen: Sarah Lamp (6/1), Louise Cronstedt (5), Fatos Kücükyildiz (4), Maj Nielsen, Evelyn Schulz (je 3), Marleen Kadenbach (2/1), Kim Berndt, Lisa Borutta und Melissa Luschnat (alle 1)