Maschen. Seevetaler Hobby-Historiker gehen auf Streifzug durch ihre Heimat. In einem Buch stellen sie 50 besondere Orte in der Gemeinde vor.

Seevetal hat viele Gesichter. In den fast 50 Jahren ihres Bestehens hat sich die Gemeinde vielerorts stark gewandelt, doch wer genau hinsieht, kann noch zahlreiche Spuren aus der Zeit der früheren Dörfer entdecken. Neues kam hinzu und so sind Orte entstanden, an denen Geschichte spürbar ist der auch der Wandel der natürlichen Landschaft besondere Eindrücke hinterlässt. Solche Orte wollen die Menschen hinter dem Projekt „Streifzüge durch Seevetal“ in einem Buch zusammenstellen. Auf Initiative der Seevetaler Kulturstiftung kümmert sich ein siebenköpfiges Team darum, die Beiträge von insgesamt 26 Autoren zusammenzutragen.

Sie alle verbinde ihre Vergangenheitsliebe, sagt Katrin Lembke-Schlaaff, die für das Buch das alte Lehrerhaus in Maschen besucht hat. Das heutige Dorfhaus wurde 1951 gebaut, als Unterkunft für die dringend benötigten zusätzlichen Lehrer. „Damals kamen mehr als 400 Kinder aus Ostpreußen hierher, die alle unterrichtet werden mussten“, erzählt die heutige Leiterin des Ganztagsbetrieb der Grundschule Maschen, die Geschichte studiert hat.

Zwei Familien teilten sich zu Beginn der 1950er-Jahre ein Bad

Die Lehrer bezogen vier Wohnungen, die jeweils 48 Quadratmeter groß waren – mit den heute hippen Tiny Houses hatten diese wohl wenig gemein. Je zwei Familien teilten sich damals ein Bad. „Die Wohnungen gab es bis in die 1980er-Jahre. Dann hatte sich das Modell überlebt“, sagt Katrin Lembke-Schlaaff. Sie recherchierte in Archiven zur Baugeschichte des Hauses und sucht noch Familien, die dort vor Jahrzehnten gewohnt haben.

Auch der frühere Dorotheenhof in Maschen (hier ein historisches Bild von 1954) wird in dem neuen Buch beschrieben. 
Auch der frühere Dorotheenhof in Maschen (hier ein historisches Bild von 1954) wird in dem neuen Buch beschrieben.  © Gemeindearchiv Seevetal | Gemeindearchiv Seevetal

Ein anderes Maschener Haus, das in dem Buch auftauchen wird, existiert schon lange nicht mehr. Das Grundstück jedoch, auf dem der frühere Dorotheenhof stand, ist heute ein fast verwunschener Garten mit wildwachsenden Rhododendren. Dort, wo ein gut asphaltierter Fußweg mitten durchs Nirgendwo führt, hat sich Arndt-Hinrich Ernst umgesehen. Den Seevetaler Gemeindearchivar, der ebenfalls Mitglied der Projektredaktion ist, interessierten vor allem die historischen Hintergründe dieses Ortes.

„Die Villa wurde in den 1870er-Jahren erbaut, dort lebte der jeweilige Jagdpächter“, erzählt er. Ein prominenter Bewohner war der Hamburger Senator Hastedt, Namensgeber des angrenzenden Hastedtwegs. Der Hof wurde nach seiner Schwester Dorothea benannt, die ebenfalls hier lebte. Der Senator vermachte das Grundstück der Stadt Hamburg, das Haus diente im Zweiten Weltkrieg und den ersten Nachkriegsjahren als Entbindungsheim, später war es ein Jugendheim. Arndt-Hinrich Ernst hofft, noch Bewohner aus dieser Zeit zu finden, um seine Geschichte zu vervollständigen. „Der Hof wurde Mitte der 1980er Jahre abgerissen, aber der Ort ist noch erlebbar.“

Grundidee des Projekts geht auf Ingrid Ahlers-Karlsson zurück

Dieses Erleben und die Gefühle, die die ausgewählten Orte in den 19 Seevetaler Ortsteilen hervorrufen, sollen im Mittelpunkt der Buchbeiträge stehen. Die mittlerweile verstorbene Ingrid Ahlers-Karlsson hatte die Grundidee des Projekts in der Findungsphase in einem Satz zusammen gefasst: „Wir möchten die historischen und naturverbundenen Kostbarkeiten der Gemeinde im Erleben zeigen.“

Dass sich diese auch an eher ungewöhnlichen Ecken zeigen können, hat Gabriele Dummschat erlebt. Sie machte sich auf zu den vier äußersten Punkten des Gemeindegebiets und ließ die Eindrücke auf sich wirken. „Der südlichste Grenzpunkt liegt in Ohlendorf“, sagt die Autorin von Kinder- und Sachbüchern. „Selbst dort, mitten in der Feldmark, gab es interessante Dinge zu entdecken.“ Im Osten, wo der Blick bis in die Vier- und Marschlande geht, stieß sie auf Spuren der großen Sturmflut. „Dort stand zuvor ein Hof. Als der Deich brach, entstand ein solcher Wirbel, dass dort nur noch ein kreisrundes Loch zurückblieb.“

Verlauf des Karoxbosteler Mühlenbachs mit der Drohne dokumentiert

Der Spur des Wassers folgte auch Matthias Clausen, der sich den Verlauf des Karoxbosteler Mühlenbachs genauer angesehen hat und mit einer Drohne dokumentiert hat. Von Eddelsen fließt der Bach an der Mühle vorbei und mündet schließlich in den Seevekanal. „Offenbar wurde der Bach bereits im 17. Jahrhundert umgeleitet, um die Pulvermühle in Meckelfeld anzutreiben“, sagt der Hobby-Historiker. Warum der Bach in Hittfeld kurzzeitig seinen Namen ändert, konnte er noch nicht klären. Fest steht jedoch: Aus dem dortigen Göhlenbach wird kurz darauf wieder der Karoxbosteler Mühlenbach, dessen Wasser durch den Kanal einst bis zum Harburger Schloss floss.

In einem weiteren Beitrag werden die Leser in ein Geheimnis eingeweiht. Autor Joachim von Elsner verrät nur so viel: „Mein Weg führt in eine verwunschene Heidefläche in den Hallonen.“ Auch der Heidedichter Hermann Löns spielt dabei eine Rolle. Wer mehr darüber erfahren will, muss sich noch eine Weile gedulden.

Buch mit mindestens 50 Beiträgen soll zum Gemeindejubiläum erscheinen

Das Buch mit mindestens 50 Beiträgen soll im kommenden Frühsommer erscheinen, pünktlich zum Gemeindejubiläum. Es stehe aber keinesfalls in Konkurrenz zur offiziellen Gemeindechronik betont Arndt-Hinrich Ernst. Vielmehr soll das Buch die vermutlich zeitgleich erscheinende Chronik sinnvoll ergänzen, indem es sich auf die eher persönlichen Geschichten aus Seevetal konzentriert. Für die Umsetzung wird die Kulturstiftung eine Förderung der Leader-Region beantragen. Da ein Teil der Kosten jedoch durch Spenden gedeckt sein muss, bittet die Stiftung auch um Unterstützung in dieser Form.