Buxtehude. Künstlerin erhält „Buxtehuder Kuntstück“. Nun muss sie die Laufwege der Einheimischen kennenlernen, um sie dann nachzunähen

Demjenigen, der sie nicht kennt, entziehen sie sich meist dem Blickfeld: Handelsrouten, Wege der Informationstechnologie, die Straßenadern und Flugstrecken, sprich die Netze, die uns miteinander verbinden. Zumindest ist ein Überblick in Gänze dem Laien nur selten möglich.

Die Künstlerin Andrea Ziegler macht die Verästel- und Verflechtungen des Miteinanders von Orten sichtbar – ganz ursprünglich, so der erste Eindruck, mit Garn auf Stoff. Die 39-Jährige hat nun das Buxtehuder Kunststück erhalten, einen Förderpreis, dotiert mit 2000 Euro, den die Stadt im vergangenen Jahr zum ersten Mal ausgeschrieben hatte.

Ziegler dokumentiert ab Frühjahr Bewegungsabläufe Buxtehudes

Ihre Arbeit steht noch bevor: Ziegler dokumentiert ab dem Frühjahr, nachdem sie sich Orten wie etwa Dresden Gorbitz und dem tschechischen Pilsen widmete, die Bewegungsabläufe Buxtehudes. In dieser Woche stellte sie sich in Buxtehude vor. Genaue Termine, auch zur Ausstellung, sind noch offen.

Im ersten Schritt möchte die Künstlerin, die aus der Oberpfalz stammt und an der HAW in Hamburg ihr Diplom gemacht hat, mit den Bewohnern der Stadt ins Gespräch kommen. Sie möchte über die Wege im Alltag sprechen, mit Jüngeren und Älteren, mit Touristen gleichermaßen wie mit Menschen, die in Buxtehude arbeiten. „Wir fanden die Idee von Anfang an sehr charmant, dass Frau Ziegler tatsächlich vor Ort ist“, sagte Torsten Lange, in Buxtehude für die Bereiche Tourismus und Marketing zuständig und Teil der sechsköpfigen Jury, die den Förderpreis vergibt.

Thema des ersten Wettbewerbs lautete Integration

Der Hamburger Kunsthistoriker Ulrich Rüter bestätigte: „Durch das persönliche Gespräch ist uns die Wahl dann doch sehr leicht gefallen.“ Da aktuell jeder nur noch für sich im eigenen Kämmerlein arbeite, habe das kommunikative Element beim künstlerischen Vorhaben den Ausschlag gegeben.

Andrea Ziegler
Andrea Ziegler © HA | Ziegler

Das Thema des ersten Wettbewerbs lautete Integration. Insgesamt 30 Künstlerinnen und Künstler hatten sich infolge der Ausschreibung für den Kunstpreis beworben. Zusätzlich zum Preisgeld will die Stadt Buxtehude die Umsetzung der künstlerischen Idee mit bis zu 10.000 Euro unterstützen. Voraussetzungen für eine Bewerbung waren ein Wohnsitz in der Metropolregion Hamburg, eine kontinuierliche Ausstellungstätigkeit beziehungsweise ein Kunststudium sowie eine Umsetzung vor Ort.

Ziegler fühlt sich in die Städte mit ihren Bewohnern hinein. Man könnte ja meinen, dass die Wege der Bewohner einer Stadt sich ähneln. Nach dem Motto: Je vielseitiger das Angebot, desto mehr Wege gibt es. Oder größer gedacht: Je globalisierter die Welt, desto dichter das Netz. Dies trifft allerdings nicht immer auf den Einzelnen zu. Welche Möglichkeiten der Alltag bereithält, entscheiden auch die Wahrnehmung, Interessen und ebenfalls die demografischen Merkmale. „Jeder lebt eben doch in seiner eigenen Welt“, erläutert Ziegler ihre Ausgangsposition. Ein älterer Mensch hat einen anderen Radius als ein junger, wobei Corona die Verhältnisse aktuell auf den Kopf stellt.

Das Ergebnis ihrer künstlerischen Reportage, wie sie es nennt, ist subjektiv, eine Momentaufnahme. Auf Vollständigkeit erhebe sie auch überhaupt keinen Anspruch, sagt Ziegler. Ihr Ziel ist es, die Besonderheit Buxtehudes herauszustellen. Weil die Stadt oft als Synonym für die Provinz gebraucht werde, obwohl sie Hansestadt ist und obendrein in der Nähe Hamburgs liege, reize sie das neue Projekt, sagt Ziegler.

Mit der Nähmaschine auf Stoff gebracht, bilden die Bewegungsabläufe, die Ziegler bereits in der griechischen Hafenstadt Mytilini oder im US-amerikanischen Baltimore aufgespürt hat, feine Muster – mal organisch anmutend oder sogar floral, mal eher geometrisch. Dabei haben sie einen ganz eigenen ästhetischen Reiz, erinnern an ein Pilzgeflecht oder an Tinte, die sich in Wasser ausbreitet. Dadurch, dass die Künstlerin Stoff als Untergrund verwendet, erscheinen die von ihr festgehaltenen Bewegungen nicht abgeschlossen und starr, sondern aktiv. Farben wählt Ziegler intuitiv. Für Buxtehude kann sich die Hamburger Künstlerin ein dunkles Rot vorstellen.