Bienenbüttel. Die Initiative „Pro-Contra Wolf“ will einen sachlichen Dialog zwischen Gegnern und Unterstützern des Raubtiers anstoßen.

Der Wolf polarisiert. Die steigende Zahl von Rudeln beunruhigt viele Menschen in Niedersachsen, einige fordern die bisher grundsätzlich verbotene Jagd auf Wölfe in einem gewissen Umfang zu erlauben. Andere setzen sich dafür ein, das Wildtier noch stärker zu schützen.

Alle treibt die Frage um, in welcher Form das Nebeneinander von Mensch und Wolf in einer gemeinsamen Kulturlandschaft gelingen kann. Die Initiative Pro-Contra Wolf aus Bienenbüttel hat sich nun zum Ziel gesetzt, eine offene und sachliche Diskussion über die Zukunft des Wolfs anzustoßen. Der Wolf steht in Deutschland unter Naturschutz, ein Abschuss ist nur in Ausnahmefällen erlaubt. In Niedersachsen leben etwa drei Dutzend Wolfsrudel.

Wie kann Nebeneinander von Mensch und Wolf in Niedersachsen gelingen?

„Rotkäppchen soll leben“ hat Dieter Schmeer die Initiative überschrieben - und einen Zusatz hinzugefügt: „Hier lebe ich“. Er will damit deutlich machen, dass alle Argumente in dieser Diskussion gehört werden sollten, sowohl von Befürwortern als auch Gegnern der aktuellen Wolfspolitik.

Das Logo der Wolfs-Initiative Bienenbüttel:
Das Logo der Wolfs-Initiative Bienenbüttel: "Rotkäppchen soll leben - Hier lebe ich" © Dieter Schmeer | Dieter Schmeer

„Wir müssen weg von der aufgestauten Polemik der vergangenen Jahre“, sagt der Mutterkuhhalter, der zudem Jagdpächter in der Gemeinde ist und mit Artenschutzprojekten auf seinem Hof den Naturschutz fördern will. Der Wolf taucht seit einigen Jahren immer wieder in seinem Leben auf. Schon mehrfach sei er einem Graupelz bei der Jagd begegnet, sagt Dieter Schmeer. „Und bei uns hinter dem Hof heult der Wolf seit mehreren Jahren ab und an in der Adventszeit und regelmäßig im Januar zur Paarungszeit.“

Artenschutz-Erfolg bringt Herausforderungen mit sich

Über die Ziele seiner Initiative informiert er auf einer Internetseite. Dort teilt er unter anderem Informationen der Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf: „Die Rückkehr der Wölfe in die Kulturlandschaft in Deutschland ist einerseits eine Erfolgsgeschichte des Artenschutzes, andererseits birgt sie auch eine Reihe von Herausforderungen.“

Dieses Dilemma kann aus Sicht des Landwirts nur im Dialog gelöst werden. Diese Auseinandersetzung um das Pro- und Contra zum Leben mit dem Wolf will er fördern. Dabei hat er sowohl die Menschen auf dem Land als auch in der Stadt im Blick. Ein Gegeneinander von Stadt- und Dorfbewohnern soll vermieden werden.

Sachliche Diskussion soll den Menschen auch die Angst nehmen

Durch die Rückkehr des Wolfs kommt es immer häufiger auch zu Begegnungen zwischen Mensch und Tier sowie zu Übergriffen auf Nutztieren. „Wie soll man mit diesen Gegebenheiten umgehen, wie kann man sich vor diesen Übergriffen schützen? Hat der Wolf ein Recht, in Deutschland zu leben oder nicht?“ Mit solchen Fragen will Dieter Schmeer die Diskussion in eine zielführenden Richtung lenken.

Vor zehn Jahren sei der erste Wolf in der Region aufgetaucht, mittlerweile seien es mehrere Rudel, sagt er. „Damit nimmt natürlich auch die Zahl der Wolfsrisse zu. Menschen, die in den Wald gehen, finden immer häufiger Wildreste und haben Angst.“ Einige seiner Nachbarn seien auf ihn zugekommen und hätten ihn um Rat gebeten. Er habe ihnen gesagt: „Wenn der Wolf sonntagnachmittags spazieren geht, dann müsst ihr mal zu Hause bleiben.“

Initiator fordert mehr Information und Aufklärung über den Wolf

Im politischen Umgang mit dem Thema sieht Dieter Schmeer noch Nachholbedarf. Er fordert mehr Transparenz und klar abgestimmte Zuständigkeiten. So habe es zum Beispiel im Frühjahr diesen Jahres einen Wolfsriss bei einem Fohlen auf einem Nachbarhof gegeben, erzählt er. „Es war Sonntagmorgen. Alle die ich angerufen habe, sagten nur lapidar, ich solle mich darum kümmern. Wir brauchen Information und Aufklärung.“ Auch das Vorgehen der niedersächsischen Landesregierung ist in seinen Augen mehr Symbolpolitik als echter Fortschritt „Sie will den Wolf ins Jagdrecht aufnehmen, aber dann schützt sie ihn trotzdem ganzjährig.“

Er sei kein Gegner des hier heimischen Wolfs, betont Dieter Schmeer. Dennoch kann es aus seiner Sicht nicht einfach immer so weitergehen mit den Wölfen in Niedersachsen. „Die Rechnung ist doch einfach“, sagt er. „Immer mehr Rudel in immer kleiner werdenden Revieren. Wir laufen doch wie Rotkäppchen sehenden Auges zur Großmutter, die der Wolf schon verschlungen hat. Noch bleibt der Wolf auf Distanz, aber wie lange noch?“

Obergrenze für den Wolfsbestand könnte kommen

Trotz seines Einsatzes für eine offene Diskussion hat der Mann aus Bienenbüttel in der Frage nach der Regulierung des Wolfsbestands eine eindeutige Meinung. „Wenn wir friedlich mit- und nebeneinander auskommen wollen, brauchen wir eine klar definierte Obergrenze der Wolfs­bestände“, sagt er. Ein Gutachten, das Grundlage für eine solche Obergrenze sein könnte, lässt das Umweltministerium derzeit durchführen. Es soll prüfen, wie viele Tiere für den Erhalt der Art erforderlich sind.

Nach Zahlen des Bundesamts für Naturschutz leben in Niedersachsen derzeit 35 Wolfsrudel, nur in Brandenburg wurden im aktuellen Monitoring 2020/2021 mehr Rudel gezählt. Insgesamt wurden in Deutschland 157 Wolfsrudel dokumentiert. Der Deutsche Jagdverband kritisiert jedoch, dass diese Zahlen veraltet seien und kein wirklichkeitsgetreues Bild abgäben.

Niedersachsen stellt das Wolfsmanagement neu auf

Ehrenamtliche Wolfsberater sind in Niedersachsen vom kommenden Jahr an nicht mehr für die Aufnahme von Wolfsrissen zuständig. Dem Niedersächsischen Umweltministerium zufolge soll das Wolfsmanagement neu aufgestellt werden: Die Berater sollen verstärkt über den Wolf informieren und Menschen vor Ort über das Tier aufklären.

Künftig soll wie in vielen anderen Bundesländern die Landwirtschaftskammer (LWK) Wolfsrisse aufnehmen. Das hatte Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies (SPD) Ende Oktober angekündigt. Bereits seit 2020 sei die LWK für die Abwicklung von sogenannten Billigkeitsleistungen zuständig; also der teilweisen Übernahme von Kosten, die bei einem Wolfsriss entstehen. Nun werde alles in eine Hand gelegt.

Die Zahl der Übergriffe der Wölfe auf Weidetiere stieg zuletzt von acht Vorfällen im Jahr 2012 auf 230 bis Oktober dieses Jahres. Dem gegenüber stehen bislang 105 ehrenamtliche Wolfsberater. Das sei nicht mehr zumutbar, sagte der Minister.