Harburg/Buchholz. Radverkehrsexperten sehen Ampellösung am Kreisel in Buchholz kritisch und fordern Bau von Unterführung. Der Politik ist das zu teuer.
Er kann den Anblick nicht vergessen, auch wenn der Vorfall schon ein paar Jahre zurückliegt. Casten Stein, Radverkehrskoordinator im Bezirksamt Harburg, war damals auf dem Weg zur Arbeit, als er auf der Eißendorfer Straße ein Kind mit seinem Fahrrad liegen sah. Es war von einem Auto angefahren. „Das Bild verfolgt mich bis heute“, sagt Stein. Seitdem gilt für den Fachmann in Sachen Radverkehr die oberste Priorität: „Radwege müssen so gebaut werden, dass sie sicher sind.“
Auch deshalb lassen ihn die Planungen für den neuen Kreisverkehr am nördlichen Eingangstor der Stadt Buchholz nicht mehr ruhig schlafen. Und obwohl Carsten Stein für die Radverkehrsthemen im Landkreis gar nicht zuständig ist, hat er entschieden, sich einzumischen. Die Pläne des Landkreises sehen vor, die bisherige Ampelschaltung an der Hamburger Straße / Nordring / Dibberser Straße (K13) / Buenser Weg durch einen Kreisverkehr mit 50 Quadratmetern Durchmesser zu ersetzen. Radfahrer und Fußgänger sollen per Bedarfsampel über die Straße geleitet werden. 1,45 Millionen Euro soll das neue Bauwerk kosten. Die Planer halten dies für die günstigeste und sicherste Lösung.
Fachmann aus Hamburg-Harburg kritisiert die Lösung
Carsten Stein kann darüber nur den Kopf schütteln. Für den Fachmann aus Harburg schließen sich Kreisverkehr und Ampelschaltung per se aus. „Wir brauchen an dieser Stelle eine sichere Lösung für alle Verkehrsteilnehmer“, sagt er. Möglichkeiten gebe es viele. Man müsse nur mal nach Holland schauen oder ins dänische Kopenhagen. „Die haben tolle Ideen – da kann man eine Menge abkupfern“, sagt er. Für den Nordringkreisel in Buchholz könnte sich Carsten Stein folgende Lösung vorstellen: „Die Fahrbahn für den Autoverkehr wird um 1,50 Meter zum Kreisverkehr hin angehoben, die Radwege werden 1,50 Meter nach unten abgesenkt, so dass die Radfahrer unter der Straße hindurchfahren können.“ Eine solche Lösung gebe es zum Beispiel im niederländischen Städtchen Houten – und sie funktioniere fantastisch.
Carsten Stein ist nicht der einzige, der die Pläne für den Nordring-Kreisel kritisiert und die verantwortlichen Politiker auffordert, über alternative Lösungen nachzudenken. Auch TUHH-Student Maximilian Reich hat sich Gedanken um eine sichere Radweglösung für den Knotenpunkt gemacht. Er schlägt eine Rampenlösung vor, die Radverkehr und Fußgänger über die Straßen hinweg führt. „Die derzeitige Planung für den neuen Kreisverkehr sieht für den Fußgänger und Radverkehr eine wartepflichtige Führung vor“, sagt er. „Hierbei soll für den Arm des Nordrings eine Querungsmöglichkeit mit Sprunginsel eingerichtet werden und die Hamburger Straße über eine versetzte Anforderungsampel gequert werden. Auf diese Weise wird zwar eine sichere Querung der Hamburger Straße ermöglicht, es besteht jedoch keine Sicherheit bei der Querung des Nordrings.“
Bedeutung des Knotens für Radverkehr wird in Zukunft größer
Um in Zeiten der Verkehrswende dem zu fördernden Fußgänger- und Radverkehr eine hohe Sicherheit und einen hohen Komfort an diesem Knoten zu bieten, wäre eine planfreie Querungsmöglichkeit die hochwertigste Lösung. „Die Bedeutung des Knotens für den Radverkehr wird voraussichtlich in Zukunft weiterzunehmen“, so der Student der Verfahrenstechnik. „Im Rahmen der Planung und des Baus des Radschnellweges Tostedt - Buchholz – Hamburg kann der Knoten den Teil eines Anschlusses darstellen.“ Auch deshalb seien die Planungen für den Radverkehr an dieser Stelle von besonderer Bedeutung.
Das sieht auch Karin Sager vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club Kreisverband Harburg e.V. so. Die Vorsitzende befürchtet, dass mit der jetzigen Lösung ein weiterer Gefahrenschwerpunkt geschaffen werde. „Die Planung des Kreisels berücksichtigen ausschließlich den beschleunigten Kfz-Verkehr. Fuß- und Radverkehr, insbesondere die Bedeutung für den Schulverkehr, werden hier vollkommen ignoriert.“ Gern hätte Karin Sager ihre Einwände persönlich im Bau- und Planungsausschuss des Landkreises vorgetragen. Doch ihr wurde in der vergangenen Sitzung kein Rederecht eingeräumt.
Landkreis hält Rampen für zu teuer, Unterführungen für bedrohlich
Stattdessen führte Stephan Zins vom Betrieb Kreisstraßen des Landkreises in einem halbstündigen Vortrag die Nachteile einer Tunnel- oder Querungslösung am neuen Kreisverkehr aus. Anlass war ein Änderungsantrag der Freien Wähler/Unabhängige, die Verkehrswege von Kfz-Verkehr und Fußgänger/Fahrradverkehr auf der Achse K13, sprich dem Schulweg, zu trennen. Zins’ Fazit: Rampen seien zu teuer, Unterführungen für Fußgänger bedrohlich. Zudem würden neue Planungen den Start der Bauarbeiten verzögern. „Ein Baubeginn von Unter- oder Überführung wäre aufgrund von umfangreichen Eingriffen in Privatflächen und einem aufwendigen Planfeststellungsverfahren dann nicht vor 2025 möglich“, so Zins. „Ich sehe das nicht als wirklich realisierbar an.
Die Kosten sind vollkommen unverhältnismäßig.“ Radverkehrskoordinator Carsten Stein und seine Mitstreiter wollen dennoch nicht aufgeben und hoffen, dass ihre Vorschläge noch vor der Kreistagssitzung am 30. Juni von der Politik erhört werden. „Der neue Kreisverkehr bietet eine Menge Chancen, die Mobilität der Zukunft sicher und sinnvoll zu gestalten“, so Stein. „Es wäre fatal, wenn wir diese Chancen nicht nutzen.“