Winsen. Gelder von Unternehmen sprudeln auch dank erfolgreicher Neuansiedlungen. Gleichzeitig ist das Land bei Zuschüssen in Verzug.
Die Kreisstadt Winsen ist bislang gut durch die Corona-Krise gekommen. Die beiden Haushalte für 2020 und 2021 gelangen mit Überschüssen. Erst für 2022 wird ein Defizit von gut 3,5 Millionen Euro erwartet. Zuvor hatte ein Rekordergebnis bei den Gewerbesteuern die Kassen der Stadt gefüllt. Am kommenden Dienstag, 7. Dezember, soll nun zum ersten Mal im Wirtschafts- und Finanzausschuss über den Haushalt 2022 diskutiert werden. Der Entwurf hat ein Volumen von 63,2 Millionen Euro. Die Fraktionen dürften das Zahlenwerk zunächst intern beraten.
Allein 28 Millionen Euro hat die Gewerbesteuer der Stadt Winsen in diesem Jahr eingebracht. „Ein Rekordwert“, wie Kämmerer Matthias Parchatka sagt. Veranschlagt waren 13,8 Millionen Euro. Von der Summe stammen 18,5 Millionen Euro aus dem Aufkommen von 2021. Der Rest waren Nachzahlungen von 2019 und 2020. Für das kommende Jahr hat Parchatka noch eine Million Euro mehr als für 2021, also 19,5 Millionen Euro, als Einnahme veranschlagt.
Top-Ten der 600 Gewerbesteuerzahler stehen für 53 Prozent der Einnahmen
Vor allem Firmen, die mit Laborbedarf und Hygieneartikeln handeln, haben ihre Umsätze während der Krise ausweiten können. Dazu kommen erfolgreiche Neuansiedlungen im Gewerbegebiet Luhdorf und nicht zuletzt der US-Versandhausriese Amazon. „Wir haben die richtigen Firmen angesiedelt“, freut sich der städtische Finanzchef ohne Namen zu nennen. Das verbietet ihm das Steuergeheimnis. Nur so viel: Die Top-Ten der insgesamt 600 Gewerbesteuerzahler stehen allein für 53 Prozent der Einnahmen.
Die Steuereinnahmen stützen die Haushaltslage für 2022. Aber das gute Ergebnis 2021 führt nun dazu, dass der Finanzausgleich vom Land für 2022 auf knapp zwei Millionen Euro sinkt. In diesem Jahr hatte Niedersachsen noch 9,7 Millionen Euro überwiesen. Deshalb hat sich die Verwaltung nach dem ersten Entwurf, bei dem das Minus noch bei sechs Millionen Euro lag, um Einsparungen bemüht. Ergebnis: Über alle Ressorts wurde eine halbe Million Euro gestrichen, beim Personal können knapp 180.000 Euro eingespart werden und die Mittel für die Kinderbetreuung wurden auf 11,1 Millionen Euro gedeckelt, obwohl 12,5 Millionen Euro nötig wären.
Das Land ist mit Personalkostenzuschüssen zwei Jahre im Rückstand
Damit soll der Bereich aber nicht heruntergefahren, sondern das Land aufgefordert werden, seinen Pflichten nachzukommen. „Das Land ist mit der Abrechnung der Personalkostenzuschüsse inzwischen zwei Jahre im Rückstand. Wir erwarten, dass sich dieser Rückstand innerhalb der kommenden zwei Jahre zumindest halbiert“, so Parchatka.
Klar ist in Winsen: Die Investitionen werden nicht verringert. Vielmehr soll 2022 erneut eine Rekordsumme erreicht werden. Geplant sind nach 20,6 Millionen Euro 2020 und 23 Millionen Euro 2021 nun 25,1 Millionen Euro. „Wir bleiben dabei, die Wirtschaft zu stärken. Zudem wollen wir dort, wo es notwendig und sinnvoll erscheint, investieren, um Mittel von Bund und Land zu nutzen“, erklärt Parchatka. Insgesamt rechnet er mit Fördermitteln von mehr als fünf Millionen Euro.
Investitionen in erster Linie für Schulen und Kindertagesstätten
Im Vordergrund bei den Investitionen stehen Schulen und Kindertagesstätten mit insgesamt 9,6 Millionen Euro. In diesen Bereich fallen der Neubau der Sporthalle an der Alten Stadtschule, die Erweiterung des Lehrerzimmers in der Grundschule Borstel, die Sanierung des Kindergartens in Borstel oder der Bau des Kindergartens in Tönnhausen. 5,3 Millionen sind für den Tiefbau vorgesehen. Dazu zählen der Ausbau des Radverkehrs oder Ausgaben für die beiden Bebauungspläne Kleiner Brümmelkamp und Luhedeich sowie für die Straßenbeleuchtung.
Mehr als 3,65 Millionen Euro sind für den Kauf von Grundstücken vorgesehen, um auf neue Bedarfe reagieren zu können. Für die Digitalisierung an Schulen soll knapp eine Million Euro fließen und für die dortigen Lüftungsanlagen knapp 270.000 Euro. Um alles bewältigen zu können, sollen Kredite von 12,7 Millionen Euro aufgenommen werden.
Kämmerer :Kreisstadt Ende 2020 mit 9,4 Millionen Euro verschuldet
Parchatka rechnet nicht damit, trotz des Fehlbetrags im Haushalt Einsprüche von der Kommunalaufsicht zu erhalten. Der Hintergrund: Die Verwaltung erzielt weiter Überschüsse aus ihrer Tätigkeit, um ausreichend tilgen zu können. Zudem sollen in den kommenden Jahren insgesamt wieder Überschüsse erzielt werden. Dennoch stellt der Kämmerer der Stadt Winsen klar: „Die Zeiten sind vorbei, in denen die Stadt ohne zusätzliche Finanzmittel auskommen kann.“
Wie jedes Jahr hat er zum Haushaltsentwurf eine Hochrechnung der finanziellen Lage bis Ende 2025 vorgelegt. Danach war die Kreisstadt Ende 2020 mit 9,4 Millionen Euro verschuldet. Würden alle vorliegenden Kreditermächtigungen ausgereizt, würden diese Schulden bis zum Ende des Planungszeitraums auf 55,3 Millionen Euro steigen. Auf jeden Einwohner kam 2020 ein Minus von 267,58 Euro. Den Durchschnitt in Niedersachsen hatte das Landesamt für Statistik für Städte ähnlicher Größe auf 841 Euro berechnet.
Pro-Kopf-Verschuldung in Winsen lag 2020 bei 267,58 Euro
Damit schneidet Winsen derzeit nicht schlecht ab. Bei Schulden von 55,3 Millionen Euro würde die rechnerische Pro-Kopf-Verschuldung allerdings auf 1500 Euro steigen. „Wir müssen darauf achten, uns nicht zu übernehmen“, warnt Kämmerer Matthias Parchatka. „Denn das würde den Handlungsspielraum des neu angetretenen Rates deutlich schmälern.“