Vierhöfen. Neuer Nachwuchs: Auf dem Landsitz zwischen Vierhöfen und Salzhausen hält der Hamburger Schleppjagd-Verein 74-köpfige Meute.
Wenn Heiko Lindner zu seinen Hunden geht, ertönt ein vielstimmiges, erwartungsvolles Bellen aus den Zwingern. Die heißen hier Kennel und sind großzügige Freigehege. Hier, am ehemaligen Bullenstall vom Gut Schnede, im Dreieck zwischen Vierhöfen, Garstedt und Salzhausen, lebt die Meute vom Hamburger Schleppjagd-Verein.
74 Hunde der Rasse English Foxhound wuseln in der Außenanlage umher, getrennt in mehrere Gruppen. Lindner kennt sie alle mit Namen. In einem Kennel sind deutlich kleinere Hunde aktiv: Am zweiten Januar hat die Meute Nachwuchs bekommen.
Es ist der O-Wurf – O wie Obama
Acht junge Foxhounds sind auf dem Weg vom Spielalter zum Erwachsenwerden und werden schon bald auf die Jagd gehen. Es ist der O-Wurf: Obama und Osbourne sind darunter und messen spielerisch ihre Kräfte mit Olivia, Otto oder Obelix. Die ersten Wochen verbrachten die Welpen mit Hundemama Lise im alten Stallgebäude. Mitte Februar begann für sie die Freiluftsaison, mit Schutzhütte, Stroh und notfalls auch Rotlichtlampe gegen Kälte.
Der Hundevater heißt Einstein und sei ganz sicher kein dummer Hund, sagt Lindner, der als „Huntsman“ die Hunde betreut. „Wir haben ihn im April 2019 aus Irland zugekauft, denn die Meute braucht ab und zu frisches Blut. In Irland hat er noch echtes Wild gejagt, aber das hat er inzwischen vergessen.“
Zwei Reiter legen eine künstliche Duftspur aus
In Deutschland wird dagegen eine künstlich gelegte Duftspur verfolgt. Sie wird vor der Jagd von zwei Reitern ausgelegt. Früher geschah das mit einem Lappen oder einer Metallkugel, die hinter dem Pferd hergeschleppt wurden, daher der Name. Heute nehmen die Fährtenleger einen Kanister mit, aus dem der magische Geruch heraustropft, und legen damit die Strecke fest. Sie führt durch offenes Gelände und über mehrere aufgebaute Hindernisse. Zumindest für die Reiterinnen und Reiter der ersten Startgruppe.
Bis zu 15 Kilometer durch Feld und Flur
Wer in der zweiten Gruppe unterwegs ist, muss nicht springen, sondern kann um die Hindernisse herumreiten. Zum Teil gibt es eine dritte Gruppe, vor allem für den Reiternachwuchs. Vor knapp 40 Jahren hatte Heiko Lindner als Achtjähriger den Vater begleitet und mit seinem Pony in einer solchen Gruppe geritten – die Schleppjagd ließ ihn nicht mehr los. Vor gut neun Jahren machte der gelernte Sprengstoffhundeführer sein Hobby zum Beruf und akzeptierte das Angebot, Huntsman beim Hamburger Schleppjagdverein zu werden.
Die älteste aktive deutsche Hundemeute
Die jungen Hunde sind Mitglieder einer traditionsreichen Gemeinschaft. „Unsere ist die älteste aktive deutsche Meute“, sagt Lindner. Der Nachwuchs geht bei ihm jetzt in die Lehre. Viel beibringen müsse er ihm jedoch nicht, denn das erledigen vor allem die älteren Tiere, so Lindner: „Wie in der Natur schauen sich die Kleinen das Verhalten bei den Großen ab.“
Lindner hat den acht Halbstarken zwei „Onkels“ zur Seite gestellt, die den Großteil der Erziehung übernehmen. Denn Meutehunde müssen nicht menschlichen Befehlen wie „Sitz!“ oder „Platz!“ gehorchen, sondern sehr sozial und gute Teamarbeiter sein sowie auf Rufe oder Pfiffe heraneilen. Und während der Jagd nur der Duftspur und nicht einem aufgeschreckten Hasen hinterherrennen. „Wenn das ein Hund macht, dann schaue ich mir das zwei, drei Mal an. Wenn es dann nicht aufhört, wird er nicht mehr mitgenommen.“
30 bis 35 Veranstaltungen im Jahr
Zu 30 bis 35 Veranstaltungen reist Lindner in normalen Jahren mit seinen Tieren – 2020 waren es nur zehn. Meist sind es Schleppjagden, zum Teil werden die Hunde nur präsentiert. Wer eine Schleppjagd ausrichten möchte, wendet sich an den Verein und bucht die Meute. 30 bis 40 Hunde sind dann im Einsatz, denn alte, kranke und läufige Tiere bleiben zuhause. Je nach Größe der Veranstaltung kassiert der Schleppjagd-Verein 500 bis 1500 Euro für die Meute. Nur so lässt sie sich in einem Verein mit knapp 300 Mitgliedern (zwei Drittel Reiter, ein Drittel Hundeliebhaber) finanzieren. Hinzu kommen Spenden und Patenschaften für die einzelnen Hunde.
Die teilnehmenden Reiter werden vom Veranstalter, aber auch vom Schleppjagd-Verein eingeladen. Sie folgen auf ihren Pferden den Hunden auf einer um die 15 Kilometer langen Strecke. Sie ist in mehrere Abschnitte mit Zwischenstopps unterteilt, an denen Hunde und Pferde verschnaufen können. Lindner: „Die Hunde bekommen Wasser, sie brauchen eine Auffrischung, damit die Nase feucht bleibt.“
Foxhounds sind ideale Familienhunde
Er reist mit den Tieren in Norddeutschland umher, etwa zur Schleppjagd vom Gut Basthorst (Kreis Herzogtum Lauenburg) oder zur Großveranstaltung in Sudermühlen bei Egestorf, an der um die 100 Reiter teilnehmen. Rund acht Jahre lang wird die O-Generation durch die Feldmark hasten, bevor sie ins Rentnerdasein übergeht. Dann dürfen die Hunde in der Meute bleiben oder werden als „ideale Haushunde“ (Lindner) an Liebhaber abgegeben.