Walsrode. Ginseng-Wurzeln gelten in Asien als Königin der Heilpflanzen. In einem kleinen Lüneburger Heide-Dorf wird Ginseng seit Jahrzehnten angebaut

Nicht etwa in China, sondern in der Lüneburger Heide werden jetzt im Herbst besondere Wurzeln geerntet: Ginseng. Auf der FloraFarm Ginseng“ in Bockhorn bei Walsrode wird die aus Asien stammende Heilpflanze seit Jahrzehnten angebaut. 

Zur Ernte rattert der Siebkettenroder über das Feld, die Maschine hebt die Ginseng-Wurzeln aus dem Boden. Dort sammeln Erntehelfer die kostbaren Heilwurzeln auf und legen diese in Weidekörbe. „Wir roden diesmal in zwei Tagen, weil das Wetter schlechter werden soll“, sagt Gesine Wischmann, Leiterin der Farm. Es müsse schnell gehen, denn bei Regen sei die Ernte sehr schwierig. Das Feld ist etwa einen Hektar groß, der Ertrag beträgt mehrere hundert Kilo „Menschenwurzeln“, wie Ginseng wegen seiner Form auch genannt wird. 100 Gramm kosten mehr als 100 Euro.

„Wir haben sechs verschiedene Beete, von der Aussaat bis zur Ernte dauert es sechs Jahre“, erklärt Gesine Wischmann. Jedes Jahr werde nur auf einem Feld geerntet. Dort könne dann erst in 25 Jahren wieder Ginseng angebaut werden. In dem Betrieb werden insgesamt neun Hektar mit Ginseng bebaut. Nach Angaben der Chefin ist ihr Hof der einzige Produzent von Ginseng in Europa.

Ginseng ist hierzulande ein Nischenprodukt

Gesine Wischmann, Leiterin der Florafarm in Bockhorn, hält ein Glas mit einer in Alkohol eíngelegten Ginseng-Wurzel in den Händen.
Gesine Wischmann, Leiterin der Florafarm in Bockhorn, hält ein Glas mit einer in Alkohol eíngelegten Ginseng-Wurzel in den Händen. © dpa | Peter Steffen

„Ginseng ist hierzulande ein Nischenprodukt, das wegen des aufwendigen Anbaus wohl bis auf weiteres auch eine Nische bleiben wird. Anders als zum Beispiel bei Süßkartoffeln erwarten wir keine Ausweitung seitens der Landwirte“, sagt Sonja Markgraf, Sprecherin des Landvolks Niedersachsen. Dass die Verbraucher verstärkt Ginseng-Produkte nachfragen, passe zum allgemeinem Trend des steigenden Gesundheitsbewusstseins.

Die exotischen Ginseng-Wurzeln werden direkt vom Feld auf den Hof gebracht und gewaschen. Dann werden sie in Körbe gelegt und kommen in einen Trockencontainer, wo sie drei bis vier Wochen trocknen. Danach werden sie kleine Wurzelstücke geschnitten. „Wir haben wenige Kunden, die ganze Wurzeln kaufen“, sagt die Inhaberin. Sie vermarktet den Ginseng direkt und verkauft nicht an die Industrie.

Die Wirkstoffe im Ginseng gelten als belebend für Körper und Geist und stärken das Immunsystem. Das Extrakt der Wurzeln wird in Kapseln zum Einnehmen und in Kosmetikprodukten verarbeitet. „Rund 14 Monate dauert es von der Wurzel bis zur fertigen Kapsel, das ist ein sehr großer Aufwand“, berichtet Gesine Wischmann, die die Florafarm gegründet hat. Als Betriebswirtin arbeitete sie früher in der Pharma-Industrie. Ihre Schwester Henrike Rodemeier ist Agraringenieurin und so ergänzen sich die beiden. In dem Familienbetrieb werden auch noch Roggen und Blaubeeren angebaut. 

Für den Verkauf braucht man eine Zulassung

„Für den Verkauf von Ginseng braucht man eine Zulassung. Und man muss ein Pharma-Unternehmen sein – das sind die Voraussetzungen“, erklärt die Chefin. Auf der FloraFarm werde ausschließlich koreanischer Ginseng nach strengen Leitlinien kultiviert, denn nur dieser sei in Deutschland für medizinische Zwecke zugelassen. Gesine Wischmann lässt den Ginseng in Firmen in Niedersachsen und ganz Deutschland nach eigenen Rezepturen verarbeiten.

Seit fast 40 Jahren wird auf dem Hof Ginseng angebaut. Ihr Vater habe die Idee gehabt: „Er hatte in einem Zeitungsartikel vom Ginseng-Anbau gelesen und suchte eine Alternative zur klassischen Landwirtschaft“, berichtet Gesine Wischmann. Ginseng werde in Asien als die Königin der Heilpflanzen verehrt und gegen Gold aufgewogen. So fing der Anbau klein an. Es sei sehr schwierig gewesen, Saatgut zu bekommen. Auch Informationen habe man kaum erhalten – es gab nur chinesische und russische Texte.

„Da Ginseng Schatten braucht, haben wir zunächst in einem Waldstück nahe des Hofes angebaut. Aber das ging nicht gut“, sagt die Inhaberin. Deshalb wechselten sie auf das freie Feld und bauten schattenspendende Planen über den Pflanzen auf. „Ginseng ist eine Staude, von Mai bis September hat sie Blätter und Blüten und ist zu sehen“, schildert die 56-Jährige. Dann falle das Grün der Pflanze ab und vertrockne sehr schnell. „Der Herbst ist die beste Erntezeit, dann sind die Wirkstoffe in der Wurzel und nicht mehr in den Blättern“, erklärt Wischmann.

Ginseng benötigt nicht viel Wasser

Mitarbeiterin Katja Küntzel wäscht auf der Florafarm die Wurzeln mit einem Hochdruckreiniger.
Mitarbeiterin Katja Küntzel wäscht auf der Florafarm die Wurzeln mit einem Hochdruckreiniger. © dpa | Peter Steffen

Ginseng benötige nicht viel Wasser und werde in kleinen Hügeln angebaut – ähnlich wie Spargel – damit das Wasser ablaufen kann. Doch die Trockenheit im vergangenen Jahr habe den Pflanzen zu schaffen gemacht. Die Saat sei nicht aufgegangen und habe sich nicht zu Ende entwickelt. Die Felder werden aber nicht bewässert. Bislang habe es immer genug Wasser gegeben, meist sei es eher zu feucht gewesen, sagt die Chefin.

„Aufgrund der schlechten Entwicklung in 2019 gibt es keine Saat – das ist für uns schwierig“, betont Wischmann. Die Saat wird aus den roten Früchten der Pflanzen gewonnen. Zudem hatten Mäuse die Wurzeln angefressen. Mäuse seien ein Problem, im vergangenen Jahr ganz besonders, sagt Gesine Wischmann. In diesem Jahr sei die Ernte besser.