Braunschweig/Göttingen. Schon länger klagen viele Kita-Träger über Schwierigkeiten, ihre Stellen adäquat zu besetzen. Wenn zur kräftezehrenden Pandemie noch Krankheitswellen kommen, wird es in vielen Einrichtungen richtig eng.
Abgesagte Elterngespräche, verkürzte Öffnungszeiten oder ganze Schließungen - in vielen niedersächsischen Kitas herrscht derzeit alles andere als ein Betreuungsalltag. "Die Corona-Pandemie hat viele Erzieherinnen ausgebrannt, und jetzt schlagen Grippewellen voll ein", sagte Jörg Schnitzerling vom ASC Göttingen, der über eine Tochtergesellschaft fünf Kitas mit etwa 350 Plätzen und rund 150 Erzieherinnen in der Stadt betreibt.
Bisher schafften es die Einrichtungen des ASC noch, die Lage zu meistern. "Die Situation hat sich aber verschärft", betonte der Vereinsvorsitzende Schnitzerling. Es gehe in den Kitas aber nicht kurzfristig um Krankheiten und die Pandemie. "Der Markt für Personal ist seit einigen Jahren leer gefegt", sagte Schnitzerling. Die im Sommer beschlossene Reform des Kita-Gesetzes helfe wenig, weil sie Ansprüche festschreibe, aber zu wenig an Ausbildung ändere, kritisierte der ASC-Vorsitzende. Diese sollte seiner Meinung nach mehr in den Betrieben erfolgen.
Der Städte- und Gemeindebund in Niedersachsen (NSGB) bestätigte auf Anfrage, dass sich aktuell Meldungen häuften, dass es schwierig sei, ausreichend geeignetes Personal zu finden. "Ich halte es für unumgänglich, dringend Abstriche bei den Standards zu machen, wenn ein Träger nicht in der Lage ist, das notwendige Personal zu gewinnen", sagte NSGB-Sprecher Marco Mensen. Ohne Ausnahmeregelungen und mehr Menschen für eine qualifizierte Tätigkeit in Kitas werde der derzeitige Betreuungsstandard nicht zu halten sein.
"Wir wissen, dass die Personallage in der Kindertagesbetreuung oftmals angespannt ist", sagte Ulrich Schubert aus dem Kultusministerium in Hannover dazu. Die Ausbildungskapazitäten seien daher an den entsprechenden Fachschulen massiv ausgeweitet worden und verzeichneten deutliche Anstiege bei den Absolventen. Jährlich machen sich dem Ministerium zufolge rund 500 junge Menschen auf den Weg, Erzieher oder Sozialpädagogischer Assistent zu werden. In diesem Jahr sei erstmals die Marke von 17.000 Schülerinnen und Schüler, die einen für die Kindertagesbetreuung berufsqualifizierenden Abschluss erwerben, geknackt worden.
Um für den weiteren Bedarf auszubilden und Fachkräfte im Berufsfeld zu halten, hält aber auch das Ministerium weitere Anstrengungen für nötig. Die Kita-Reform vom Sommer schreibt unter anderem die stufenweise Einführung von mehr Personal in den Kindertagesstätten vor. Ausnahmegenehmigungen seien darin auch schon verankert, sagte Schubert. Handlungsbedarf werde in diesem Punkt nicht gesehen.
In der aktuellen Lage ist dem Ministeriumssprecher zufolge aber klar, dass die Pandemie viele Beschäftigte im Bereich Betreuung belastet und Kita-Träger ebenso wie Erzieherinnen vor große Herausforderungen stellt. Abwanderungstendenzen aus dem Beruf, wie etwa in der Pflege, seien aber derzeit nicht erkennbar.
"Eine solch angespannte Situation hatten wir noch nie", hatte etwa die Stadt Braunschweig Ende Oktober angesichts krankheitsbedingter Personalausfälle vermeldet. Es gebe weiterhin einen relativ hohen Krankenstand, sagte ein Stadtsprecher aktuell dazu.
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