Hannover. Einen langen Weg zum Arzt will kaum jemand in Kauf nehmen. Doch gerade auf dem Land schließen viele Praxen und Krankenhäuser. Eine Landtagskommission hat Vorschläge zum Gegensteuern gemacht.
Die ärztliche Versorgung in Niedersachsen soll eine neue Struktur bekommen. Einige Spezialleistungen sollen künftig konzentriert und die derzeit rund 170 Krankenhäuser in drei Stufen unterteilt werden: als Grund-, Schwerpunkt- und Maximalversorger. Abseits der Ballungsräume sollen regionale Gesundheitszentren mit Haus- und Fachärzten, aber auch stationären Bereichen die Versorgung ergänzen. Darüber hinaus soll eine Landarztquote die Betreuung auf den Dörfern sicherstellen. Das hat eine Kommission des Landtags nach zweijährigen Beratungen am Montag vorgeschlagen.
In den letzten Jahrzehnten sei die medizinische Versorgung zu oft wirtschaftlich statt vom Patienten her gedacht worden, sagte der SPD-Gesundheitspolitiker Uwe Schwarz. Als Beispiel nannte er, dass immer wieder Patienten früher als ratsam das Krankenhaus verlassen müssten. Die Corona-Krise habe der Kommission in dieser Hinsicht in die Karten gespielt, weil sie die Bedeutung des Gesundheitswesens noch einmal hervorgehoben habe. Die Vorschläge:
KRANKENHÄUSER: Bisher gibt es in Niedersachsen offiziell erst zwei Krankenhäuser, die als Maximalversorger gelten - die Medizinische Hochschule Hannover und die Universitätsmedizin Göttingen. Künftig sollen es sieben sein, indem Braunschweig, Oldenburg, Osnabrück, Rotenburg und demnächst Georgsheil in Ostfriesland hinzukommen. Die Maximalversorger müssen praktisch alle medizinischen Disziplinen abdecken und mindestens 600 Betten bereitstellen.
"Es wird kein Krankenhaus schlechter gestellt, sondern es werden mindestens fünf besser gestellt", betonte Schwarz. Der Krankenhausplan des Landes, der seit 1985 immer fortgeschrieben worden sei, soll dafür überarbeitet werden. Krankenhäuser, die ihren Auftrag wiederholt nicht erfüllen, könnten ihren Status dann, anders als bisher, auch verlieren. "Wenn Sie Listen sehen, wie viele Krankenhäuser sich regelmäßig am Wochenende vom Notarzt- und Rettungsdienst abmelden, ist das in manchen Regionen nicht witzig."
GESUNDHEITSZENTREN: Derzeit stehen jedes Jahr zwei bis drei Krankenhäuser vor dem Aus, wie Schwarz sagte. Ein Krankenhaus dürfe aber nicht ersatzlos wegfallen. Die Gesundheitszentren sollen deshalb in unterversorgten Regionen rund um die Uhr zur Verfügung stehen - mit einer Mischung aus Arztpraxis und stationärer Versorgung. "Auch wenn die OP in einem größeren Krankenhaus stattfindet, kann die Nachsorge stationär vor Ort geleistet werden, und auch Besuch kann empfangen werden", erklärte Volker Meyer von der CDU.
LANDARZTQUOTE: Damit es überall genügend Hausärzte gibt und nicht nur in den Großstädten, schlägt die Kommission - wie von der Regierung schon vor einem Jahr angekündigt - eine Landarztquote vor. Das heißt, ein Teil der Medizin-Studienplätze soll an Bewerber gehen, die sich verpflichten, später in einem unterversorgten Gebiet zu arbeiten. Auf eine Region festlegen müssen sie sich dafür noch nicht. Allerdings ist die Planung sehr langfristig - schließlich dauere die Ausbildung der Ärzte oft 12 bis 15 Jahre, erklärte Schwarz.
NOTRUFNUMMERN: Bisher wird die Notfallversorgung Meyer zufolge oft falsch in Anspruch genommen. "Oft wissen Hilfesuchende nicht, an welche Stelle sie sich wenden sollen." Die Notrufe der Nummern 112 und 116 117 sollen deswegen künftig in Leitstellen der Landkreise gebündelt angenommen und von dort an die zuständigen Stellen weitergegeben werden. Das soll die Notaufnahmen entlasten und mehr Raum für die tatsächlichen Ernstfälle schaffen.
REAKTIONEN: Grüne und FDP stimmten dem Abschlussbericht der Kommission zu, übten an einigen Stellen aber Kritik. So forderten die Grünen eine Verdopplung der Krankenhausfinanzierung auf 520 Millionen Euro im Jahr. Die FDP mahnte, die Gesundheitszentren dürften nicht stärker öffentlich gefördert werden als andere Versorger. Außerdem sei die Landarztquote nicht zielführend und für eine Zusammenlegung der Notrufnummern gebe es "keine ausreichende Überschneidung".
Der Präsident des Städte- und Gemeindebundes, Marco Trips, reagierte erleichtert, dass "anfängliche Zentralisierungsfantasien einzelner Experten" zu den Akten gelegt worden seien. Der Städtetag warnte indes, dass die vorgeschlagene Einstufung der Krankenhäuser im Hamburger Umland und in Wolfsburg zu Engpässen führen könnte.
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