Berlin/Hamburg. An Hunderten Kilometer Nordseeküste müssen Deiche aufgestockt werden. Den benötigten Baustoff könnte Elbschlick liefern. So zumindest lautet eine Idee des Bundes, wie die ständig wiederkehrende Elbverschlickung in den Griff zu bekommen wäre.
Der Bund hat das teure und wachsende Schlickproblem in der unteren Elbe zur Chefsache erklärt. Gemeinsam mit den Elbanrainern Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen will die Bundesregierung in den kommenden Jahren ein grundlegend neues Konzept an den Start bringen, um das Thema dauerhaft anzugehen. Das kündigte der Parlamentarische Staatssekretär im Verkehrsministerium, Enak Ferlemann, am Dienstag in Berlin an. "Der Bund, und das ist für alle heute neu, bekennt sich sehr klar zu dieser Aufgabe aus dem geänderten Bundeswasserstraßengesetz heraus." Mit der jüngsten Novelle dieses Gesetzes haben sich die Zuständigkeiten des Bundes im Verhältnis zu den Ländern Anfang Juni deutlich erweitert.
In und um den Hamburger Hafen muss mit hohem Kostenaufwand immer wieder Schlick ausgebaggert werden, damit der nach Rotterdam und Antwerpen drittgrößte Seehafen Europas leistungsfähig bleibt. Damit Schiffsanläufe reibungslos klappen, gilt das auch für den Elblauf, der die recht tief im Binnenland gelegene Millionenstadt mit der Nordsee verbindet. Ferlemann sieht hier eine Aufgabe des Bundes, "um hier an der Unterelbe für geordnetere Verhältnisse zu sorgen".
Umweltverbände kritisierten, es gehe "leider nicht um den Naturraum der Tideelbe, sondern ausschließlich darum, die Zugänglichkeit des Hamburger Hafens zu sichern und eine Lösung für den Schlick zu finden". Die Überlegungen nützten nur den wirtschaftlichen Interessen, seien kein Gewinn für die Natur "und die Planer wissen nicht, ob das von ihnen erdachte System tatsächlich funktioniert", heißt es in einer gemeinsamen Mitteilung der Organisationen Bund, Nabu und WWF. "Es haben wieder die Leute, die gleichzeitig für alle Probleme der Tideelbe verantwortlich sind, angeblich neue Lösungen entwickelt. Die Elbe ist am Ende, der Fluss mit Flora und Fauna größtenteils kaputt."
Das Schlickproblem wird nach Ferlemanns Worten größer, weil die Oberelbe nach wasserarmen Jahren tendenziell weniger Wasser führe - auch seit mit dem Ende des Braunkohletagebaus riesige Mengen an Elbwasser zur Flutung der früheren Kohlegruben genutzt würden. Damit verändere sich zudem das Wechselspiel von Ebbe und Flut: "Aus der Nordsee kommt mehr Eintrag in die Elbe als der Ebbstrom wieder herausbringt." Verstärkt werde dieser Effekt noch durch die Elbvertiefungen, von denen die letzte erst vor wenigen Monaten vollendet wurde.
Bei den Baggerarbeiten fallen Millionen Tonnen Schlick an. Ein Teil des Schlicks landete bisher gleich hinter der Hamburger Landesgrenze bei Neßsand in der Elbe, um binnen weniger Wochen zurückgespült zu werden. "Wir nehmen Bagger, um den Schlickanfall dort zu beseitigen, wo er uns stört, legen ihn irgendwo anders ab, die Elbe räumt das da wieder ab und legt das genau wieder dahin, wo wir es nicht haben wollen", sagte Ferlemann. Diese "Kreislaufbaggerei" sei für "Bund und Länder eine sehr teure Angelegenheit, die eigentlich keinen Sinn macht".
Sofern der Schlick aus der wenig schadstoffbelasteten Unterelbe stammt, könnte das Sediment nach Vorstellungen des Bundes künftig zu Baustoff verarbeitet werden, der zum Beispiel im Deichbau genutzt werden kann. "Nach den Untersuchungen, die wir gemacht haben, ist er hervorragend geeignet, zu einem Baustoff zu reifen, und zwar zu Klei", sagte Ferlemann. "Klei ist ein sehr wertvoll gewordener Baustoff, der nicht mehr so einfach überall gewonnen werden kann, den man aber braucht, um im Zuge des Klimawandels die Deiche erhöhen zu können." Ferlemann sprach von einer "klassischen Win-Win-Situation".
Schwieriger ist der Umgang mit schadstoffhaltigem Schlick direkt aus dem Hafen. Hier braucht Hamburg langfristig Alternativen zu der vertraglich mit Schleswig-Holstein vereinbarten Deponierung an der Tonne E3 südlich von Helgoland. Ferlemann favorisiert dafür die so genannte Ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ) weit vor der norddeutschen Küste.
Der in Hamburg zeitweise diskutierten Idee, für Hafenschlick eine Deponie vor der Insel Scharhörn einzurichten, erteilte Ferlemann eine Absage: "Der Bund unterstützt das nicht. Die Hamburger sehen das anders", sagte er. "Der Bund hat sehr früh deutlich gemacht, dass wir eine Verbringung in unmittelbare Nähe des Wattenmeeres für nicht zuträglich halten. Das Wattenmeer ist die Kinderstube der Fische, es ist eines der wertvollsten Naturgebiete, die wir auf der Welt haben und da gilt es, jeglichen Schutz für dieses wertvolle Naturreservat zu haben." Ferlemann sprach sich dafür aus, eine gemeinsame Lösung zu finden. "Da sollte nicht ein Land zu Lasten anderer eine Lösung machen, wo man sagt, das kann man allein regeln."
Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies (SPD) begrüßte die "klare Haltung" des Bundes. "Denn klar ist: Mit uns ist eine Deponie vor Scharhörne für den Hamburger Hafenschlick nicht machbar", ließ Lies mitteilen. Es führe kein Weg an einer nationalen Hafenkooperation vorbei. "Wir hoffen – und erwarten auch – von Hamburger Seite, dass auch dazu ein konstruktiver Weg eingeschlagen wird."
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