Spiekeroog . Pferde und Wagen der traditionsreichen Inselbahn stehen wegen eines maroden Deichtors still. Das Inselmuseum plant einen neuen Weg.
Dicke, weiße Sandsäcke versperren die roten Tore des Pferdebahnscharts auf der Insel Spiekeroog - ein Provisorium. Denn das alte Deichtor, das sonst die Gemeinde vor Sturmfluten schützt, ist in die Jahre gekommen und marode. Zwar sichern die dicken Pakete mit Kiessand nun das Dorf, die traditionsreiche Pferdebahn aber, deren Trasse vom Inselort durch das Schart bis zum Insel-Westend verläuft, ist abgeschnitten. Im ganzen vergangenen Jahr ruhte der Betrieb - der Pferdebahn drohte das Aus.
„Viele Gäste waren unglaublich traurig, dass die Bahn nie wieder fahren könnte“, berichtet Hille Schreiber vom Inselmuseum, das die historische Bahn von 1885 betreibt. Spiekeroog ohne Pferdebahn? Auch für viele Insulaner ein kaum vorstellbarer Gedanke. Lange wurde nach möglichen Lösungen gesucht: Das stete Auf- und Abbauen der Sandsäcke für die Saison wäre ein zu großer Aufwand für den Museumsverein. Und auch ein Neubau des Deichscharts kam nicht infrage. „Das würde bis zu zwei Millionen Euro kosten“, sagt Schreiber, der selbst Bauingenieur ist. Eine Summe, die die kleine Insel nicht übrig hat.
Doch der Verein ließ nicht locker: Mit Hilfe eines Ingenieurbüros konnten die Insulaner nun eine Lösung ausmachen - die kostet zwar auch viel Geld, allerdings weniger als die Alternativen. „Nun ist eine doppelreihige Dammbalken-Sicherung geplant“, erklärt der Vorsitzende des Inselmuseums Dieter Mader. Dazu sollen in der alten Führung, in der die roten Tore stehen, künftig Dammbalken aus Metall in neu zu bauende Stahlbetonwände als Hochwasserschutz eingesetzt werden. Sie übernehmen quasi die Sandsackfunktion in der Sturmflutsaison zwischen Oktober und März - sind allerdings deutlich leichter und schneller zu bewegen als die schweren Sand-Pakete.
Küstenschutz gibt grünes Licht
Der Küstenschutz prüfte das Vorhaben und gab bereits grünes Licht. Zwar sei grundsätzlich jede Lücke im Deich eine Schwachstelle, gibt der Sprecher des Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN), Carsten Lippe, zu bedenken. „Kurz- bis mittelfristig ist diese Lösung aus unserer Sicht aber gangbar.“ Der Verein rechnet damit, dass mit dieser Lösung die Pferdebahn zumindest in den nächsten zehn Jahren fahren könnte.
Der Plan also steht - doch es gibt noch einen Haken: Auch der Einbau der Dammbalken kostet eine Menge Geld, die der Verein allein nicht aufbringen kann. „Wir haben eine Kostenschätzung gemacht. Die liegt bei rund 100 000 Euro“, erklärt Vereinsmitglied Schreiber. „Nun sind wir dabei das Geld zusammenzubekommen.“ Unter dem Titel „Rettet die Pferdebahn“ ruft der Verein im Internet zu Spenden auf.
Neben Insulanern, Freunden und Verwandten setzt der Verein vor allem auf Gäste, die für den Erhalt der Bahn in die Tasche greifen könnten. Gerade bei Familien sei die Tour mit dem Wagen, der abwechselnd von den Zugpferden Tamme und Eddie gezogen wird, sehr beliebt, sagt Mader. Zuletzt fuhren rund 15 000 Menschen mit dem Gespann. „Erste Spenden sind schon eingegangen, aber wir hoffen, dass noch weitere kommen.“
„Die Museumspferdebahn ist ein Kulturgut“
Spiekeroogs Bürgermeister Matthias Piszczan (CDU) sieht den Verein vor einer „Mammutaufgabe“, er hofft aber ebenso auf den Erfolg. „Ich bin sehr zuversichtlich, dass Tamme und Eddie bald wieder lostrotten und Gäste über unsere Insel bringen werden.“ Spiekeroog ohne das traditionsreiche Gespann mag auch er sich nicht vorstellen. Schließlich gebe es auch nirgendwo sonst in Europa noch eine ähnliche Pferdebahn, die auf ihrer originalen Trasse verkehre. Die Bahn mache mit den Reiz der Nordseeinsel aus.
Geht es nach den Bekundungen auf der Website des Inselmuseums, wo Spenden einlaufen, sehen viele das ähnlich: „Die Museumspferdebahn ist ein Kulturgut“, schreibt dort eine Spenderin. Ein anderer bekräftigt: „Tradition darf nicht sterben.“ Sollte die Finanzierung klappen, will der Verein als Dankeschön alle Spender ab 10 Euro auf einer Tafel neben dem dann ausrangierten Deichtor verewigen.
Noch bewegt sich die Spendensumme im unteren fünfstelligen Bereich. Falls es eng wird, würde der Verein versuchen, zur Differenz einen Kredit aufzunehmen, erklärt Schreiber. „Aber ich bin guter Dinge, dass wir es schaffen.“ Schon in diesem Frühjahr soll die Pferdebahn wieder über die Gleise rollen - durch das marode Deichschart.