Hannover. Tourismus, Gastronomie, Einzelhandel – Niedersachsen will die Corona-Beschränkungen vorsichtig lockern. Was sich nun ändert.

Niedersachsen will das Land für Tourismus öffnen - allerdings nur in Städten und Kreisen mit einer Sieben-Tage-Inzidenz von unter 100. Ab dem kommenden Sonntag gilt dies für niedersächsische Touristen, alle anderen können vermutlich in zwei bis drei Wochen folgen. Hotels und Campingplätze gehen wieder an den Start, Ferienwohnungen können bezogen werden, die Restaurants machen auf.

Das hat Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) am Dienstagmittag mitgeteilt. Wichtigste Voraussetzung für Urlaub in Niedersachsen: Die Touristen müssen sich regelmäßig auf Corona testen lassen.  Etwa Zweidrittel der niedersächsischen Städte und Kreise liegen unter der Inzidenzgrenze von 100.

Mehr Möglichkeiten und Freiheiten soll es zudem für Menschen mit einem tagesaktuell negativen Corona-Test und bereits vollständig geimpfte Menschen geben. Wieder öffnen soll für diese Gruppen der komplette Einzelhandel. Auch im Bereich Tourismus und Gastronomie soll es erste Öffnungen geben, erklärte Wirtschaftsminister und Vize-Regierungschef Bernd Althusmann (CDU). Gekoppelt werden soll dies an eine Kontaktnachverfolgung, Zugangsbeschränkungen und einem Hygienekonzept.

Niedersachsen lockert die Corona-Beschränkungen

Auch in Bezug auf die Schulen und Kitas gibt es Neuerungen: Niedersachsen verabschiedet sich von seinem strikten Corona-Kurs an Schulen und ermöglicht Wechselunterricht wieder für alle Schulen unterhalb einer Sieben-Tage-Inzidenz von 165. Auch die Kindertagesstätten wechseln unterhalb dieser Inzidenz wieder in den eingeschränkten Regelbetrieb, kündigte Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD) an. Die Lockerungen greifen vom kommenden Montag an. Niedersachsen setzt damit die erweiterten Möglichkeiten für den Schulunterricht um, die die Bundesregeln für Hotspots bereits ermöglichen.

Bernd Althusmann (CDU), Wirtschaftsminister in Niedersachsen, und Barbara Havliza (CDU), Justizministerin in Niedersachsen, unterhalten sich im niedersächsischen Landtag.
Bernd Althusmann (CDU), Wirtschaftsminister in Niedersachsen, und Barbara Havliza (CDU), Justizministerin in Niedersachsen, unterhalten sich im niedersächsischen Landtag. © dpa | Hauke-Christian Dittrich/dpa

Wechselunterricht, das sogenannte Szenario B, bedeutet, dass eine Hälfte der Schüler in der Schule unterrichtet wird, während die andere Hälfte zu Hause lernt. Viele Schüler in Niedersachsen befinden sich inzwischen seit knapp fünf Monaten im reinen Distanzunterricht und haben ihre Schule seit Mitte Dezember nicht mehr besucht.

Corona-Lockerungen: So geht es in Niedersachsen weiter

Die weiteren mit der neuen Corona-Verordnung des Landes ab kommendem Wochenende ins Auge gefassten Lockerungen stellen Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) und Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) nach einer Kabinettssitzung am Dienstag vor. Neben dem Tourismus und der Schul-Thematik geht es um Gastronomie sowie den Einzelhandel.

Nach Angaben des Robert Koch-Instituts sank die landesweite Sieben-Tage-Inzidenz am Montag von 101,7 auf 99,5. In 16 der 45 Kreise und Großstädte liegt die Zahl der Neuinfektionen je 100 000 Einwohner binnen sieben Tagen noch über 100.

Mehrere Tourismusregionen, Verbände und das Gastgewerbe hatten im Vorfeld von der Landesregierung gemeinsam eine rasche Antwort auf ihre Vorschläge für vorsichtige Öffnungen verlangt. Der finanzielle Druck auf die Betriebe sei mittlerweile so hoch, dass man jetzt endlich handeln müsse, erklärte der Harzer Tourismusverband am Montag auch stellvertretend für weitere Organisationen und Firmen aus der niedersächsischen Branche: "Viele Existenzen sind bedroht, wichtige Leistungsträger können nicht auf Überbrückungshilfen des Bundes zugreifen - flankierende Dienstleistungs- und Servicebereiche leiden ebenfalls massiv unter dem ausbleibenden Gästeaufkommen."

Die wichtigsten Corona-Themen im Überblick

Der Harz-Verband schloss sich mit Kollegen aus weiteren Regionen, den Landesablegern des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) sowie des Bundesverbands der Campingwirtschaft und mit den niedersächsischen Heilbädern zusammen. Sie wollen an diesem Donnerstag (6. Mai) Details ihrer Forderungen bekanntgeben. "Seit nunmehr sechs Monaten befindet sich die Tourismusbranche deutschlandweit im Lockdown", hieß es vorab. "Öffnungsperspektiven sind nicht in Sicht. So kann es nicht bleiben." Auch Touristiker aus Sachsen-Anhalt und Thüringen wollen sich demnach beteiligen.

Ostfriesische Inseln wollen für Tourismus öffnen

Auch die Ostfriesischen Inseln haben auf Öffnungssignale für Tourismus und Gastgewerbe gewartet. Das von den Inseln vorgelegte Pilotprojekt zur Öffnung des Tourismus wird in seiner zunächst geplanten Form nicht kommen, wie Langeoogs Bürgermeisterin Heike Horn (parteilos) am Montag mitteilte. "Es wird eine Pandemieverordnung geben, die für ganz Niedersachsen gilt, bei der es für die Inseln keine Ausnahmeregelung geben wird", sagte Horn nach einem Gespräch mit Gesundheitsministerin Daniela Behrens und Umweltminister Olaf Lies (beide SPD) und den Inselbürgermeistern.

Auf zentrale Punkte des Konzeptes wie etwa eine umfassende Teststrategie solle aber bei künftigen Öffnungen zurückgegriffen werde, sagte Horn. Umweltminister Lies sagte mit Blick auf die Bestandteile des Öffnungs-Konzept der Inseln im Anschluss an das Gespräch: "Ich bin überzeugt, dass sich ein ganz großer Teil davon, auch in der nächsten Verordnung schon wiederfindet und sicherlich auch in folgenden Verordnungen, die wir noch erarbeiten."

Die geplanten Lockerungen in Niedersachsen im Überblick:

  • Einzelhandel: Wieder öffnen soll für negativ Getestete und Geimpfte der komplette Einzelhandel, und zwar ohne Terminvereinbarung vorab. Ein zu Hause gemachter Selbsttest reicht nicht aus, Genesene allerdings werden mit negativ Getesteten gleichgestellt.
  • Gastronomie: Die Gastronomie soll von Montag an zunächst draußen und zwei Wochen später auch drinnen mit einem Hygienekonzept wieder öffnen dürfen, dort dann mit einer Kapazitätsbegrenzung auf 50 Prozent. Es greift eine Sperrstunde um 23 Uhr, eine Tischreservierung ist nicht erforderlich.
  • Tourismus: Der Tourismus werde für voraussichtlich drei Wochen zunächst nur für Einwohner Niedersachsens geöffnet. In Hotels, Ferienwohnungen und auf Campingplätzen seien wieder touristische Übernachtungen möglich mit einer Kapazitätsbegrenzung von 60 Prozent, gekoppelt an negative Schnelltests oder einen Impfnachweis. Bei Ferienwohnungen- und häusern soll es eine Wiederbelegungssperre von einem Tag geben. Erforderlich ist ein negativer Schnelltest bei der Anreise, in Hotels sind danach tägliche Testungen nötig, in Ferienwohnungen zweimal wöchentlich. Wann auch Menschen aus anderen Bundesländern in Niedersachsen Urlaub machen können, ist noch nicht geklärt.
  • Kultur: Eine Öffnungsperspektive gibt es auch für touristische und kulturelle Einrichtungen, für Museen, Ausstellungen, Gedenkstätten, Zoos und Freizeitparks, auch im Innenbereich. Erlaubt ist eine Auslastung von maximal 50 Prozent, ein Hygienekonzept ist erforderlich. Auch Kulturveranstaltungen im Freien sollen wieder möglich werden bei festen Sitzplätzen, Wahrung von Abstand und einer Maskenpflicht. Möglich würden damit etwa wieder Freilufttheater oder auch Konzerte, sagte Althusmann.
  • Sport: Für Kinder wird Kontaktsport im Freien wieder für bis zu 30-köpfigen Gruppen gestattet - damit wären etwa wieder Fußballspiele möglich. Begründet wird die Lockerung damit, dass Kinder für den Schulbesuch zweimal wöchentlich auf das Coronavirus getestet werden. Kontaktfreie Sportangebote sollen auch für Erwachsene möglich sein bei zwei Meter Abstand zwischen den Betroffenen und mindestens zehn Quadratmeter Fläche pro Person. Dabei wird von den erwachsenen Teilnehmern ein negativer Test oder Impfnachweis erwartet.
  • Schule: Das Land ermöglicht Wechselunterricht wieder für alle Schulen unterhalb einer Sieben-Tage-Inzidenz von 165. Auch die Kindertagesstätten wechseln unterhalb dieser Inzidenz wieder in den eingeschränkten Regelbetrieb. Die Lockerungen greifen vom kommenden Montag an. Niedersachsen setzt damit die erweiterten Möglichkeiten für den Schulunterricht um, die die Bundesregeln für Hotspots bereits ermöglichen.
  • Impfkampagne: Die Planung ist, dass in einem Monat die Mehrheit der Niedersachsen zumindest ein Mal geimpft ist. „Das heißt, mit jedem Tag kommt mehr Sicherheit in das System rein und das in Verbindung auch mit den saisonalen Effekten, das gibt uns die Zuversicht dass wir insgesamt jetzt auf einem richtigen Weg sind“, sagte Weil.