Der ehemalige Serbenführer soll unter anderem für das Massaker von Srebrenica, bei dem 8000 Muslime ermordet wurden, verantwortlich sein. Schwerbewaffnete Einheiten der serbischen Polizei mussten das Gebäude, in dem Karadzic festgehalten wird, sichern. Details zu Karadzics Verhaftung am Mittag.
Belgrad. Nach jahrelanger Flucht ist der wegen Kriegsverbrechen gesuchte frühere Präsident der bosnischen Serben, Radovan Karadzic, festgenommen worden. Die Festnahme sei am Montagabend erfolgt und "eine Aktion der serbischen Sicherheitsdienste" gewesen, erklärte das Büro des serbischen Präsidenten Boris Tadic. Die französische EU-Ratspräsidentschaft begrüßte die Festnahme als "wichtigen Schritt auf dem Weg hin zu einer Annäherung Serbiens an die EU." Lob für Belgrad kam auch von den USA und dem UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag.
Serbien steht seit Jahren unter erheblichem internationalen Druck, mutmaßliche Kriegsverbrecher an das Tribunal auszuliefern.
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Karadzic ist wegen Völkermordes und anderer Verbrechen angeklagt. So wird er beispielsweise gemeinsam mit dem damaligen Befehlshaber der bosnisch-serbischen Streitkräfte, Ratko Mladic, für das Massaker von Srebrenica verantwortlich gemacht, bei dem 8000 Muslime ermordet wurden. Karadzic war seit zehn Jahren untergetaucht.
Nach der Festnahme versammelten sich in der Nacht Dutzende seiner Anhänger vor dem Gerichtsgebäude in Belgrad, in dem der Festgenommene dem Untersuchungsrichter vorgeführt wurde. Schwerbewaffnete Einheiten der serbischen Polizei zogen in der Nacht zum Dienstag vor dem Gebäude auf. Auch die US-Botschaft, die bereits im Februar im Kosovo-Konflikt zur Zielscheibe serbischer Ultranationalisten geworden war, wurde von der Polizei geschützt.
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Mehrere Anhänger Karadzics vor dem Gebäude wurden festgenommen, nachdem sie auf Reporter losgegangen waren. Karadzic wird von vielen Serben immer noch als Patriot verehrt. "Karadzic, du Held", riefen seine Anhänger, und "Tadic, du Verräter".
Über die genauen Umstände bei der Festnahme gibt es widersprüchliche Berichte. Seine Anwältin Sveta Vujacic erklärte, der 63-Jährige sei bereits am Freitagmorgen in einem Linienbus festgenommen und dann festgehalten worden, bis er am Montag dem Untersuchungsrichter vorgeführt worden sei.
Dagegen verlautete aus Polizeikreisen, Karadzic sei nach wochenlanger Beobachtung in einem Haus in einem Belgrader Vorort festgenommen worden. Zuvor habe es einen Tipp von einem ausländischen Geheimdienst gegeben.
Mit Autokorsos und Hupkonzerten feierten bosnische Muslime in der Nacht zum Dienstag in Sarajewo die Festnahme Karadzics. Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer in der bosnischen Hauptstadt. Viele Bewohner zogen jubelnd, singend und tanzend auf die Straßen.
Der Chefankläger des Haager Tribunals, Serge Brammertz, gratulierte den serbischen Behörden zu der Festnahme. "Das ist ein wichtiger Tag für die Opfer, die seit über einem Jahrzehnt auf diese Festnahme gewartet haben", sagte er. "Es ist auch ein wichtiger Tag für die internationale Justiz, da dies klar vor Augen führt, dass niemand außerhalb des Gesetzes steht und dass alle Flüchtigen früher oder später der Justiz überstellt werden."
Sollte Karadzic nach Den Haag ausgeliefert werden, wäre er der 44. Serbe, der dem Tribunal überstellt wird. Prominentester Verdächtiger war bislang der frühere serbische Präsident Slobodan Milosevic, der 2000 gestürzt wurde und 2006 in Untersuchungshaft in Den Haag starb.
Dem Bosnien-Krieg von 1992 bis 1995 fielen rund 250 000 Menschen zum Opfer, etwa 1,8 Millionen wurden in die Flucht getrieben.
Bei seiner ersten Vernehmung durch den Staatsanwalt hat Radovan Karadzic zu den Vorwürfen geschwiegen. Der früher korpulente Mann sei abgemagert und verweigere die angebotene Nahrung, sagte sein Anwalt Svetozar Vujacic am Morgen in Belgrad. Das ganze Verfahren gegen ihn sei eine "Farce", habe der 63-Jährige dem Untersuchungsrichter gesagt. Ein Gerichtsmediziner hat Karadzic noch in der Nacht untersucht und ihm eine stabile gesundheitliche Verfassung bescheinigt, sagte der Anwalt weiter.
Einzelheiten über die Verhaftung von Karadzic, die nach Darstellung des serbischen Nationalen Sicherheitsrates am Montagabend in Belgrad erfolgt sein soll, sind weiter unklar. Karadzic behauptete nach Darstellung seines Anwaltes, er sei bereits am Freitagabend verhaftet worden. Man habe ihn aus einem Linienbus geholt, der zwischen Neu-Belgrad und der nahe gelegenen Gemeinde Batajnica verkehrt. Ihm sei eine Kappe übers Gesicht gezogen worden, so dass er die Umstände seiner Verhaftung nicht kenne. Seitdem sei er "in einem Raum" festgehalten worden.
Der Untersuchungsrichter hatte Karadzic zugesagt, diesen Behauptungen nachzugehen. Die serbischen Behörden wollen sich um 11 Uhr zu den Details der Verhaftung äußern.