Klar: Wenn Pop-Star Nena eine Schule eröffnet, ist das Medieninteresse riesig. Doch für die Sängerin stehen die Kinder im Mittelpunkt und nicht sie selbst. In einer Rahlstedter Gründerzeitvilla hat Nena jetzt ihr Schulkonzept vorgestellt.
Hamburg. Pop-Sängerin Nena schüttelt ungläubig den Kopf und schlägt die Hand vor die Stirn. "Ich fasse es nicht! Wir sitzen hier als Schulgründer! Das ist so unwirklich, aber anderseits so lebensnah", sagt die 47-Jährige und lächelt zufrieden in die Runde. Vor ihr drängen sich am Mittwoch in einer Gründerzeitvilla im Hamburger Stadtteil Rahlstedt zahlreiche Journalisten, denn erstmals stellt die Musikerin und vierfache Mutter die Pläne für die von ihr mit ins Leben gerufene "Neue Schule Hamburg" vor. 65 Schüler sollen dort künftig altersübergreifend nach dem Prinzip der "Sudbury Valley School" lernen. Bei diesem verstärkt auf Demokratie setzenden Konzept entscheidet jeder selbst, was, wann und wie er lernt.
"Ich bin der tiefen Überzeugung, dass jedes Kind ein Recht auf freie Entfaltung hat", sagt Nena. "Wir wollen ihm diesen Raum dafür bieten." Die Philosophie der Schule basiere auf zwei Pfeilern - Vertrauen in die Kinder und konsequente Demokratie. Es bedeute, auf die dem Menschen angeborene Neugier zu setzen. "Jeder lernt lesen, schreiben, rechnen - bei uns allerdings zu seiner eigenen Zeit", erläutert ihr zwölf Jahre jüngerer Lebensgefährte Philipp Palm, der künftig einer der drei Schulleiter sein wird. Nenas eigene Kinder besuchen Waldorfschulen, möglicherweise zwei von ihnen aber künftig die "Neue Schule". 150 Euro monatlich zahlen Eltern, bei 340 000 Euro liegt das Jahresbudget. "Wir sind auf Spenden angewiesen", sagt Nena.
Noch ist die von der Stadt erworbene Villa (Nena: "Andere kaufen sich eine Yacht, wir uns eine Schule") baufällig. Ein Plan im Erdgeschoss zeigt, wie die 500 Quadratmeter gestaltet werden sollen. Musikräume, Sprach- und Wissenschaftslabors, Lese- und Ruheräume sowie eine Küche mit Speisesaal warten von September an auf die Schüler. Innerhalb einer festen Kernzeit müssen die Kinder anwesend sein, dann werden ihnen verschiedene Angebote unterbreitet. Es gibt weder 45-minütige Unterrichtsstunden noch Klassen, und Noten erhält nur, wer möchte. Abschlüsse müssen vorerst noch an anderen Schulen abgelegt werden, da das Projekt zwar genehmigt, aber noch nicht als Ersatzschule staatlich anerkannt ist.
"Aktenweise Auflagen" hätten sie erfüllen müssen, berichtet Nena, lobt aber die Hamburger Schulbehörde für ihre "sehr mutige und fortschrittliche Entscheidung". Wenn sie auf das staatliche Schulsystem zu sprechen kommt, reagiert die Musikerin sehr leidenschaftlich. "Warum dürfen Kinder nicht lernen, wann sie wollen? Nicht trinken oder aufs Klo gehen, wann sie wollen?", kritisiert sie. "Keiner von uns würde sich so etwas bieten lassen, aber unseren Kindern tun wir das an." Hin und wieder reicht sie eine an sie gerichtete Frage an den neben ihr sitzenden Palm weiter, weil sie doch "zu emotional" reagieren würde.
Dennoch richten sich die Kameras vor allem auf die prominente Mitbegründerin, auch wenn diese betont: "Das ist keine Nena-Schule! Es geht um die Kinder und deren Eltern und hat nichts mit der Pop- Sängerin zu tun." Schon jetzt musste die Schule eine Warteliste eröffnen, da noch etwa 40 zusätzliche Anmeldungen vorliegen. Anfragen zu dem Konzept seinen aus dem gesamten Bundesgebiet eingetroffen, berichtet Nena, die ihre eigene Schulzeit als "langweilig" in Erinnerung behalten hat. Sie habe nie verstanden, warum sie da jeden Tag hingehen müsse. "Wir sind die erste Schule in Deutschland, die so konsequent auf Demokratie setzt", sagte die Künstlerin. "Ich möchte, dass wir uns alle diese Freiheit gönnen."