Als das Abendblatt seine Harburg-Redaktion eröffnete, wurde auch der Bau des Harburger Rings begonnen. Als er fertig war, konnte er die Harburger nicht überzeugen
Als die Redaktion der Harburger Rundschau 1973 in der Lüneburger Straße ihre ersten Büros bezog, gaben Abrissbirnen und Dampframmen den Takt in der Stadt an. Ein großer Teil der Harburger Innenstadt verschwand und an seiner Stelle klaffte ein riesiges Loch. Dort hinein kam der Harburger S-Bahn-Tunnel und darüber der Harburger Ring.
Anders als die Bahn, wird der Ring von den Harburgern allerdings nicht gefeiert. Auch 45 Jahre nachdem die ersten Teile des Rings zum Befahren freigegeben wurden und 35 Jahre, nachdem er komplett eröffnet wurde, wird der Harburger Ring immer noch als Fremdkörper in der Stadt empfunden. Daran änderte auch ein radikaler Umbau nach etwa zehn Jahren nichts.
Ab 2019 steht einem Teil des Rings der nächste große Umbau bevor. Die Abendblatt-Regionalausgabe ist mit dem Ring groß geworden. Fast drei Jahrzehnte firmierten Redaktion, Anzeigenabteilung und sogar eine Geschäftsstelle dort. Auch heute noch befinden wir uns in Hörweite des Rings. Zeit also, uns mit diesem besonderen Nachbarn auseinanderzusetzen.
Konzept des Rings war schon bei seiner Eröffnung überholt
Vom ersten Rammschlag bis zur Fertigstellung des Harburger Rings mussten die Harburger zehn Jahre warten. Die Teile des Rings, die gewachsenen Straßen folgten – Knoopstraße, Bremer Straße, Krummholzberg – dienten schon früh als Umleitung für die Baustelle. Auch ein Teil des Ringneubaus, das kurze Stück von Krummholzberg bis Goldschmidtstraße, war früh fertig und führte den Verkehr auf die Buxtehuder Straße. In der Mitte aber klaffte das Loch und die Harburger warteten sehnsüchtig darauf, ihre Innenstadt wieder bequem benutzen zu können.
Als er dann fertig war, wich die Euphorie schnell dem Entsetzen. Hier war eine Rennstrecke durch die Stadt entstanden, zweispurig gegen den Uhrzeigersinn, als Einbahnstraße. Die Fußgänger wurden unter die Fahrbahn in Unterführungen verbannt, Überwege, Ampeln gar, gab es anfangs nur wenige. „Der Harburger Ring halte die Innenstadt im Würgegriff“ hat der Harburger Stadtplaner Henning von Ladiges es später bei einem Vortrag formuliert.
Dieser absolute Vorrang für das Auto entsprach der Planungsphilosophie der 60er- und 70er-Jahre, als der Ring entworfen wurde. In die zehn Jahre seiner Bauzeit fielen allerdings eine Ölkrise, wachsendes Umweltbewusstsein der Bevölkerung und veränderte Ansprüche der Bürger an ihre Innenstädte. Das Konzept des Rings war bei seiner Eröffnung schon überholt.
Links und rechts des Rings entstanden neue Häuser. „Harburger Ring 24“ lautete ab dem 25. März 1983 die Adresse der Harburger Rundschau – bis 2012. Unten im Haus befand sich eine Abendblatt-Geschäftstelle, im ersten Stock die Anzeigenabteilung, im zweiten Stock die Redaktion. Mit dem Bus und der S-Bahn war die Redaktion bestens zu erreichen. Die Autofahrer unter den Reportern mussten sich um die wenigen Parkplätze im Hinterhof streiten.
Bei den Harburgern wuchs derweil der Unmut über den Ring. Immer wieder kam es zu Unfällen zwischen Autofahrern, die die freie Strecke ausnutzten um mehr Gas zu geben, als sie durften und Fußgängern, die nicht einsahen, dass sie die Straße in schummrigen Tunneln unterqueren sollten. Auch beim Abbiegen von anderen Straßen auf den Ring kam es immer wieder zu brenzligen Situationen und Karambolagen.
Das Bezirksamt reagierte. Zunächst wurden mehr Ampeln gebaut. Dann kam die noch junge Technische Universität Hamburg-Harburg ins Spiel. Stadtplanungsprofessor Dittmar Machule war frisch aus Berlin gekommen und hatte angesichts des Innenstadtrings laut klatschend die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen. In einem Vortrag kritisierte er den Straßenkomplex als menschenverachtend.
„Damit hatte ich sofort eine Bürgerinitiative am Bein, die den Rückbau des Rings forderte und von mir Alternativvorschläge erbat“, erinnert sich Machule, „und inoffiziell haben mich auch damals schon Kommunalpolitiker um Verbesserungsvorschläge gebeten.“
Bis zu einem offiziellen Auftrag vergingen allerdings noch Jahre. „Der Vorschlag, den Harburger Ring in beide Richtungen befahrbar zu machen, kam in einer Arbeitsgruppe von einem meiner Studenten. Ich hielt das zunächst für zu radikal und nicht umsetzbar, aber er hat mich überzeugt.“
Wenn schon der Professor hartnäckig überzeugt werden musste, galt das in der Baubehörde, deren damaliger Präses nicht von ungefähr den Beinamen „Beton-Eugen“ trug, erst recht. „Wir mussten Verkehrsdaten vorlegen“, sagt Machule. „So etwas kostet natürlich Geld, selbst, wenn man Studenten zählen lässt. Zum Glück hatte Dieter Lindberg, dem das spätere Harburg-Center gehörte, ein Interesse daran, dass der Ring in zwei Richtungen befahrbar wird und hat die Zählung finanziert.“
Spätestens 2020 steht die nächste große Veränderung an
Mit den Daten darüber, wie viele Autos den Ring befuhren und wo sie abbogen, überzeugte Machule die Behörde. Der Umbau des Rings wurde 1992 abgeschlossen. Um den Rennstreckeneffekt aufzuheben, wurde ein Teil des Rings für den Individualverkehr komplett gesperrt und ist Bussen und Taxis vorbehalten. Die Zweirichtungsregelung machte die Kreuzungen komplizierter. Der „Finanzamtsknoten“ ist bis heute ein Sorgenkind der Verkehrsplanung.
Viele Unterführungen verschwanden. Um eine kämpften die Harburger dann sogar wieder, als Bezirksamtsleiter Torsten Meinberg Anfang des Jahrtausends den „Gloria-Tunnel“ zuschütten lassen wollte. Im Rückblick sagen einige Kritiker, dass der Ring besser funktioniert hätte, wäre er weiter entfernt um die Stadt herumgeführt worden. In der Praxis musste er aber über der S-Bahn geplant werden: Häuser hätte niemand darüber bauen wollen.
Spätestens 2020 steht die nächste große Veränderung am Harburger Ring an. Dann sollen die Fahrradspuren der Veloroute 11 in die Fahrbahn des Rings integriert werden.