Die Erfolgsstrategie: Mit speziellen Angeboten Nischen besetzen und so Zielgruppen ansprechen
Ein Studium auch ohne Abitur, praxisnah, flexibel und „ganz persönlich“, das man jederzeit beginnen kann – so wirbt die Europäische Fernhochschule (Euro-FH) für ihr Angebot. Die Hamburger Einrichtung steht beispielhaft für die Strategie vieler privater Hochschulen hierzulande: Sie richten sich weniger an junge Abiturienten, die klassischen Studenten, sondern insbesondere an „untypische“ Studierende, etwa Berufstätige mit abgeschlossener Ausbildung, die sich weiterbilden möchten, und Eltern, die nicht genügend Zeit für ein Präsenzstudium haben. „Mit dieser Strategie, neue Zielgruppen anzusprechen, sind die privaten Hochschulen sehr erfolgreich – trotz hoher Studiengebühren“, sagt Ulrich Müller vom gemeinnützigen Centrum für Hochschulentwicklung in Gütersloh.
Tatsächlich haben der Trend zur Akademisierung und die doppelten Abiturjahrgänge zuletzt nicht nur den staatlichen Hochschulen einen verstärkten Zulauf gebracht, sondern auch deren Konkurrenz von den privaten Hochschulen, wie die Statistik zeigt: Studierten in Hamburg im Wintersemester 2005/06 erst rund 7400 Menschen an privaten Hochschulen, waren es im Wintersemester 2015/16 mehr als drei Mal so viele – rund 24.300. Im Bundesschnitt hat sich die Zahl der Studierenden an privaten Hochschulen im gleichen Zeitraum von 54.000 auf rund 196.500 sogar fast vervierfacht. Mehr als zwei Drittel der Privat-Studenten belegten 2015 ein Studium der Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften; an zweiter Stelle mit einem Siebtel der Studierenden liegen die Gesundheitswissenschaften. Neben diesen Schwerpunkten bieten die Privaten viele weitere Studiengänge an: von Agrar-, Forst- und Ernährungswissenschaften über Modedesign bis zu Veterinärmedizin.
Berufsausbildung mit einem Privat-Studium aufwerten
In der Öffentlichkeit prägen zwar Elite-Schmieden das Bild der privaten Hochschulen. Zu diesen Einrichtungen, die sich mit einem Vollzeitstudium eher an klassische Abiturienten richten, zählt in Hamburg etwa die Bucerius Law School für angehende Juristen. Sie will „das Ideal bester Ausbildung verwirklichen“ und „hervorragend ausgebildete Persönlichkeiten hervorbringen, die ihre Fähigkeiten in den Dienst der Gesellschaft stellen“. Einen ähnlichen, stärker prestigebetonten Anspruch hat die Kühne Logistics University in der HafenCity, die ein Sprungbrett für die „globale Management-Karriere“ sein möchte.
Doch deren Studenten sind eine Minderheit. Die meisten Privat-Studenten sind an weniger bekannten Hochschulen eingeschrieben. Diese besetzen gezielt Nischen, um die sich die staatlichen Hochschulen nicht kümmern und bieten stark fokussierte Studiengänge an – statt klassischer Betriebswirtschaftslehre kann das zum Beispiel Gesundheitsmanagement sein. Oder sie werten Ausbildungsberufe auf – für Physiotherapie etwa gibt es nun auch einen Bachelor-Abschluss. Oder sie bieten flexible Fern- und Teilzeitstudiengänge an, die man Vollzeit studieren kann, berufsgleitend, in Präsenz oder online.
In eine oder mehrere dieser Kategorien gehören auch etliche private Hochschulen in Hamburg, darunter etwa die Hochschule Fresenius (zu ihr zählt die Akademie Mode & Design), die Medical School Hamburg, die Euro-FH und die Hamburger Fern-Hochschule, die Hamburg School of Business Administration und die Hochschule Macromedia für Medien und Kommunikation.
Die Studiengebühren an privaten Hochschulen können einige hundert, aber auch mehrere tausend Euro pro Semester betragen – lohnt sich das?
Viele private Hochschulen werben unter anderem damit, dass sie eine sehr gute Betreuung böten. Im Durchschnitt sind die Privaten mit 1400 Studierenden je Hochschule im Vergleich zu den staatlichen Fachhochschulen – 6600 Studierende je Hochschule – deutlich kleiner. Dies bedeutet aber nicht automatisch eine bessere Betreuungsrelation. Werden die Studierenden in Relation zum wissenschaftlichen und künstlerischen Hochschulpersonal gesetzt, zeigt sich laut Statistischem Bundesamt, dass an staatlichen Hochschulen 20 Studierende, an privaten jedoch 35 auf eine wissenschaftliche und künstlerische Lehrkraft kommen. Die Betreuungsrelation variiert allerdings stark mit der Hochschulart und Fächergruppe.
Schon eher als Beleg für eine gute Betreuung dienen könnte die Abbrecherquote: An den privaten Hochschulen liegt sie bei acht Prozent – gegenüber 20 Prozent bei den staatlichen.
Absolventenstudien geben Hinweise auf Jobaussichten nach dem Studium
Ob eine private Hochschule die bessere Wahl ist, sollten Interessenten aber vor allem von ihren Zukunftsplänen abhängig machen und sich sehr genau beraten lassen, rät Ulrich Müller vom Centrum für Hochschulentwicklung: „Da die Studiengänge bei den Privaten stärker auf bestimmte Berufsfelder fokussiert sind, ist es umso wichtiger zu wissen, ob dieser Fokus auch meiner ist.“ Wer etwa an der Hamburger Euro-FH den Bachelor-Studiengang Psychologie belegt, muss sich darüber im Klaren sein, dass er damit etwa im Personalwesen oder im Marketing arbeiten kann, aber keinen Zugang zu einer Psychotherapieausbildung hat – worauf die Euro-FH auf ihrer Internetseite auch hinweist.
Müller rät zudem, sich bei den Hochschulen nach Absolventenstudien zu erkundigen, um herauszufinden, wie es um die Jobaussichten nach dem Studium bestellt ist. Außerdem sollten Interessenten darauf achten, dass eine private Hochschule staatlich anerkannt ist, was auch bedeutet, dass ihre Studiengänge akkreditiert sind, also eine Art Qualitätssiegel haben.
Eine Übersicht der privaten Hochschulen in Hamburg mit Links zu den Internetseiten der Einrichtungen gibt es online unter: http://bit.ly/2neAffz