Die DFB-Auswahl sagt mehr über den Zustand des Bundesliga-Dinos aus, als den Hamburgern lieb ist
Es dauerte 23 Minuten und 40 Sekunden, ehe am Donnerstagmittag auch der HSV auf der Pressekonferenz der Nationalmannschaft in einem eher ungemütlichen Autohaus im Osten der Stadt am Friedrich-Ebert-Damm angekommen war. Bayerns Manuel Neuer saß auf dem Podium, zu seiner Rechten Manchesters Ilkay Gündogan und zu seiner Linken Arsenals Shkodran Mustafi. Es wurde über die Premier League gesprochen, über die Prämienverhandlungen beim DFB und natürlich über das Länderspiel gegen Tschechien im Volkspark, ehe ein Medienvertreter ganz zum Schluss den früheren HSV-Nachwuchsspieler Mustafi bat, noch ein paar nette Worte über seinen alten Club zu verlieren. „Es ist schon schade“, sagte der höfliche Abwehrhüne, „dass der HSV in den vergangenen Jahren immer nur unten mitgespielt hat.“ Der Club habe doch alle Voraussetzungen, um oben dabei zu sein, so Mustafi, der dann noch zweimal das Wort „schade“ gebrauchte: „Aus der Entfernung war es für mich immer schade, den HSV zu verfolgen“, sagte er. Und noch einmal zum Schluss: „Schade eigentlich.“
Schade eigentlich! Diese beiden Worte reichen im Prinzip aus, um den Niedergang des HSV seit Mustafis Weggang 2009 in Kürze zu beschreiben. Damals hatte es der Club bis ins Halbfinale des Uefa-Cups und des DFB-Pokals geschafft. Jahr für Jahr kämpfte man mit den Großen der Liga um den Einzug ins internationale Geschäft. Und mit Marcell Jansen, Piotr Trochowski, Dennis Aogo und Jerome Boateng hatten die Hamburger damals beeindruckende vier A-Nationalspieler im DFB-Kader. Bei der WM 2010 in Südafrika war Bayern München der einzige Verein, der mehr Nationalspieler stellte als der HSV.
Auch später noch waren Profis vom HSV gern gesehen im Nationalteam, das allerdings zunehmend von Bajuwaren, Dortmundern und auch Leverkusenern bestimmt wurde. Und trotzdem: René Adler und Heiko Westermann wurden häufiger eingeladen – und sogar Sturmbulle Pierre-Michel Lasogga wurde in der besten Phase seines Schaffens einmal nominiert.
Und heute? Mit Adler, Lasogga, Aaron Hunt, Lewis Holtby und Nicolai Müller sind beim HSV immerhin noch fünf deutsche Nationalspieler unter Vertrag. Oder besser: fünf Ex-Nationalspieler. Und mit Mustafi, Boateng und Jonathan Tah, der in dieser Woche bei Deutschlands U 21 aushelfen soll, sind immerhin noch drei Hamburger im erweiterten Nationalmannschaftskader. Oder besser: drei Ex-Hamburger.
Mehr als die Vorsilbe „Ex-“ ist für den HSV auf nationaler Ebene schon lange nicht mehr drin.
Mustafi, den in diesem Sommer Arsenal London für 40 Millionen Euro verpflichtete, wechselte bereits mit 17 Jahren ablösefrei von der Elbe nach England zu Everton. Boateng zog es ein Jahr später für vergleichsweise läppische zehn Millionen Euro ebenfalls auf die Insel zu Manchester City, ehe seine Weltkarriere bei Bayern München so richtig in Schwung kam. Und Tah, den viele für das größte Abwehrtalent der Liga halten, verscherbelte der HSV vor gerade einmal einem Jahr für rund acht Millionen Euro nach Leverkusen.
Nun sind es also Bayern, Dortmunder, Leverkusener, Wolfsburger, Schalker und ein paar Legionäre, die am Sonnabendabend im Volksparkstadion auf Tschechien treffen. Aber auch ein Kölner (Jonas Hector), ein Hoffenheimer (Sebastian Rudy) – und selbstverständlich kein Hamburger. Die Verbindung zwischen DFB und HSV, die es de facto gar nicht mehr gibt, sagt mehr über den Zustand des Vereins aus, als ihm lieb ist.
„Ich weiß noch, was für Ziele der Club hatte, als ich damals beim HSV war“, sagte Mustafi in Wandsbek. Es sind die gleichen Ziele, die vor zweieinhalb Jahren von der Ausgliederungsinitiative HSVPlus propagiert wurden. Es sind die gleichen Ziele, die Investor Klaus-Michael Kühne kürzlich in einem Interview als Auftrag für diese Saison ausgegeben hat. Und vor allem sind es Ziele, von denen der HSV im Hier und Jetzt so weit entfernt ist wie von einem Nationalteam mit elf Hamburgern.