Hamburg. Statt einer großen sollen viele kleinere Anlagen und Industrieabluft Hamburgs Westen mit Wärme versorgen
Der Senat hat sich festgelegt: Das bisher in Wedel geplante große neue Gas-und-Dampf-Kraftwerk (GuD) soll nicht gebaut werden. Stattdessen wird eine Versorgung der rund 150.000 Wohnhaushalte im Hamburger Westen mit Fernwärme über dezentrale Anlagen angestrebt. Das sagte Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) dem Abendblatt am Dienstag vor einer abendlichen Diskussionsrunde an der Universität im Rahmen des Hamburger Wärmedialogs.
„Wir arbeiten mit Hochdruck daran, Alternativen für den Ersatz des abgängigen Kohlekraftwerks in Wedel zu finden“, so Kerstan. „Wir wollen die Fernwärme für Hamburg umwelt- und klimafreundlicher ausrichten. Wir prüfen konkret einen Mix aus verschiedenen Lösungen: dezentralen Anlagen, erneuerbaren Quellen und Biomasse sowie industrieller Abwärme. Unser Ziel ist es, kein neues Großkraftwerk zu bauen. Klar ist für uns, dass die von Vattenfall angekündigten Notreparaturen nichts an dem Plan ändern, das jetzige Kohlekraftwerk so früh wie irgend möglich vom Netz zu nehmen.“
Vor allem zwei Gründe veranlassen den Senat dazu, von dem Bau eines neuen Großkraftwerks Abstand zu nehmen. Erstens sei die Marktlage zu unsicher. Ein großes neues Kraftwerk würde deutlich über 2050 hinaus laufen, heißt es aus der Umweltbehörde – ohne dass man heute sagen könne, wie sich Förderung, Gaspreise und Nachfrage entwickelten. Zweitens belaste ein Gaskraftwerk die Hamburger Klimabilanz.
Ob auf den Neubau tatsächlich verzichtet werden kann, ohne die Versorgungssicherheit zu gefährden, soll laut Umweltbehörde spätestens im dritten Quartal 2016 abschließend entschieden werden. Dann solle ein detailliertes Konzept vorliegen, wie die bisher aus Wedel gelieferte Wärme ersetzt werden könnte. Als Einspeiser von Abwärme ist derzeit Aurubis im Gespräch. Es kommen laut Behörde aber auch viele andere Industrie-Unternehmen in Betracht.
Vattenfall hatte kürzlich mitgeteilt, das alte Kohlekraftwerk in Wedel für rund 84 Millionen Euro so zu ertüchtigen, dass es für eine Übergangsfrist bis etwa 2021 weiterlaufen kann.
Das klare Bekenntnis aus Hamburg sorgte in der Nachbarschaft des Kraftwerks für Freude. Zahlreiche Anwohner aus Wedel und Rissen hatten sich gegen den Neubau gewehrt und sich zur Bürgerinitiative „Stopp! Kein Megakraftwerk in Wedel“ zusammengeschlossen. Sprecherin Kerstin Lueckow fühlt sich nun bestätigt. „Von Anfang an stand dieses Projekt in der Kritik“, erinnert sie. „Das Ziel für die Energiewende müssen erneuerbare Energien sein.“ Ein inflexibles Großkraftwerk mit einer Laufzeit von bis zu 50 Jahren hätte dieses Ziel für eine lange Zeit verhindert, so Lueckow.
Nach dem Netze-Volksentscheid von 2013 will die Stadt Hamburg das Fernwärmenetz inklusive Anlagen 2019 von Vattenfall übernehmen.