Hamburg. Naturschutzverbände sehen Naherholung und Landschaftsschutz in Gefahr: „Bald ist die Stadt zugebaut“
In Hamburg werden zunehmend mehr Wohnungen gebaut, häufig zulasten der Frei- und Grünflächen. Die Natur ist auf dem Rückzug. Jetzt schlagen die Naturschutzverbände Alarm. „Wenn die Bebauung weiter derart vorangetrieben wird, ist die Stadt bald zugebaut“, befürchtet Manfred Braasch, Geschäftsführer des Umweltschutzverbands BUND. „Das Versprechen von Naherholung und Landschaftsschutz kann nicht mehr eingehalten werden.“
Mittlerweile werde nicht einmal mehr vor Landschaftsschutzgebieten haltgemacht. In sechs Fällen sollen entsprechende Schutzverordnungen aufgehoben werden, um Flüchtlingsunterkünfte errichten zu können. Von den 24 Bebauungsplänen, die sich derzeit im Verfahren befinden, führen elf nach Angaben des BUND auf insgesamt 136 Hektar zu Beeinträchtigungen des Landschaftsschutzes.
„Diese Flächen dürften laut Koalitionsvertrag gar nicht bebaut werden“, so Braasch. In der Tat haben SPD und Grüne festgeschrieben, dass Landschaftsachsen, Flächen des Biotopverbunds und Pufferzonen von Naturschutzgebieten nicht als Wohnungsbauflächen genutzt werden, sondern als ebenso bedeutende Landschaftsräume wie die Vier- und Marschlande erhalten bleiben sollen.
„Wir sehen die Stadt in der Pflicht, nicht vorschnell auf ökologische Flächen zuzugreifen, sondern Abwägungsprozesse und Entscheidungen transparent zu gestalten“, fordert Braasch. So müsse geprüft werden, ob Wohnen auch in Gewerbegebieten möglich sei.
Zumal der Grünflächenschwund in der Stadt enorm sei, beklagt der Naturschutzbund Nabu. Zwischen 2011 und 2014 war er an 87 Bebauungsplänen in Hamburg beteiligt. „Allein dabei sind 193 Hektar Grünfläche und mindestens 2043 Bäume verloren gegangen“, moniert Geschäftsführer Bernd Quellmalz. „Eine deutlich größere Fläche als die 164 Hektar große Außenalster ist damit unwiederbringlich verloren für Mensch und Natur.“
In Eilbek, an der Hasselbrookstraße, falle demnächst ein Hektar Grünfläche weg, der nicht ersetzt werde. Eine entsprechende Ausgleichsmaßnahme sei gar nicht erst vorgesehen.
„Das ist leider kein Einzelfall“, sagt Stephan Jersch von der Bürgerschaftsfraktion der Linken. Seit 2009 wurden in Hamburg von 235 Bebauungsplänen 179 ohne Ausgleichsmaßnahmen beschlossen, erfuhr er in einer Kleinen Anfrage. „Das heißt, dass in 80 Prozent der Fälle kein Ausgleich geplant war. Das ist ein besorgniserregender Anstieg. In der Periode zwischen 2000 und 2009 waren es bereits 64 Prozent“, sagt Jersch. Von den Ausgleichsmaßnahmen, die damals beschlossen wurden, seien einige immer noch nicht umgesetzt – zum Teil, weil die Flächen in Privatbesitz seien.
Die Ausgleichsregelung betreffe zunehmend weniger Bebauungspläne, da viele von ihnen inzwischen im vereinfachten Verfahren beschlossen würden, heißt es aus der Umweltbehörde. Bei neuen Bebauungsplänen werde auch altes Planrecht überplant, sodass in diesen Fällen Ausgleichsvorschriften nicht angewendet werden müssten.
Seite 2 Leitartikel Seite 13 Bericht