Hamburg. Einzug in ehemaligen Baumarkt ohne Betten und Betreuer. Zelte werden auch über den Winter bleiben müssen. Stadt will Holzhütten kaufen. Erste Standorte für Wohnungsnotprogramm stehen fest. SPD-Fraktionschef wehrt sich gegen Kritik
Hamburg ist in der Flüchtlingskrise offenbar am Ende seiner Kräfte angelangt. Etwa 500 Flüchtlinge mussten am Sonntagabend ohne Betreuung auf dem Fußboden eines ehemaligen Baumarktes im Hörgensweg in Eidelstedt übernachten. Weder das städtische Unternehmen „Fördern & Wohnen“ noch andere Hilfsorganisationen hatten genügend Personal verfügbar, um die Unterkunft zu leiten. Zudem war die Halle zuvor nicht gereinigt worden. Erst am Montagmittag sorgten die Bundeswehr und der Bezirk Eimsbüttel für Duschmöglichkeiten und regelmäßige Verpflegung.
Unterdessen hat sich die Innenbehörde von dem Ziel verabschiedet, alle Zeltplätze für Flüchtlinge bis zum Winter durch Gebäude oder Container zu ersetzen. „Diese Maßgabe ist in der derzeitigen Situation obsolet“, sagte Behördensprecher Frank Reschreiter.
Die Zelte an drei Standorten in Bahrenfeld, Jenfeld und Wilhelmsburg sollen allerdings durch Holzhäuser ersetzt werden. An anderen Standorten sollen die Zelte so gut wie möglich beheizt werden. „Der wichtigste Standard heißt im Moment, die Obdachlosigkeit zu verhindern“, sagte Reschreiter. Innensenator Michael Neumann (SPD) gab persönlich die Anweisung, die Halle in Eidelstedt auch ohne Betreiber für die Flüchtlinge zu öffnen. Derzeit erreichen täglich etwa 500 Flüchtlinge die Hansestadt.
Inzwischen haben die Bezirke erste Flächen gemeldet, auf denen Wohnungen für Flüchtlinge errichtet werden können. So wurde beispielsweise vom Bezirk Eimsbüttel eine acht Hektar große Brache in Eidelstedt vorgeschlagen. In Bergedorf sollen die Wohnungen am Gleisdreieck entstehen. Der Bezirk Mitte prüft eine Fläche in Öjendorf. Altona hat das ehemalige THW-Zentrallager in Rissen gemeldet.
Die Stadtentwicklungsbehörde hatte die sieben Hamburger Bezirke unlängst aufgefordert, Flächen für den Bau von jeweils 800 Wohnungen zu melden. Die insgesamt rund 5600 Wohnungen sollen innerhalb eines Jahres errichtet werden. Dazu arbeitet die Stadt mit mehreren Investoren zusammen. Diese finanzieren den Bau und vermieten anschließend die Wohnungen über viele Jahre an die Stadt.
Um so kurze Planungs- und Bauzeiten zu erreichen, werden allerdings die Mitbestimmungsmöglichkeiten der Bürger stark eingeschränkt. Auch Klagen gegen diese Bauprojekte werden von Experten als nicht besonders chancenreich eingestuft.
Unterdessen hat SPD-Fraktionschef Andreas Dressel die scharfe Kritik von Oppositionsführer André Trepoll (CDU) an der Flüchtlingspolitik des rot-grünen Senats als „verantwortungslos“ zurückgewiesen. „Jeder sollte vor seiner Haustür kehren“, empfahl er Trepoll. Anstatt über die Lage in Hamburg zu meckern, solle der CDU-Fraktionschef lieber in Berlin dafür sorgen, „dass die CDU-Ministerien ihre Hausaufgaben machen“, so Dressel in Anspielung auf den Personalmangel im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Trepolls Vorwurf, Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) ducke sich bei dem Thema weg, nannte Dressel „komplett absurd“. Scholz habe sich mehrfach zur Flüchtlingsproblematik geäußert.
Der Bergedorfer Grundeigentümerverein schlug am Montag vor, alternativ zu großen Bauvorhaben die Flüchtlinge in Kleingärten unterzubringen. „In Hamburg gibt es rund 35.000 Parzellen mit Lauben, die – dem Kleingartengesetz zum Trotz – häufig bereits mit ihrer jetzigen Ausstattung einen längeren Aufenthalt ermöglichen“, sagte der Vereinsvorsitzende Ulf Hellmann- Sieg. „Anders als in den derzeitigen Lagern könnte so ein wenig Privatsphäre gerade für Familien und alleinstehende Frauen geschaffen werden.“
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