Hamburg/Kiel. Fährlinie von Puttgarden nach Rødby zeitweise lahmgelegt. Bahnverkehr wurde eingestellt. Harte Kritik von Juncker
Die dänische Regierung hat am Mittwoch die Bahnverbindungen nach Deutschland komplett unterbrochen. Die A 7 und die Fährlinie Puttgarden–Rødby wurden zeitweise gekappt. Ursache ist der große Zustrom von Flüchtlingen. Die Migranten, viele von ihnen Syrer, waren über Ungarn nach Deutschland gekommen und wollten weiter nach Schweden. Auf der Verlängerung der A 7 bei Padborg kurz hinter der Grenze und im Fährhafen Rødby wurden sie festgesetzt, weil sie keine Visa besaßen. Rund 400 Flüchtlinge machten sich daraufhin in Padborg selbst auf den Weg und versuchten, auf der Autobahn Richtung Schweden zu wandern. Daraufhin wurde die Autobahn gesperrt, nachmittags folgten alle Bahnverbindungen.
Auch der Hafen Rødby wurde zeitweise gesperrt. Der Fährverkehr auf der Strecke von Puttgarden auf Fehmarn nach Rødby musste eingestellt werden. Offenbar wollte die Polizei verhindern, dass weitere Flüchtlinge nach Dänemark gelangen. In der Nacht zu Mittwoch war in Rødby ein Zug mit 230 Flüchtlingen angekommen.
Unterdessen hat der Präsident der EU-Kommission, Jean-Claude Juncker, die EU-Staaten ungewöhnlich scharf für ihren Streit in der Flüchtlingskrise kritisiert. „Die EU befindet sich in keinem guten Zustand“, sagte er. Es gelte, den Werten gerecht zu werden, auf denen die EU aufbaut: Humanität und Menschenwürde.
Dänemark hatte die Hilfen für anerkannte Flüchtlinge zum 1. September zum Teil um die Hälfte gekürzt – mit dem erklärten Ziel, Asylbewerber fernzuhalten. Um das bekannt zu machen, hatte die liberale Integrationsministerin Inger Støjberg unter anderem Anzeigen in Zeitungen im Libanon geschaltet. Darin steht etwa, „dass Ausländer, die eine vorübergehende Aufenthaltserlaubnis erreichen, ihre Familie im ersten Jahr nicht nach Dänemark holen können“.
Die Abschreckungspolitik scheint zu wirken. Am Bahnhof in Padborg ruft eine Gruppe, die die Polizei am Bahnsteig eingekreist hat, im Chor: „Wir wollen nach Schweden!“ und „Lasst uns gehen!“ Doch wer sich hier nicht als Asylbewerber registrieren lässt, muss zurück nach Deutschland.
Auf der Fähre, die im Hafen von Rødby auf der Insel Lolland ankommt, bleiben viele im Zug sitzen, weil sie nicht in Dänemark erfasst werden wollen. Stundenlang sitzt die Fähre fest, dahinter warten im Fehmarnbelt weitere Schiffe darauf, in den Hafen einzulaufen. Am Nachmittag beschließt die Polizei: Die Bahngesellschaft DSB darf keine Züge mehr auf den Fähren nach Dänemark transportieren. Auch am Bahnhof in Padborg geht nichts mehr. Aller Zugverkehr von und nach Deutschland ist eingestellt. Der Bahnsteig in Flensburg, von dem aus die Züge Richtung Norden fahren, ist verwaist. Am späten Abend bot die dänische Polizei den mit der Fähre aus Deutschland gekommenen Flüchtlingen die Weiterreise von Rødby mit einem Zug an.
Die Kontrollen an den Grenzen hatte die Polizei in den vergangenen Tagen erhöht. Ständige Grenzkontrollen wieder einzuführen war eine zentrale Forderung der dänischen Rechtspopulisten im Wahlkampf. Als stärkste bürgerliche Partei sind sie auch treibende Kraft hinter der harten dänischen Ausländerpolitik.
Das Schengener Abkommen will der liberale Ministerpräsident Lars Løkke Rasmussen nicht antasten. Doch weniger Asylbewerber hatte auch er im Wahlkampf versprochen. Wenn Dänemark, das nicht Teil der Asylpolitik der EU ist, 2800 der zu verteilenden Flüchtlinge aufnehme, werde es seiner Verantwortung mehr als gerecht, meint Ministerpräsident Løkke Rasmussen.
Die Deutsche Bahn bestätigte den Stopp des Zugverkehrs von Deutschland nach Dänemark. Wie lange diese Regelung gelte, sei nicht bekannt. Zwischen Hamburg und Kopenhagen fahren täglich in beide Richtungen je fünf Fernzüge. Auf der zweiten Verbindung Flensburg–Padborg sind täglich mindestens neun Züge unterwegs.
Schleswig-Holsteins Innenminister Stefan Studt (SPD) forderte die Bundesregierung auf, mit der dänischen Regierung ein „verbindliches und transparentes Verfahren für die Durchreise und Übernahme von Flüchtlingen“ zu vereinbaren. Für beide Länder sei es wichtig, „dass die grenzüberschreitenden Verkehre so schnell wie möglich wieder frei fließen“.
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