Hamburg. Der Boykott Deutschlands größter Drogeriemarktkette gegen die heimliche Preiserhöhung von Colgate-Palmolive könnte Schule machen.
Verbraucher ärgern sich schon lange über Mogelpackungen. „Weniger Inhalt wird für den gleichen Preis verkauft“, beschreibt Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg diese Produktgattung: „Die Hersteller nutzen dieses Instrument systematisch, weil der Verbraucher bestenfalls den Preis im Kopf hat, nicht aber die Menge.“ Jetzt hat erstmals ein großer Einzelhändler darauf reagiert und ein solches Produkt aus dem Sortiment geworfen.
Bei Deutschlands größer Drogeriemarktkette dm mit 17.000 Filialen bundesweit gibt es die Zahnpasta Dentagard bis auf Weiteres nicht mehr im Angebot. Der Grund ist ein Konflikt über die Preisgestaltung zwischen dem Händler und Hersteller Colgate-Palmolive.
Das Unternehmen hat die Füllmenge von 100 auf 75 Milliliter reduziert. Der Preis soll aber der gleiche bleiben“, sagt Erich Harsch, Vorsitzender der dm-Geschäftsführung. Das wollte sich der Händler nicht bieten lassen: „Gleicher Preis bei weniger Inhalt: Da streiken wir! dm“, heißt es jetzt auf einem Schild am Zahnpasta-Regal der Drogeriemarktkette. Alternativ können die Kunden in einigen der 43 Filialen in der Region Hamburg einen anderen Hinweis finden: Als Alternativprodukt wurde die Zahnpasta Signal Kräuterfrische in das Sortiment aufgenommen. Hersteller ist der Konsumgüterkonzern Unilever. Die Filialen können wählen, mit welcher Variante sie ihre Kunden über die Angebotsveränderung informieren. „Es ist neu, dass ein Händler die Kunden explizit darauf aufmerksam macht, dass ein Hersteller das Preis-Leistungsverhältnis verschlechtern will“, sagt der Marketing-Experte Martin Fassnacht von der Wirtschaftshochschule WHU.
Die Reduzierung der Menge hätte bei Dentagard zu einer Preiserhöhung von 33 Prozent geführt. „Diese Preiserhöhung möchten wir nicht an unsere Kunden weitergeben“, sagt Harsch. Grundsätzlich gelte für uns zu entscheiden, ob Preiserhöhungen sinnvoll sind und glaubhaft an unsere Kunden vermittelt werden können.
„Endlich reagiert der Handel öffentlich auf versteckte Preiserhöhungen“, sagt Verbraucherschützer Valet. Die Verbraucherzentrale Hamburg hat die Zahnpasta zur Mogelpackung des Monats gekürt. „Denn die Preiserhöhung ist dreist“, sagt Valet. Weder die Rezeptur noch die Aufmachung der Tube seien verändert wurden. „Nur die Füllmenge ist von der Vorder- auf die Rückseite gewandert“, sagt Valet.
Colgate-Palmolive ist diese neue Offenheit aber anscheinend überhaupt nicht geheuer. „Als Hersteller von Konsumgütern ist es ein übliches Vorgehen, Abgabepreise an den Handel an steigende Kosten zum Beispiel für Energie und Rohstoffe anzupassen. Unüblich ist es, uns öffentlich zu Verhandlungen mit unseren Handelspartnern zu äußern“, heißt es in einer Stellungnahme des Unternehmens.
Die Hersteller von Wasch- und Körperpflegemitteln und Süßigkeiten praktizieren nach Valets Einschätzung häufiger als andere Branchen Mengenverringerungen, um Preiserhöhungen zu kaschieren. Beispiele dafür sind das Flüssigwaschmittel Persil, Pampers Windeln und die Minis von Mars.
„Mitunter wird auch eine Mengenerhöhung mit einer Preiserhöhung verbunden, um Schwellenpreise, die auf 99 Cent enden, zu überschreiten“, sagt Valet. Jüngstes Beispiel ist die Kinder Schokolode. „Dauerhaft mehr Inhalt“ verspricht Hersteller Ferrero und schiebt jetzt zehn statt acht Riegel in die Packung. In den Supermärkten stieg der Preis von 0,99 auf 1,29 Euro. Mit rund vier Prozent ist die Preiserhöhung bei einem Viertel mehr Inhalt zwar moderat, aber Valet sieht darin nur den ersten Schritt einer langfristigen Preisstrategie. „Künftige Preiserhöhungen fallen dann nicht mehr so auf, wie das Beispiel Nutella von Ferrero in der Vergangenheit gezeigt hat.“ Bei dem Brotaufstrich erhöhte man nach Valets Darstellung vor rund drei Jahren die Füllmenge von 400 auf 450 Gramm, um mehr als 1,99 Euro pro Glas verlangen zu können. „Heute kosten 450 Gramm Nutella schon bis zu 2,99 Euro, also 34 Prozent mehr“, sagt Ernährungsexperte Valet.
Johnson & Johnson hat die Bebe Kindercreme nicht nur in neue Schachteln gebracht, sondern auch die Preise um bis zu 84 Prozent erhöht. „Hier wird nicht nur ein Drittel weniger Inhalt zum gleichen, sondern zu einem deutlich höheren Preis verkauft“, sagt Valet über die mittlere Dose, in der jetzt nur noch 50 statt vorher 75 Milliliter Inhalt sind. Der Preis sei von 1,05 auf 1,29 Euro gestiegen. Der Hersteller verweist in einer Stellungnahme darauf, dass die Preise vom Einzelhandel frei bestimmt werden.
Wenn das Beispiel mit Dentagard Schule machen würde, blieben in Zukunft viele Regale in den Drogeriemärkten leer. Ob dm noch andere Produkte wegen Mogelpackungen auslisten wird, blieb offen. „Das wird immer je nach Situation von Fall zu Fall entschieden“, sagte ein Firmensprecher.