Es gibt zu viele Boxergeschichten, die mit dem Klischee spielen: dass sich einer aus üblen Verhältnissen herausgekämpft und an die Spitze durchgeschlagen hat. Und doch kommt man an diesen Stereotypen nicht vorbei, wenn man Artem Harutyunyan beschreiben darf. Als Einjähriger mit den Eltern und dem ein Jahr älteren Bruder Robert aus Armenien nach Hamburg geflüchtet. Jahrelang auf Wohnschiffen und in Asylheimen zu Hause, im Boxen den Ausweg gefunden, heute ein Hoffnungsträger für Olympia, der sich in der kommenden Woche in Wilhelmsburg für Rio 2016 qualifizieren kann – fast zu kitschig, um wahr zu sein.
Doch wer dem Sportsoldaten, der seit fünf Jahren am Olympiastützpunkt Schwerin trainiert, aber noch immer für den TH Eilbeck startet, zuhört, der entdeckt ein weiteres Klischee. Der 25-Jährige, seit 2008 deutscher Staatsbürger, hat die Tugenden Fleiß, Disziplin und Pünktlichkeit, die Deutschen gern nachgesagt werden, verinnerlicht. Er hat sich in Trainingslehre und Ernährungswissenschaft fortgebildet und das Eigenmarketing in den sozialen Netzwerken perfektioniert. Alles für seinen Traum vom Olympia-Gold, den er nicht leichtfertig aus den Fäusten geben will. Weil er weiß, wie hart er um diese Chance kämpfen musste.