Hamburg . Scheele schildert dramatische Situation: Mitunter kommen mehr als 200 Asylsuchende pro Tag nach Hamburg
Der unvermindert anhaltende Flüchtlingsstrom wird Hamburg „verändern“. Das hat Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) gestern bei der Präsentation aktueller Flüchtlingszahlen betont: „Wer in Hamburg aus seiner Haustür tritt und einen Kilometer nach links oder nach rechts geht, wird künftig auf eine Flüchtlingsunterkunft treffen.“ Damit ging Scheele noch weiter als am Vortag die Fraktionschefs der Regierungsparteien, Andreas Dressel (SPD) und Anjes Tjarks (Grüne). Sie hatten angekündigt, dass es künftig „in jedem Stadtteil“ eine Flüchtlingsunterkunft geben werde.
Die Dramatik der Situation ergibt sich aus den Zahlen: Allein im ersten Halbjahr 2015 haben 12.536 Menschen in Hamburg einen Asylantrag gestellt. Gut die Hälfte von ihnen – 6443 – blieb in der Stadt, die übrigen wurden auf andere Bundesländer verteilt. Von diesen 6443 Menschen kamen 5725 in einer öffentlichen Einrichtung unter. Für alle drei Werte gilt: Sie entsprechen ziemlich exakt dem Gesamtwert für 2014 – der Zustrom hat sich also verdoppelt.
Und das Problem verschärft sich weiter. Derzeit kommen teilweise mehr als 200 Personen pro Tag nach Hamburg, allein am Wochenende waren es 450. Im Juni wurden insgesamt 1400 Flüchtlinge aufgenommen, von denen die größte Gruppe (etwa 430) aus dem von Bürgerkrieg und IS-Terror zerstörten Syrien kam, gefolgt von Albanien, Irak und Afghanistan.
Insgesamt gibt es 18.819 Plätze an 86 Standorten zur Unterbringung von Flüchtlingen. Weitere 38 Standorte und sechs Erweiterungen mit insgesamt 9000 Plätzen sind in Planung. 4000 von ihnen sollen bis Jahresende fertig sein – damit fehlen aber immer noch 3000 Plätze. Ende 2015 wird Hamburg mit dann rund 25.000 Flüchtlingen erstmals mehr Menschen aufgenommen haben als Anfang der 90er Jahre infolge von Balkankrieg und Zusammenbruch des Ostblocks. Die Kosten steigen entsprechend: Nachdem Hamburg 2014 rund 300 Millionen Euro für Unterkunft, Betreuung und Unterricht von Flüchtlingen ausgegeben hat, wird es 2015 vermutlich doppelt so viel sein.
Scheele sagte, er setze darauf, dass das „ungeheure Engagement der Hamburger“ für die Not leidenden Menschen anhalte. Die Widerstände, etwa in Harvestehude, Blankenese oder Poppenbüttel, betrachte er als „kleine Ausnahmen“. Die CDU forderte hingegen eine bessere Bürgerbeteiligung und eine konsequentere Abschiebepraxis.
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