Ein Kommentar von Birgit Reuther
Der Rückzug ins Private wird dieser Tage gerne als Trend hervorgehoben. Der verunsicherte Wohlstandsmensch verschanze sich zunehmend in der Geborgenheit der eigenen vier Wände, heißt es. Doch kein Zeitgeist-Ding ohne Gegenbewegung. Warum nicht das Persönliche öffentlich machen, haben sich einige Leute gedacht. Und nein, gemeint ist nicht das soeben gekochte Abendessen oder das gerade eingelassene Badewasser zu fotografieren und in sämtlichen Netzwerken des Internets zur Schau zu stellen. Die Idee, sie hat – bitte festhalten – mit echten Menschen zu tun. Womöglich – potzblitz – mit sogenannten Fremden. Die diesen Status aber nicht lange beibehalten müssen.
Bei dem Hamburger Projekt „Sofa Concerts“ können sich potenzielle Gastgeber online melden, die aus ihrem Wohnzimmer gerne mal eine Bühne für Bands oder Singer-Songwriter machen möchten. Und die Musik aus allernächster Nähe erleben wollen. Die Gäste setzen sich aus Freunden und Mitgliedern der „Sofa Concerts“-Community zusammen.
Die jetzt eröffnete und bereits ausverkaufte Aktion „Musik in den Häusern der Stadt“ belebt die Salonkultur ebenfalls neu. Fakt ist: Künstler gibt es genug. Doch jene, die Musik und Menschen in ihre Räume laden, dürfen gerne noch mehr werden. Wer einmal dabei war, weiß: Die Gäste mögen vielleicht ein wenig Dreck von der Straße hineintragen. Vor allem aber bringen sie Dankbarkeit, Begeisterung und interessante Gesprächsthemen mit. Und vielleicht auch die ein oder andere Flasche Wein. Also: Offenheit lohnt sich!