Geredet hat Reinhold Beckmann, wenn man so will, in den vergangenen 15 Jahren ja auch genug. Wobei sein Geheimnis daraus bestanden hat, seine Gäste zum Reden zu bringen. Jetzt wird er für die ARD Reportagen drehen.
Hamburg. Der Entschluss wurde zwar schon vor 18 Monaten gefasst - „Aber das Herz ist in den letzten Tagen ein bisschen schwerer geworden“, sagt Reinhold Beckmann. 624 Ausgaben, rund 2000 Gäste – nach mehr als 15 Jahren endet heute ein Kapitel Talk-Geschichte im deutschen Fernsehen. „Unmittelbar nach der letzten Sendung feiern wir mit allen Beteiligten unser Abschiedsfest“, sagt Beckmann vor der letzten Sendung, „aber ohne schwülstige Reden.“
Geredet hat er, wenn man so will, in den vergangenen 15 Jahren ja auch genug. Wobei sein Geheimnis daraus bestanden hat, seine Gäste zum Reden zu bringen. Und nicht selten auch Dinge preiszugeben, die bewegend waren. Oder etwas bewegt haben.
Sie kamen aus allen Bereichen des Lebens. Politik, Kultur, Sport, Wirtschaft, Gesellschaft – es hat wenig Prominente gegeben, die nicht in seiner Runde zu Gast gewesen sind.
Bundeskanzlerin Angela Merkel und Altkanzler Helmut Schmidt waren jeweils sechsmal zu Gast, der Dalai Lama und Stephen Hawking nahmen ebenso Platz am „Beckmann“-Tisch wie die Hollywood-Stars Sophia Loren und Michael Douglas.
Bundeskanzler Gerhard Schröder äußerte sich bei „Beckmann“ über den „lupenreinen Demokraten“ Wladimir Putin. Der frühere Guantánamo-Gefangene Murat Kurnaz brachte die Politik in Erklärungsnot. Ex-Radprofi Bert Dietz legte ein Doping-Bekenntnis ab, für dieses Interview wurde Reinhold Beckmann 2007 mit dem „Deutschen Fernsehpreis“ ausgezeichnet.
Wann war für ihn eine Sendung besonders gelungen? „Eigentlich immer dann, wenn sie inhaltlich überraschend und packend war“, sagt Beckmann. Dazu gehöre auch ein wenig Emotionalität. „Eine Talkshow, die nur aus noch so klugen Fachleuten besteht, das reicht nicht.“
Die angenehmsten Talk-Gäste? „Die engste Beziehung hatte ich zu Loki Schmidt. Sie hatte mich irgendwie ins Herz geschlossen. Wir mochten uns und wir konnten wunderbar albern.“ Bei welchen Gästen wurde es schwierig? „Immer dann, wenn jemand die Sendung als reine Werbefläche benutzen wollte. Dann wurde es schon mal unangenehm.“ Das sei auch einer der Gründe, weshalb sie „Beckmann“ in den letzten Jahren zu einer Themensendung weiterentwickelt haben.
Auch die letzte „Beckmann“-Ausgabe behandelt ein zentrales aktuelles Thema: „Menschen auf der Flucht – letzte Rettung Europa?“ 45 Millionen Menschen weltweit sind auf der Flucht – nach Uno-Angaben so viele wie noch nie. Gleichzeitig steigt in Deutschland die Zahl der Asylbewerber. Während Städte und Gemeinden nach geeigneten Flüchtlingsunterkünften suchen, nutzen Rechtsextreme die Anwohnerängste zur Stimmungsmache gegen Ausländer. Wie helfen wir Menschen, die vor Krieg und Vertreibung fliehen? Und welche Verantwortung muss Deutschland übernehmen?
Beckmann wird für die ARD Reportagen drehen
Dass in der Flut der Talksendungen das Format langsam untergeht, glaubt Beckmann nicht. „Es wird auch in Zukunft geredet im Fernsehen.“ Nur er selbst wechselt die Rolle. Vom Fragensteller zum Filmemacher. „Ich gehe raus aus dem Studio. Dahin, wo das wirkliche Leben stattfindet.“ Er wird für die ARD Reportagen drehen. Gesendet wird zehnmal im Jahr, „immer montags um viertel nach acht“. Der Fokus liege auf sozialen und gesellschaftspolitischen Fragen. „Es ist eine neue Herausforderung, und ich mache wieder das, womit ich vor 30 Jahren beim Fernsehen begonnen und nie aufgehört habe: Filme machen.“ Nächsten Donnerstag läuft in der ARD bereits eine Dokumentation über den Altkanzler aus Hannover.
Und er macht Musik. Das Ergebnis stellt er mit seiner Band auf einer Tournee durch Deutschland und Österreich vor. Sie beginnt am 10. Oktober mit einem Heimspiel. In Twistringen, dort wo Reinhold Beckmann vor 58 Jahren geboren worden ist. Sie spielen in Aachen und in Hamburg (28.10., Fabrik), in Aurich und in Wien, in München und am Ende in Berlin. „Pünktlich zu Weihnachten sind wir wieder zu Hause.“ Live auf der Bühne, direkt vor Publikum, „das ist einfach unschlagbar“, sagt er.
Die Musik gehört einfach dazu
Seit er mit der Band unterwegs ist, fragt er sich manchmal: „Mensch, warum hast du das nicht viel früher gemacht?“ Die Musik gehöre inzwischen einfach dazu. „Genau wie das Texten, ohne kann ich’s mir gar nicht mehr vorstellen.“
Ist das die „Ausfahrt Leben“, die er in dem Song „Weiter, weiter unterwegs“ beschreibt? „Schwere Frage“, sagt Beckmann. „Warten wir es einfach ab. Aber ich glaube, dass wir schon ganz gut unterwegs sind mit unserer Band.“
Wie schwer wird der Schritt vom Talkmaster zum Songwriter? „So was muss man sich jeden Abend neu erspielen. Da gibt es auch zu Recht keinen Bonus für den Fernsehfritzen“, sagt er. Bisher hätte das Publikum die Band aber unter vier Zugaben nicht von der Bühne gelassen. „Das ist ja schon mal ein Anfang.“