Wer in Westafrika Ebola überlebt hat, ist noch längst nicht über den Berg. Meist werden die ehemaligen Seuchenpatienten gemieden. Das Unwissen über die Verbreitung von Ebola ist groß, ehemaligen Infizierten geht man lieber aus dem Weg.
Conakry. Kadiatou Fanta hatte großes Glück: Die 26-jährige Medizinstudentin hatte sich mit dem Ebola-Virus infiziert, aber ihr Körper war stärker und überlebte die Infektion. Jetzt hat die junge Frau aus Guinea ein neues Problem: Keiner will mehr etwas mit ihr zu tun haben. Ihr Freund hat sich von ihr getrennt, ihre Professoren wollen nicht, dass sie weiter an Seminaren teilnimmt. Sogar ihre Familie hat sich von ihr abgewandt.
Lange ist es her, dass sie Blut gespuckt hat und vom Fieber gezeichnet war. Aber obwohl sie in Besitz eines Dokuments ist, das sie als geheilt zertifiziert, scheint es, als würde sie ein Tattoo auf der Stirn tragen, das sie als Ebola-Patientin brandmarkt. „Ebola hat mein Leben ruiniert, obwohl ich es überlebt habe“, sagt sie. „Niemand will mehr auch nur eine Minute mit mir verbringen, weil alle Angst haben, sich anzustecken.“
Dabei wird Ebola nur durch den direkten Austausch von Körperflüssigkeiten wie Blut, Speichel, Urin, Schweiß oder Sperma verbreitet. Aber das Wissen um diese Verbreitungswege ist in Westafrika kaum präsent, obwohl Ebola seit März Angst und Schrecken verbreitet. Laut Weltgesundheitsorganisation sind mehr als 1 000 Menschen an dem Virus gestorben. Bei früheren Ausbrüchen der Krankheit hat die Mortalitätsrate bei rund 90 Prozent gelegen, jetzt überlebt dagegen jeder zweite Patient.
Es gibt zwar kein geprüftes Medikament gegen Ebola, aber die Infizierten können mit flankierenden Maßnahmen wie intravenöse Flüssigkeitsversorgung so gestärkt werden, dass sie selbst Antikörper gegen das Virus entwickeln und überleben. Mediziner hoffen, dass die Überlebenden in der Öffentlichkeit sichtbar sind als Beweis dafür, dass Infizierte eine Chance haben, wenn sie behandelt werden. Meist werden sie nämlich von ihren Verwandten weggesperrt, weil die das öffentliche Stigma fürchten, von der Seuche betroffen zu sein. Ebola unbehandelt zu lassen, ist jedoch ein fast sicheres Todesurteil.
Sulaiman Kemokai aus Sierra Leone hat fast diese Erfahrung gemacht. Er hat gerade eine 25-tägige Behandlung in einer Ebola-Station hinter sich und fühlt sich noch ein bisschen steif in den Armen und Beinen. „Als ich krank wurde, hatte ich Angst, ins Krankenhaus zu gehen. Ich habe mich vor den Ärzten und meiner Familie versteckt. Irgendwann ging es nicht mehr, und ich bin dann doch ins Krankenhaus gegangen“, erzählt er. Aber jetzt wird auch er gemieden, obwohl er nicht mehr ansteckend ist. Dabei kann er sich wenigstens auf die Unterstützung seiner Familie verlassen: Zwei seiner Geschwister haben ebenfalls Ebola überlebt, die Mutter dagegen starb.
Kadiatou Fanta, die Medizinstudentin aus Guinea, infizierte sich im März bei der Arbeit. Ein Patient vom Land kam mit Verdacht auf Malaria, und sie machte die Erstuntersuchung. Ohne Gesichtsmaske oder Handschuhe, das ist in Guinea immer noch üblich. Zwei Wochen später bekam sie Durchfall und spuckte Blut. Aber bereits im April konnte sie als geheilt entlassen werden. Damit begann allerdings ihre gesellschaftliche Ausgrenzung. In Tanene, dem Dorf, in dem ihre Familie lebt, machte die Nachricht von ihrer Krankheit schnell die Runde. Als sie dorthin zurückkam, um sich von der Strapazen der Behandlung zu erholen, wurde sie gemieden. Ihr Exfreund geht nicht mal ans Telefon, wenn sie ihn anzurufen versucht.
Auch an der Uni in der Hauptstadt Conakry bekam sie einen Korb, als sie versuchte, ihr Studium wieder aufzunehmen. Sogar die Dozenten – eigentlich ja medizinische Fachleute – wollten sie nicht unterrichten, ihrem Gesundheitspass zum Trotz. Ihre Kommilitonen haben mittlerweile eine wichtige Zwischenprüfung absolviert, die ihr noch fehlt. „Die Professoren wollen mir die Prüfung nur am Telefon abnehmen“, klagt Fanta.
Zur Zeit lebt sie von dem bisschen Geld, das ihr ihre Familie schickt und hofft, dass sie irgendwann wieder in die Unikurse reingelassen wird. „Ich will Patienten behandeln“, sagt sie. „Der Grund, warum ich noch lebe, ist, dass ich Hilfe von den Ärzten bekommen habe und sie mir das Leben gerettet haben.“