Auf Ersuchen der ukrainischen Regierung haben die Niederlande die Leitung der internationalen Untersuchung zur Absturzursache von Flug MH17 übernommen. Der Zug mit den Leichen der Opfer des Unglücks hat Charkiw erreicht.
Den Haag. Die Niederlande haben die Leitung der internationalen Untersuchung zur Absturzursache von Flug MH17 in der Ostukraine übernommen. Dies sei auf Ersuchen der ukrainischen Regierung geschehen, teilte der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte am Dienstag in Den Haag mit.
Die niederländische Regierung rechnet für Mittwoch mit der Ankunft der ersten Opfer von Flug MH17. „Es ist unser Ziel – und zu diesem Zeitpunkt auch unsere Erwartung -, dass irgendwann morgen das erste Flugzeug mit Opfern nach Eindhoven abfliegen wird“, sagte Ministerpräsident Mark Rutte am Dienstag.
Leichen in Charkiw eingetroffen
Der Zug mit den Leichen von Insassen des mutmaßlich über dem Osten der Ukraine abgeschossenen malaysischen Flugzeugs ist am Dienstag an seinem Bestimmungsort Charkiw eingetroffen. Er erreichte den Bahnhof der unter Regierungskontrolle stehenden Stadt kurz vor dem Mittag. Die etwa 280 Leichen der Absturzopfer sollen dort an eine niederländische Delegation übergeben und später per Flugzeug nach Amsterdam gebracht werden. Dort sollen sie identifiziert und an die Angehörigen übergeben werden.
Der Zug war am Montag aus der von prorussischen Separatisten kontrollierten Stadt Tores abgefahren. Das Passagierflugzeug von Malaysia Airlines mit 298 Menschen an Bord war am Donnerstag auf dem Weg von Amsterdam nach Kuala Lumpur im umkämpften Osten der Ukraine abgestürzt. Die Staatsführung in Kiew und die bewaffneten Regierungsgegner bezichtigen einander gegenseitig, die Boeing 777 abgeschossen zu haben.
Was genau mit MH17 passierte, wird derzeit untersucht. Aufklärung erhoffen sich die Ermittler vom Flugdatenschreiber und Cockpit-Stimmenrekorder. Beide Geräte wurden in der Nacht zum Dienstag von den prorussischen Separatisten an Vertreter Malaysias ausgehändigt. Die Separatisten verkündeten außerdem eine Waffenruhe rund um die Absturzstelle. Damit erfüllten sie Forderungen einer zuvor einstimmig verabschiedeten Resolution des UN-Sicherheitsrats.
Unabhängige Untersuchungserkenntnisse gibt es bislang nicht, weil die Ermittlungsarbeiten von den Separatisten behindert wurden. Das ukrainische Außenministerium rief die von dem Flugzeugabsturz betroffenen Länder am Dienstag auf, Polizisten an den Absturzort zu entsenden. Unter den Absturzopfern waren auch vier Deutsche. Das Bundeskriminalamt hatte am Freitag angekündigt, zwei Experten in die Ukraine zu entsenden.
Malaysia Airlines leitet Flugzeug über Syrien
Malaysia Airlines hat unterdessen eine Passagiermaschine umgeleitet. Statt über die Ukraine flog sie über den Luftraum des Bürgerkriegslands Syrien. Flug MH4 von London nach Kuala Lumpur sei am Sonntag wegen der Sperrung des Luftraums über der Ukraine von seiner üblichen Route abgewichen und über Syrien umgeleitet worden, teilte die Airline am Montagabend mit. Die alternative Flugroute sei von der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) genehmigt und der syrische Luftraum auch nicht gesperrt gewesen.
Nach Erkenntnissen des Online-Portals Flightradar24 vom Montag war MH4 „der einzige interkontinentale Flug“, dessen Route über syrischen Luftraum führte. Wohl auch deshalb stieß die Entscheidung der Fluggesellschaft in sozialen Online-Netzwerken auf Unverständnis. Mehrere Nutzer warfen die Frage auf, ob Malaysia Airlines ein weiteres Flugzeug verlieren wolle. Vor dem Absturz von MH17 mit 298 Toten war im März schon Malaysia-Airlines-Flug MH370 mit 239 Menschen an Bord auf dem Weg von Kuala Lumpur nach Peking verschwunden.
Auch im Fall von Flug MH17, der nach Ansicht der ukrainischen Regierung und zahlreicher westlicher Staaten höchstwahrscheinlich durch die von Russland unterstützten Separatisten abgeschossen wurde, hatten Malaysia Airlines und die malaysische Regierung auf die Freigabe der Route durch die ICAO verwiesen. Der internationale Luftfahrtverband IATA nahm die Fluggesellschaft am Dienstag in Schutz: Regierungen und Luftraumdienste würden die Airlines laufend über mögliche Routen und Restriktionen informieren, die Fluggesellschaften würden sich anschließend an die Vorgaben halten. Dies sei auch bei MH17 der Fall gewesen.
Ukraine stimmt für Teilmobilmachung der Bevölkerung
Auch politisch ging es in der Ostukraine-Frage weiter: Kiew hat zur Lösung des blutigen Konflikts im Osten des Landes eine Teilmobilmachung der Bevölkerung beschlossen. Das Parlament in Kiew bestätigte am Dienstag einen entsprechenden Erlass des ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko am Dienstag. Die Teilmobilmachung bedeutet die Masseneinberufung von Männern im wehrdienstfähigen Alter sowie von Reservisten. Die ukrainische Armee steht im Ruf, extrem schlecht mit Personal, Nahrung und Technik ausgestattet zu sein. Mit den zusätzlichen Kräften sowie weiterer Ausrüstung will Poroschenko noch härter gegen die prorussischen Separatisten in der Ostukraine vorgehen.