Ratschläge für alltägliche Probleme und kleine Notfälle. Heute: Vom Mundraub bis zu schweren Straftaten und unbezahlten Massagen.
Was ist, wenn ich beim Obstnaschen erwischt werde?
Der Apfel war schon immer ein Symbol der Verführung. Und auch die anderen Früchte in der Supermarkt-Auslage sehen verlockend aus. Auf dem Wochenmarkt darf man ja manchmal probieren, wieso nicht auch im Supermarkt? Doch gerade als Sie sich eine Kirsche in den Mund stecken, kommt der Filialleiter um die Ecke und stellt Sie zur Rede. Peinlich, peinlich - Sie haben sich gerade strafbar gemacht. "Wenn Sie im Supermarkt beim Obstnaschen erwischt werden, wird der ein oder andere dies noch mit dem Begriff ,Mundraub' assoziieren", sagt Rechtsanwalt Frederic Wietbrok. Mundraub war nach § 370 StGB alter Fassung strafbar, wurde aber mittlerweile abgeschafft. "Die Abschaffung dieses Straftatbestandes führt allerdings keineswegs zum ungezwungenen Genuss von Obst im Supermarkt", sagt Wietbrok. Vielmehr ist das Obstnaschen im Supermarkt als Diebstahl zu qualifizieren, der nach § 242 StGB strafbar ist und mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren geahndet werden kann. Beim Obstnaschen, also einem Diebstahl von geringwertigen Sachen, wird die Angelegenheit aber nur auf Antrag verfolgt. Wenn Sie also tatsächlich erwischt werden, tun Sie somit gut daran, eine Anzeige durch den Ladenbesitzer zu verhindern.
Was ist, wenn der Automat für die U-Bahn-Tickets defekt ist?
Die U-Bahn fährt in einer Minute ab. Dumm nur, dass ausgerechnet jetzt der Fahrkartenautomat streikt. Mit einem schlechten Gewissen betreten Sie die Bahn; hoffentlich patrouillieren die Kontrolleure nicht gerade auf dieser Strecke.
Grundsätzlich gilt: Sie dürfen die U-Bahn in solchen Fällen nutzen. "Zunächst besteht eine Beförderungspflicht des Verkehrsunternehmens", sagt Rechtsanwältin Tanja Traub. "Diese Pflicht gerät aber in Konflikt mit den Beförderungsbedingungen, denen zufolge die U-Bahn nur mit einem gültigen Fahrausweis benutzt werden darf."
Deshalb: Bei der nächsten Gelegenheit müssen Sie eine Fahrkarte kaufen - also an der nächsten Haltestelle oder beim Umsteigen. "Allerdings sollten Sie bei einer Kontrolle die Automatennummer des defekten Fahrkartenautomaten angeben können", sagt Tanja Traub. Übrigens: Strafrechtlich sind Sie aus dem Schneider, da kein "Erschleichen von Leistungen" vorliegt, wie das Schwarzfahren im Juristen-Deutsch heißt.
... wenn ich das Lokal verlasse, weil das Essen zu spät kommt?
Sie haben Ihre neue Flamme schick ins Restaurant ausgeführt. Auf das Liebesmahl warten Sie aber seit mehr als einer Stunde, die Angebetete verdreht genervt die Augen, und auch Ihr Blutdruck kommt in den kritischen Bereich. Gerade als Sie gehen wollen, bringt der Kellner das Essen an den Tisch. Gedanklich sind Sie beide aber schon längst bei der Lieferpizza und verlassen das Lokal.
So geht's nicht! "Hat der Wirt Ihr Essen bereits zubereitet, müssen Sie dafür auch bezahlen", sagt Rechtsanwältin Tanja Traub. Wie lange man maximal warten muss, ist gesetzlich nicht geregelt. Abends sollten Sie mindestens 45 Minuten einplanen - es sei denn, der Wirt kennt Ihre Eile oder hat eine schnellere Bedienung versprochen. Kommt das Essen dann immer noch nicht, kündigen Sie dem Wirt an, dass Sie nur noch eine bestimmte, angemessene Zeit zu warten bereit sind. Sie müssen ihm, rechtlich gesehen, also eine Frist setzen. Ist die abgelaufen, können Sie trotzdem nicht einfach gehen. Sie müssen erst noch dem Wirt Bescheid sagen, dass Sie das Essen jetzt nicht mehr haben wollen.
... wenn ich im Freibad mein Bikinioberteil anziehen soll?
Sie möchten sich sonnen und finden: Textil stört. Doch dann kommt der Bademeister vorbei und fordert Sie auf, Ihr Bikinioberteil anzuziehen. Das müssen Sie nicht unbedingt! Der Aufforderung sollten Sie nur Folge leisten, wenn in der Badeordnung das Baden "oben ohne" explizit verboten ist. Manchmal ist der Fall jedoch nicht genau geregelt, wie in der Badeordnung der Bäderland Hamburg GmbH: "Die Badegäste haben alles zu unterlassen, was den guten Sitten sowie dem Aufrechterhalten der Sicherheit, Ruhe und Ordnung zuwiderläuft", heißt es da. Ob das Baden "oben ohne" heutzutage noch gegen die guten Sitten verstößt, darf bezweifelt werden. So hat das Verwaltungsgericht Karlsruhe in einem Beschluss vom 2. Juni 2005 (6 K 1058/05) beiläufig erklärt, dass in "Schwimmbädern oben ohne üblicher geworden sein dürfte". Rechtsanwalt Manuell Contius: "Wenn Sie mutig sind, lassen Sie es darauf ankommen und führen eine gerichtliche Klärung herbei. Denn verstößt das Oben-ohne-Baden nicht gegen die guten Sitten, beginge der Schwimmbadbetreiber eine Vertragsverletzung, wenn er Sie dennoch des Schwimmbades verwiese."
Was ist, wenn bei mir eingebrochen wurde?
Gerade aus dem Urlaub zurück, kippen Sie beim Betreten Ihrer Wohnung beinahe hintenüber: Einbrecher haben Ihre Wohnung verwüstet und ausgeräumt! "Ein Einbruchsdiebstahl ist grundsätzlich ein Fall für Ihre Hausratversicherung", sagt Rechtsanwalt Manuell Contius. Melden Sie unverzüglich den Einbruch der Polizei und Ihrem Versicherer. Dokumentieren Sie die Schäden selbst, indem Sie die Beschädigungen und die Einbruchsspuren fotografieren. Es obliegt Ihnen, Ihrem Versicherer den Einbruch und den Schaden darzulegen (Bundesgerichtshof für Zivilsachen 130, 1). Ganz wichtig ist es, eine Stehlgutliste zu erstellen und sie unverzüglich der Polizei und dem Versicherer zu übersenden. Lassen Sie sich dafür höchstens zehn Tage Zeit. Minimieren Sie mögliche Schäden, indem Sie sofort gestohlene Kredit- und Telefonkarten sperren und beschädigte Schlösser austauschen lassen.
Was ist, wenn der Nachbar zu laut ist?
Die Nachbarn feiern zum x-ten Mal eine laute Party oder versuchen sich an einem Musikinstrument. Niemand ist gezwungen, sich dies auf Dauer bieten zu lassen. Bevor Sie jedoch öffentlich-rechtliche oder zivilrechtliche Unterlassungsansprüche geltend machen, sollten Sie zunächst mit dem Nachbarn sprechen. Führt das Gespräch nicht zum Erfolg, kann bei der nächsten Lärmbelästigung die Polizei eingeschaltet werden, die die Belästigung dann als Ordnungswidrigkeit verfolgt. Kommt es zu weiteren dauerhaften Lärmbelästigungen, kann gegen den Nachbarn eine einstweilige Verfügung und/oder Unterlassungsklage vor dem Amtsgericht angestrengt werden. Zur Beweissicherung sollten Sie in diesem Fall ein "Lärmprotokoll" führen. Dazu sind Datum und Uhrzeit der Störung, die Lärmart sowie in Betracht kommende Zeugen des Vorfalls mit Namen, Vornamen und Anschrift konkret schriftlich festzuhalten. Sind Sie als Mieter betroffen, kann auch über eine Mietminderung nachgedacht werden. Hierzu sollten Sie aber auf jeden Fall mit Ihrem Lärmprotokoll einen Anwalt konsultieren.
... wenn der Käufer meines Autos es doch nicht haben will?
Sie haben genug Geld für den Neuwagen zurückgelegt, jetzt möchten Sie nur noch Ihr altes Auto loswerden. Mit einem Interessenten sind Sie sich mündlich handelseinig geworden: Für 2000 Euro will er Ihnen Ihr Schätzchen abkaufen. Doch nach drei Tagen entscheidet er sich plötzlich anders. Grundsätzlich muss ein Kaufvertrag nicht schriftlich, sondern kann auch mündlich geschlossen werden. Will sich der Käufer aber nicht mehr an den Vertragsschluss erinnern, liegt die Beweislast beim Verkäufer. Gut wäre es also, wenn Sie den Vertragsschluss, z. B. durch Zeugen, beweisen können. "Dann können Sie sich auf den Kaufvertrag berufen und den vereinbarten Preis verlangen", sagt Rechtsanwältin Tanja Traub. Das Auto dürfen Sie aber nicht mehr nutzen. Dafür können Sie beim Käufer einige Kosten als sogenannten Verzugsschaden geltend machen, zum Beispiel die Kosten für den Stellplatz oder die Kfz-Versicherung. Zweite Möglichkeit: Sie treten vom Kaufvertrag zurück und verlangen Schadenersatz. "Zum Schaden gehört dann auch die Differenz, wenn Sie das Auto ansonsten nur zu einem niedrigeren Preis verkaufen können."
... wenn ich den verpassten Massage-Termin bezahlen soll?
Sie haben sich so auf den Wellness-Tag gefreut. Doch dann ruft der Chef an: Sie müssen eine erkrankte Kollegin vertreten. Damit ist der schöne Tag geplatzt. Und leider auch der Massage-Termin, den Sie in der Eile nicht abgesagt haben. Zwei Wochen später gibt es dann ein böses Erwachen: Sie sollen trotzdem hundert Euro ans Massagestudio überweisen.
Sie wollen nicht? Sie müssen! "Sie schulden die vereinbarte Vergütung, auch wenn Sie die Behandlung tatsächlich nicht in Anspruch genommen haben", sagt Rechtsanwältin Tanja Traub. Wer mündlich einen Termin vereinbart, schließt einen Dienstvertrag. Der berechtigt Sie, innerhalb des vereinbarten Zeitfensters von dem Masseur behandelt zu werden und dieser hält für Sie den Termin frei.
Weil Sie so spontan abgesagt haben, konnte der Masseur den Termin nicht mehr rechtzeitig an einen anderen Patienten vergeben. "Rechtlich gesehen kamen Sie durch Ihr Nichterscheinen damit in Annahmeverzug", sagt Rechtsanwältin Tanja Traub. Nicht in Rechnung stellen darf der Masseur allerdings die "ersparten Aufwendungen", zum Beispiel die Kosten für das nicht verwendete Massage-Öl.
Was ist, wenn ein Auto meine Sachen verdreckt?
Nach einem Regenschauer kommt die Sonne wieder raus und Sie machen einen Spaziergang. Plötzlich rast ein Autofahrer direkt neben Ihnen durch eine Riesenpfütze. Sie sind von oben bis unten durchnässt, zudem hat das Wasser Ihre Kleidung verschmutzt. Versuchen Sie, sich das Kennzeichen des Rowdys zu merken, rät Rechtsanwalt Manuell Contius. Lässt sich feststellen, dass der Fahrer etwa durch Herabsetzung der Geschwindigkeit oder Ausweichen das Beschmutzen des Fußgängers ohne Gefährdung des fließenden Verkehrs hätte vermeiden können, haftet er für die Reinigungskosten. Sollten Ihre Klamotten auch noch beschädigt werden, haftet der Halter des Autos Ihnen gegenüber auch verschuldensunabhängig. Prinzipiell gilt nach Paragraf 1, Absatz II, der Straßenverkehrsordnung: "Jeder Verkehrsteilnehmer hat sich so zu verhalten, dass kein anderer geschädigt, gefährdet oder mehr als nach den Umständen unvermeidbar behindert oder belästigt wird." Daraus folgt keine Pflicht, dass Pfützen nur im Schritttempo zu durchfahren sind, um eine Belästigung von Fußgängern zu vermeiden.
Was ist, wenn ich eine Straftat beobachtet habe?
Tatorte gibt es nicht nur im Fernsehen. Doch selbst bei schwersten Straftaten besteht bis auf ganz wenige Ausnahmen keine Verpflichtung zur Anzeige. Nur in engen Grenzen sind Sie zur Anzeige von geplanten und besonders schweren Straftaten verpflichtet. Eine Handlungspflicht beim Beobachten einer Straftat kann sich aber aus dem Aspekt der unterlassenen Hilfeleistung ergeben. Hierbei wird das Unterlassen einer gebotenen Handlung gemäß § 323 c StGB unter Strafe gestellt. Nehmen wir an, Sie befinden sich an einer U-Bahn- Haltestelle und beobachten, wie ein Passant von einer Gruppe Angreifer bedrängt wird und auf die Gleise geworfen zu werden droht. Der Angegriffene befindet sich in einer Notsituation. Wenn die Möglichkeit besteht, dass Sie helfen können, dann sind Sie zur Hilfe verpflichtet, soweit dies erforderlich und zumutbar ist. In jedem Fall sollten Sie die Polizei verständigen, wenn Sie selbst nicht helfen können. Soweit Sie die Hilfe unterlassen, machen Sie sich unter Umständen strafbar.
Hier finden Sie Hilfe:
Hamburgischer Anwaltverein: www.hav.de ; Tel.: 01804/31 43 14, Anruf 20 Cent, mobil teurer
Online eine Rechtsfrage stellen: www.frag-einen-Anwalt.de
Öffentliche Rechtsauskunfts- und Vergleichsstelle berät für zehn Euro alle Hamburger, die nur über ein geringes Einkommen verfügen. ÖRA-Hauptstelle Dammtorstr. 14, Telefon: 040/428 43-30 71, www.hamburg.de/oera
Rechtsberatung in Mietsachen bietet z. B. der Mieterverein zu Hamburg. Tel. 040/87 97 90
Verbraucherzentrale Hamburg: Kirchenallee 22, 20099 Hamburg, Telefon: 040/248 32-0, www.vzhh.de