Der 830. Hafengeburtstag hat begonnen. Der Hafen ist nicht nur das Herz der Wirtschaft, er stiftet Identität.
Mit Etikettenschwindel kennen sich die Hamburger aus: Der sogenannte Barbarossa-Freibrief, den der Kaiser 1189 ausgestellt haben soll, hat die Hansestadt und ihren Hafen groß gemacht. Das Schriftstück befreite die Hamburger Kaufleute bis zur Mündung der Elbe von Zöllen und schaltete die lästige Konkurrenz etwa aus Stade aus. Angeblich soll das brisante Schriftstück um 1225 im damaligen Rathaus erstellt worden sein.
Sei’s drum. Zum Hafengeburtstag feiern die Hamburger den Barbarossa-Freibrief von 1189. Und ihren „830. Hafengeburtstag“. Klingt nach einem Volksfest mit einer Tradition, die bis ins tiefste Mittelalter reicht. In Wahrheit ist die Fete ein Kind der 70er-Jahre. Des 20. Jahrhunderts. Damals drohte Hamburgs Herz der Stillstand, der Hafen wurde als „rostiger Jubilar“ verspottet. Kurz hinter Hamburg begann der Zonenrand, Hamburg schien abgeschnitten – der Hafen war in Europa auf den fünften Platz abgerutscht. Das Volksfest sollte den Hafen zurück in die Köpfe bringen.
Das ist gelungen. Bis heute ist das Fest mehr ein maritimer Rummel. Der Hafengeburtstag steht für die innige Verbindung der Hamburger zu ihrem Hafen. Im Unterschied zu anderen Metropolen ist der Umschlagplatz in der Stadt geblieben. Auf der anderen Elbseite liegt der Hafen wie auf einer Bühne und bietet über 365 Tage großes Theater. Auch wenn die direkte Wertschöpfung dort für die Wirtschaft mitunter überschätzt wird, seine indirekte Wertschöpfung kann man gar nicht hoch genug schätzen: Der Hafen stiftet Identität, er macht die Stadt internationaler und reizvoller, er hat Musik und Literatur inspiriert, er hat Werber und Kreative gelockt, er fasziniert Reisende und Heimatsuchende. Der Hafen ist nicht nur das Herz der Wirtschaft, er ist die Seele der Stadt. Und deshalb bemisst sich seine Wichtigkeit nicht allein in Umschlagszahlen.
Der Hafengeburtstag holt das alles mit einem Schlag in die Hirne und Herzen zurück. Die Ein- und Auslaufparade, die für Besucher geöffneten Schiffe und das Schlepperballett funktionieren seit Jahrzehnten so gut, dass man sie nicht ständig neu erfinden muss. Natürlich kann man wunderbar über die immer gleiche Aneinanderreihung von Bierbude, Schwenkgrill, Cocktailstand und Pizzawagen lästern – aber offenbar mögen viele Menschen genau diese Fressmeilen.
Hafen verdient Unterstützung von Senat und Bevölkerung
Und der Hafengeburtstag ist eben auch mehr: Längst ist die Hochkultur ein fester Programmpunkt – etwa mit der Übertragung von Elbphilharmonie-Konzerten auf eine Großbildleinwand. Und auch die Subkultur ist seit Jahren auf dem Hafengeburtstag präsent. Es gibt wahrscheinlich kaum ein anderes Fest, bei dem sich so unterschiedliche Menschen treffen und zusammen feiern: Arbeiter und Reeder, Fahrradkuriere und Porschefahrer, Rotary und Antifa, Billstedt und Blankenese.
Allerdings wäre es zu wenig, einmal im Jahr auf den Hafen anzustoßen und ihn danach wieder aus dem Blick zu verlieren: Auch wenn die Fahrrinnenanpassung jetzt endlich kommt, sind die Herausforderungen für die maritime Wirtschaft nicht geringer geworden. Derzeit drohen sich Handelsströme zu verlagern durch die chinesische Seidenstraße-Initiative oder durch Tunnelprojekte zum Adriahafen in Koper/Slowenien.
Der Hamburger Hafen hat die volle Unterstützung von Senat und Bevölkerung verdient – und vom Bund. Die neue Köhlbrandquerung bis 2030 ist nicht nur eine Schicksalsfrage für den Hafen, sondern liegt im nationalen Interesse. Sie taugt nicht für kleingeistige großkoalitionäre Streitigkeiten. Ob der Hafengeburtstag 2027 – als Party der 50. – vor der Kulisse eines maritimen Kraftzentrums oder eines maritimen Museums gefeiert wird, wird auch davon abhängen.