Das Warten auf die Amtsübergabe kann toxisch sein – weil das neue Gesicht schnell alt aussieht.

Bei Königs gibt es ja mitunter seltsame Gestalten, entrückte bis verrückte Monarchen, Traumschlossbauherren, Ritter von trauriger Gestalt. Prinz Charles ist die wohl tragischste Figur der europäischen Monarchien: Seit nunmehr 67 Jahren sitzt Elizabeth II. auf dem britischen Thron. Charles Philip Arthur George feierte im November seinen 70. Geburtstag – und seit seinem vierten Lebensjahr fristet er sein Dasein auf Platz eins in der britischen Thronfolge. Seither ist vieles im Leben des Prinzen passiert, das Klatschblätter und Illus­trierte prächtig unterhalten hat; nur auf dem Thron passierte: nichts. Wer so lange in der Warteschleife lebt, kommt dort kaum noch heraus. Prinz Charles gilt als der ewige Thronfolger.

Nun ist CDU-Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) erst seit fünf Monaten in der Warteschleife, aber bei den notorisch hyperaktiven Medienmenschen reicht das auch schon an eine gefühlte Ewigkeit heran. Gabor Steingart, früher Chef des „Handelsblatts“ und heute Kopf des „Morning Briefing“, wittert schon „Alarmstimmung“ im AKK-Lager: Ihr sei „das Schlimmste passiert, was einem Spitzenpolitiker passieren kann: Sie hat das Momentum verloren.“

Als untrüglicher Beweis gelten Umfragedaten, die gefühlt stündlich erhoben werden. Bei Forsa wird man immer fündig und kann auf ein Minus verweisen: Von 32 Prozent für die CDU nach der Hamburger Wahl zur Parteichefin auf zuletzt 27 Prozent. Blöd nur, dass der Rückgang beim Institut Emnid nur zwei Prozentpunkte und bei den Demoskopen von Insa gar nur 0,5 Prozentpunkte ausmacht – was alles im Bereich der statistischen Fehlertoleranz liegt. Trotzdem setzt sich die Erkenntnis fest, dass es für AKK gar nicht rundläuft: Im politischen Berlin würden Regierungsmitglieder derzeit darauf wetten, orakelt der „Tagesspiegel“, „dass Angela Merkel länger Kanzlerin bleibt, als viele glauben. Und CDU-Chefin AKK es nicht so schnell wird. Wenn überhaupt.“

Der Rückenwind, der die Saarländerin ins Amt getragen hat, ist abgeflaut. Das neue Gesicht beginnt alt auszusehen. Und der Anfang, dem bekanntlich ein Zauber innewohnt, ist schon ziemlich am Ende. Auch wenn die Kanzlerin dem Regierungsalltag entrückt zu sein scheint, bis auf Weiteres sitzt sie im Kanzleramt – und tatsächlich spricht wenig dafür, dass sie diesen Posten bald räumen wird.

Die Grünen haben das Momentum auf ihrer Seite

Das Politik-Mikado dürfte noch einige Zeit so weitergehen: Der CDU-Parteitag hat eine Bewegung nur vorgetäuscht, aber keine Bewegung gebracht. In Wahrheit bleibt alles beim Alten: Wie in England die Queen, macht auch die Kanzlerin in Berlin unverdrossen weiter.

Ein Wechsel im Kanzleramt bedarf ja auch der Zustimmung des Koalitionspartners, der SPD. Und die dürfte sich derzeit sehr genau überlegen, ob es ein cleverer Schachzug wäre, AKK im Bundestag zu wählen: Für einen potenziellen Kanzlerkandidaten – so etwas hat die SPD ja noch – wäre die Saarländerin jedenfalls leichter als CDU-Parteichefin zu schlagen denn als Kanzlerin.

Auch die Alternative Jamaika ist keine realistische Option mehr: Zwar würde FDP-Chef Lindner sich lieber heute als morgen als Koalitionspartner andienen – auch um den damaligen Ausstieg aus den Verhandlungen vergessen zu machen. Die Grünen aber werden kaum so uneigennützig AKK ins Amt verhelfen: 8,9 Prozent lautete das dürftige Ergebnis bei der Wahl 2017; heute liegen die Grünen bei knapp 20 Prozent. Sie haben das Momentum auf ihrer Seite – und werden es nutzen wollen. So viel Sonne, wie derzeit auf Robert Habeck scheint, wird nicht immer sein. Und deshalb stehen die Chancen auf einen Koalitionswechsel schlecht. Nur wenn die SPD die Nerven verliert, steigen die Chancen von AKK.

Das weiß auch die Kanzlerin: Sie wird kaum ihre Ewigkeit im Amt mit einem überstürzten Rücktritt schmälern – zumal Deutschland 2020 die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt. Selbst wenn sie wollte, wird Merkel immer einen wichtigen Grund finden, der ihren Rücktritt unmöglich macht.

Mit jedem weiteren Monat des Abwartens verliert der Aufbruch, für den AKK steht, an Schwung. Der clevere Schachzug, Kanzleramt und Parteivorsitz zu trennen, könnte am Ende Merkels Zeit verlängern – und die Zeit von Annegret Kramp-Karrenbauer ablaufen lassen, bevor sie begonnen hat.

Angeblich will zumindest die Queen in zwei Jahren abdanken – wenn nichts dazwischenkommt.